Bundeswehr: Gerüstet gegen Corona
27. März 2020Social Distancing, Abstandsgebot und Home Office – auch in den deutschen Streitkräften sind das keine Fremdwörter mehr, sondern mittlerweile Selbstverständlichkeiten. Wer seinen Job auch am Laptop machen kann, der arbeitet bis auf weiteres von zu Hause aus. Das morgendliche Antreten in der Kaserne findet nicht mehr Schulter an Schulter statt, sondern im Abstand von zwei Metern. Panzerbesatzungen, die im Normalfall eng aufeinander hocken, werden, wenn überhaupt gefahren wird, ausgedünnt. "Auflockerung" heißt das im Bundeswehrsprech.
Alles streng nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts, an deren täglichen Telefonkonferenzen auch die Bundeswehr teilnimmt. Konsequenzen: Das Afghanistan-Kontingent wird vorübergehend verkleinert, ein großes Manöver ist abgesagt, genauso wie alle Ausbildungen, die nicht auf Auslandseinsätze vorbereiten. Bei allem Auflockern wird natürlich darauf geachtet, dass die Bündnisverpflichtungen erfüllt werden und die Einsatzbereitschaft der Truppe gewährleistet bleibt.
Das Sanitätswesen läuft auf Hochtouren
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind, Stand 26. März, 160 Soldaten mit dem Virus infiziert. Nur zwei davon liegen im Krankenhaus, die meisten haben nur leichte Symptome und genesen zu Hause. Knapp 700 sind als Corona-Verdachtsfälle unter Quarantäne. Im Sanitätsdienst der Bundeswehr sind etwa 20.000 Soldaten tätig. Diese sind jetzt besonders gefordert, denn sie bereiten die fünf bundeswehreigenen Krankenhäuser auf "Durchhaltefähigkeit" vor, wie man hier sagt. Also auf den Worst Case.
105 Intensivbetten mit Beatmungsgeräten hat man insgesamt dort, das reicht unter normalen Umständen. Aber nicht, wenn es richtig schlimm kommt. Deshalb soll ihre Zahl jetzt deutlich erweitert werden. Denn es geht längst nicht nur um die Behandlung von Soldaten. In den Militärkrankenhäusern werden seit 1970 auch Zivilisten behandelt.
"Wir helfen, wo wir können"
Die Pressestelle des Verteidigungsministeriums ist optimistisch, dass die Bundeswehr der Zivilbevölkerung helfen kann, wenn sich die Corona-Krise verschärft. "Wir haben uns gut vorbereitet", heißt es gegenüber der DW, "und wir helfen, wo wir können!"
Dazu zählt auch, dass das Beschaffungsamt der Streitkräfte, das normalerweise Waffen und Ausrüstung für die Truppe einkauft, nun medizinische Schutzausrüstungen im Wert von 241 Millionen Euro auf dem Weltmarkt besorgt. Das Bundesgesundheitsministerium wird die mittlerweile begehrte Ware dann in Kliniken und Arztpraxen in ganz Deutschland verteilen.
Darüber hinaus hat die Bundeswehr bereits damit begonnen, Betroffene der Corona-Krise im Zuge der Amtshilfe mit Essen, Feldbetten und mobilen Arzteinrichtungen zu versorgen und medizinische Güter in ihren Kasernen sicher zu lagern. Bereits vor einigen Wochen wurden 125 deutsche Zivilisten mit Flugzeugen der Luftwaffe aus der chinesischen Provinz Wuhan in die Heimat zurückgeholt.
Reservisten wollen in der Krise anpacken
Positiv überrascht ist die Bundeswehr, dass 6000 Reservisten freiwillig einem Aufruf gefolgt sind, in der Krise zu helfen. 240 vorwiegend Sanitäter, Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte sind schon im Dienst, die anderen Verfahren laufen noch. Patrick Sensburg, der Chef des Reservistenverbandes und gleichzeitig CDU-Bundestagsabgeordnete, war wohl auch überrascht und plädierte gleich für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht.
Gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" sagte er: "Wir entdecken jetzt in der Krise, wie wertvoll Solidarität, Gemeinsinn und die viel zitierten systemrelevanten Berufe sind. Es sind genau diese Werte und exakt diese Berufsgruppen, die von einem Gesellschaftsdienst profitieren würden." Aber das ist Zukunftsmusik. Im Moment geht es nur darum, dass die Bundeswehr tut, was möglich ist, um in der Krise zu helfen.
Diese Unterstützung geht möglicherweise auch über Deutschland hinaus: Nach Informationen des "Spiegel" hat die französische Regierung die Bundeswehr gebeten, Helikopter zur Verfügung zu stellen, um Corona-Patienten aus besonders betroffenen Regionen in andere Landesteil zu fliegen. Außerdem soll die Bundeswehr in Frankreich bei der Versorgung von erkrankten Patienten helfen.