Kampf statt Ausbildung?
23. November 2015Sie bilden malische Soldaten aus, sie versorgen UN-Soldaten per Transportflugzeug mit Nachschub und im Notfall können sie französische Jets in der Luft betanken. Bis zu 500 deutsche Soldaten dürfen in Mali genau dies tun, so sehen es die Bundestagsmandate für EUTM und MINUSMA, die europäische Trainingsmission sowie die UN-Stabilisierungsmission in Mali vor.
Doch bald schon könnten ganz andere Aufgaben auf Soldaten der Bundeswehr in Mali zukommen. Im Bundestag scheint es eine Mehrheit zu geben für ein neues, ein ausgeweitetes Mandat. Das dürfte vorsehen, dass die Bundeswehr sich am Kampf gegen Aufständische und Terroristen aktiv beteiligt, auch im gefährlichen Nordteil des Landes.
Terror in Paris, Terror in Bamako
"Es geht um die Bekämpfung des Terrorismus und Mali ist einer der Staaten, wo die Terroristen versuchen, Fuß zu fassen", sagt Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Reservistenverbandes der Bundeswehr im Interview mit dem DLF. "Das sollten wir nicht zulassen", so Kiesewetter weiter. Auch bei den Sozialdemokraten und den Grünen melden sich vermehrt Stimmen zu Wort, die eine Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes fordern.
Schon im Sommer hatten die Niederlande Deutschland um Unterstützung im Norden Malis gebeten. Dort ist der NATO-Partner etwa mit Kampfhubschraubern im Einsatz. Nach den Terroranschlägen in Paris dann die Bitte aus dem Élysée-Palast um militärischen Beistand der EU-Mitglieder. Engagiert sich Deutschland stärker in Mali, dann hätte Frankreich freie Kapazitäten im Kampf gegen islamistischen Terror, so die Idee aus Berlin. Sie hat deutlich an Fahrt gewonnen, seit am vergangenen Freitag Terroristen ein Hotel in der malischen Hauptstadt Bamako angriffen und auch zahlreiche Ausländer als Geiseln nahmen.
Widerstand gegen ein neues, robusteres Mandat ist derzeit nur bei der Linksfraktion im Bundestag erkennbar. Deren Abgeordneter Niema Movassat erinnert im DW-Gespräch an den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. "Die Probleme im jeweiligen Land werden nicht gelöst. Aber gleichzeitig verwickelt man sich in einen Krieg", so Movassat. "In Mali würde die Bundeswehr Teil eines Krieges. Das ist nicht die Lösung für Mali und deshalb sollte die Bundeswehr nicht dorthin entsendet werden."
Deutsche Aufklärungsdrohnen über malischer Wüste?
Aktuell sind etwas mehr als 200 deutsche Soldaten im Rahmen von EUTM und MINUSMA in Mali stationiert, in der Hauptstadt Bamako sowie im Städtchen Koulikoro 60 Kilometer nordöstlich. Die eigentliche Gefahrenzone beginnt weiter nördlich. Dort sind seit Beginn der MINUSMA im Sommer 2013 65 UN-Soldaten getötet worden. Die Süddeutsche Zeitung hatte bereits im Oktober aus internen Dokumenten eines ersten Erkundungstrupps der Bundeswehr in Nordmali zitiert. Deutsche Soldaten könnten demnach unter anderem mit Drohnen und Bodentruppen zur Aufklärung beitragen.
Seit fast vier Jahren wird im Norden Malis gekämpft. Zunächst hatten Tuareg-Rebellen der "Befreiungsbewegung MNLA" dort einen eigenen Staat ausgerufen, dann waren sie von islamistischen Milizen wie der "Ansar Dine" verdrängt worden. Erst ein französischer Militäreinsatz im Januar 2013 und anschließende internationale Militärmissionen konnten den Vormarsch der Islamisten stoppen. Nach wie vor ist der Norden des Landes jedoch instabil, Drogenbanden, islamistische Milizen sowie Tuareg-Rebellen stehen in Konflikt mit der Zentralregierung in Bamako.
Eine völlig verfallene Armee
Bislang hatte sich Deutschland darauf konzentriert, die malische Armee im Rahmen der Trainingsmission EUTM der Europäischen Union zu stärken. Die Bemühungen der deutschen und anderer europäischer Ausbilder zeigten bereits Wirkung, sagt Ibrahim Maiga, Westafrika-Analyst für das Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria. "Aber das reicht nicht aus. Man braucht mehr als nur ein oder zwei Jahre Training, um diese völlig verfallene Armee wieder aufzubauen."
Ein Mangel an Soldaten und Waffen sei nicht das Problem, hält Niema Movassat von der Linken dagegen. "Es gibt 9000 MINUSMA-Soldaten und 1000 französische Soldaten, die dort im Norden sind. Ich glaube zentral wäre in Mali stattdessen ein Versöhnungsdialog, der alle Seiten einschließt." Islamistische Gruppen wie die Ansar Dine nimmt Movassat davon jedoch explizit aus. Den Islamisten würde man das Wasser abgraben, wenn man sich gemeinsam auf eine bessere Versorgung des völlig verarmten Nordens einigen könnte: "Ansar Dine zahlt den Leuten 1000 Dollar und drückt ihnen eine Kalaschnikow in die Hand. Das ist für die Leute ausreichend, um sich ihnen anzuschließen, und nicht irgendwelche Koranverse. Es geht um das Geld und um die soziale Perspektive."
Kommt es zu einer Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes, dann wird sich auch die Frage stellen, wen genau deutsche Soldaten in Nordmali bekämpfen sollen. Zahlreiche bewaffnete Gruppen wollen dort entweder den Drogen- und Menschenhandel schützen, einen Scharia-Staat oder einen Tuareg-Staat ausrufen, oder gemeinsam mit UN-Soldaten gegen Islamisten kämpfen. Manche verfolgen auch heute dies und morgen jenes Ziel, je nachdem, wo gerade das bessere Geschäft winkt.