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"Wir müssen 2050 treibhausgasneutral sein!"

2. November 2020

Im Gespräch mit der DW fordert Svenja Schulze, stärker als geplant auf erneuerbare Energien zu setzen. Zugleich verteidigt sie die Corona-Maßnahmen in Deutschland und erklärt, warum sie bei der US-Wahl für Joe Biden ist.

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Svenja Schulze bei einer Pressekonferenz in Berlin
Die SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze bei einer Pressekonferenz in BerlinBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

DW: Frau Schulze, zunächst zu dem Thema, dass alle Menschen in Deutschland gerade am meisten beschäftigt: Von diesem Montag an gilt ein teilweiser Lockdown wegen der Corona-Pandemie. Was ist ihr Gefühl, werden die Menschen die harten Einschränkungen annehmen, auch jetzt, im tristen November?

Svenja Schulze: Ich hoffe sehr, dass die Menschen das annehmen. Das ist schmerzhaft für uns alle. Das ist sicher nicht so, dass sich irgend jemand das gewünscht hat. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Ansteckungsraten heruntergehen. Wir müssen dafür sorgen, dass unser Gesundheitssystem das alles noch schafft. Und da hilft alles nichts, da müssen die sozialen Kontakte jetzt reduziert werden. Das Zweite, was mit wichtig ist: Wir müssen an die Ursachen heran. Wir wissen ja, wo solche Pandemien herkommen. Das müssen wir jetzt viel konsequenter angehen, damit uns so etwas nicht noch einmal passiert.

Eine Studie des UN-Biodiversitätsrats (IPBES) hat in der vergangenen Woche gefordert, Natur und Artenvielfalt besser zu schützen und damit auch weiteren Pandemien vorzubeugen. Werden solche Warnungen momentan überhaupt gehört?

Ich bin erst mal froh, dass das wahrgenommen wird. Ich hatte ja im März schon mal darauf hingewiesen und den Internationalen Biodiversitäts-Rat gebeten, einmal alle Informationen zusammenzutragen und für die Politik aufzubereiten. Und das hat der Rat jetzt gemacht und die Ergebnisse sind da. Die gute Nachricht ist: Wir können etwas tun, wir sind dem nicht ausgeliefert. Sondern wenn wir Naturräume wieder sich selbst überlassen, wenn der Mensch da nicht eindringt, dann ist das auch eine gute Chance, dass wir solche Übertragungen von Viren aus dem Tierreich auf den Menschen hin stoppen können.

Nochmal kurz zurück zu den Einschränkungen: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat jetzt von harten Monaten gesprochen, die auf die Menschen zukommen. Ihr Parteikollege, Finanzminister Olaf Scholz, spricht von einer neuen Normalität, die jetzt akzeptiert werden müsse. Ist es sinnvoll, wenn die Politik die Bürger fast täglich ermahnt, die Corona-Regeln einzuhalten?

Naja, wenn es alle schon verstanden hätten, was wir jetzt tun müssen, dann wären ja die Infektionszahlen nicht die, die wir im Moment sehen. Deswegen müssen sich alle an die Regeln halten. Müssen Abstand halten, die Hygiene beachten, die Alltagsmasken nutzen, die Corona-Warn-App möglichst auf dem Handy installieren. Das ist einfach wichtig, wir sind da noch nicht durch. Deswegen müssen alle jetzt mithelfen, dass wir diese Pandemie in den Griff bekommen.

Lockdown in Deutschland 2020 November
Deutschland im teilweisen Lockdown: Die Severinstraße in Köln Montag frühBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Was bedeuten die neuen Einschränkungen für Sie persönlich und Ihre Arbeit?

Das ist für uns alle bitter, wir sind soziale Wesen, wir wollen miteinander in Kontakt sein. Für mich ist wichtig, dass der Klimaschutz und die Bemühungen um die Umwelt nicht zurückgeschraubt werden. Und das macht die Bundesregierung auch nicht. Wir investieren weiter in den Klimaschutz. Wir kümmern uns etwa um die, die uns in der Krise so massiv helfen, die sozialen Bereiche, indem wir ein Programm aufgelegt haben, dort Elektromobile anzuschaffen und die Gebäude besser auf die Klimaveränderungen einzustellen. Anders als in anderen Krisen kann man den Klimaschutz nicht einfach zurückstellen, es muss weitergehen.

Das zweite große Thema diese Woche ist die Wahl in den USA. Was würde eine Wiederwahl von Präsident Donald Trump für den internationalen Klimaschutz bedeuten?

Donald Trump hat ja sehr deutlich erklärt, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten. Das haben sie jetzt auch getan, der Austritt wird jetzt wirksam. Man sieht aber, dass es in den USA trotzdem Klimaschutz gibt. Es gibt ein Netzwerk vieler US-Staaten, die sich für den Klimaschutz einsetzen. Es gibt ein Netzwerk von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die den Klimaschutz vorantreiben. Es gibt wegweisende Entscheidungen in Kalifornien, treibhausgasneutral zu werden. Es tut sich in den USA etwas, der Klimaschutz wird ernst genommen, obwohl der Präsident das nicht wahrhaben will.

Und was ist ihr Gefühl, wie geht die Wahl aus?

Ich finde, dass ist schwer zu sagen aus Deutschland. Es wird viel davon abhängen, wer jetzt in den USA wirklich wählen geht. Das ist eine Entscheidung der Wählerinnen und Wähler in den USA, und ich hoffe, dass möglichst viele ihr Wahlrecht auch wahrnehmen. Und natürlich hoffe ich, dass jemand anders als Donald Trump gewählt wird, dass Joe Biden gewählt wird. Das wäre ein gutes, auch internationales Signal. Aber das ist die Entscheidung der US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner.

Deutschland Weeze Schwimmende Solaranlage
Eine 150 mal 50 Meter große schwimmende Solaranlage in Weeze, Nordrhein-WestfalenBild: Roland Weihrauch/dpa/picture-alliance

Nochmal zurück nach Deutschland: Sie haben jetzt einen wesentlich ambitionierteren Ausbaupfad für die Erneuerbaren Energien gefordert, bis 2030 sollen sie 80 Prozent des Stroms produzieren. Ist das realistisch zu schaffen?

Wir sehen, dass wir heute schon die Hälfte unseres Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien beziehen können. Und wir haben Tage, an denen wir weitaus mehr schaffen. Wir wollen mobil bleiben, die Industrie soll auf Wasserstoff umstellen, dann werden wir noch mehr Erneuerbare Energien brauchen. Technisch ist das möglich, wir können noch mehr Anlagen dazu bauen. Das muss dann aber auch passieren, und deswegen bin ich dafür, den Pfad in den nächsten zehn Jahren in die richtige Richtung zu steuern. Wir müssen Mitte des Jahrhunderts treibhausgasneutral sein. Und wir haben in Deutschland entschieden, dass wir das mit Erneuerbaren Energien machen wollen. Zehn Prozent mehr als das, was wir uns bisher vorgenommen haben, das ist realistisch."

Das Interview führte Jens Thurau per Video-Schalte.