Voss-Tecklenburg träumt von WM-Titel
30. November 2018"Ich freue mich sehr auf diese spannende Aufgabe, die viele Herausforderungen, aber auch zahlreiche Chancen bietet", sagte Martina Voss-Tecklenburg, als sie am Sitz des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) in Frankfurt am Main als neue Bundestrainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft vorgestellt wurde. "Ich bin mir der Verantwortung bewusst, aber auch des Potenzials." Die 50-Jährige erhält einen Vertrag bis Mitte 2021. Sie übernimmt den Posten von Horst Hrubesch, der nach der Entlassung von Steffi Jones im vergangenen März vorübergehend eingesprungen war und das Nationalteam zur WM 2019 in Frankreich geführt hatte.
Mit den Schwächen anderer umgehen
Martina Voss-Tecklenburg arbeitete zuletzt sechseinhalb Jahre lang als Nationaltrainer des Frauenteams der Schweiz. Unter ihrer Leitung qualifizierte die Mannschaft 2014 erstmals für eine Weltmeisterschaft. Im Achtelfinale des Turniers 2015 in Kanada war Endstation. Auch für die Europameisterschaft 2017 löste das Team Voss-Tecklenburgs das Ticket, überstand aber nicht die Vorrunde. Für die WM 2019 konnte sich die Auswahl der Schweiz nicht qualifizieren.
Dennoch gab es kein einziges böses Wort über die deutsche Trainerin bei ihrem Abschied. "Sie hat den Schweizer Frauenfußball mit ihrem Glauben an uns und ihrer deutschen Mentalität vorangebracht", sagte Nationalspielerin Lia Wälti über Voss-Tecklenburg. Deren Leidenschaft für den Sport sei einzigartig, "und auch als Mensch ist sie uns ans Herz gewachsen". Sie habe inzwischen ihre Verbissenheit abgelegt, sagte die Trainerin einmal in einem Interview. "Ich habe gelernt, damit umzugehen, dass Menschen Schwächen haben."
Viermal Europameisterin
Als Mittelfeldspielerin erlebte Martina Voss, die in ihrem Spielstil oft mit dem Weltmeister von 1990, Pierre Littbarski verglichen wurde, viele Höhen, aber auch einige Tiefen. Viermal wurde sie mit dem DFB-Frauen-Team Europameisterin (1989, 1991, 1995, 1997), einmal Vize-Weltmeisterin (1995). Bis zu ihrem Karriereende sammelte sie 125 Länderspiele sowie insgesamt sechs deutsche Meistertitel und vier Pokalsiege. Mehrfach wurde sie durch schwere Verletzungen ausgebremst, etwa bei der EM 1997 und der WM 1999.
Aus Olympia-Kader geworfen
Eine der größten Enttäuschungen erlebte Voss, als die damalige Bundestrainerin Tina Theune-Meyer sie fünf Monate vor den Olympischen Spielen 2000 in Sydney aus dem Kader warf. Grund für den Rausschmiss war offenbar ein privater Streit zwischen Voss und ihrer Lebensgefährtin Inka Grings, mit der sie insgesamt sechs Jahre zusammenlebte. "Für mich ist das der absolute Horror, nicht bei Olympia dabei sein zu können", sagte Voss damals. "Ich kann das nicht verstehen und auch nicht akzeptieren." Jahre später vermutete sie rückblickend in einem Interview mit dem Nachrichten-Magazin "Der Spiegel", dass der von Männern dominierte DFB offenbar Angst davor gehabt habe, sich mit dem Thema Homosexualität im Frauenfußball zu beschäftigen. 2009 heiratete Voss den Düsseldorfer Bauunternehmer Hermann Tecklenburg. Aus einer früheren Beziehung hat sie eine 21 Jahre alte Tochter.
Karriereende mit Eigentor
Ihre Spielerkarriere endete mit dem DFB-Pokalfinale 2003: Der FCR 2001 Duisburg verlor in Berlin gegen den 1. FFC Frankfurt mit 0:1 - ausgerechnet durch ein Eigentor von Voss in der 89. Minute, ihrem ersten überhaupt. "Ich weiß nicht, ob ich das je verdauen kann", sagte Voss. Sie konnte. Als Trainerin fand sie ihre neue Berufung, die sie jetzt an die Spitze der deutschen Frauennationalmannschaft führte. "Das ist das Tüpfelchen auf dem i meiner Karriere", sagte Voss-Tecklenburg bei ihrer Vorstellung als Bundestrainerin in Frankfurt. "Ich möchte Titel gewinnen, ich war noch nie Weltmeisterin."