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Hansi Flick und die Suche nach Effektivität

8. Juni 2022

Auch nach zehn Spielen mit dem DFB-Team ist Bundestrainer Hansi Flick weiterhin ungeschlagen. Und doch fehlt ihm nach wie vor ein Sieg mit der Nationalelf gegen eine der großen Fußballnationen.

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Bundestrainer Hansi Flick (r.) bedankt sich beim Torschützen Jonas Hofmann nach dessen Auswechslung
Bundestrainer Hansi Flick (r.) bedankt sich beim Torschützen Jonas Hofmann Bild: Nordphoto/IMAGO

Thomas Müller brachte es nach dem 1:1 in der UEFA Nations League gegen England auf den Punkt. "Man hat gesehen, wozu wir in der Lage sind", sagte der 32 Jahre alte Routinier des FC Bayern, der in München sein 114. Länderspiel bestritt. "Aber Konstanz und Ergebnisse gehören dazu, eine Spitzenmannschaft zu sein. Es reicht nicht, es immer nur anzudeuten."

Bei Hansi Flick klang das weniger differenziert. "Wir haben genauso Fußball gespielt, wie wir uns das vorstellen, die Art und Weise war einfach toll", schwärmte der Bundestrainer. Alle seine Aufträge seien umgesetzt worden, so Flick. Das sei für ihn "unheimlich wertvoll". Immerhin fand der 57-Jährige dann doch noch ein "Aber": "Schade, dass wir uns nicht belohnt haben." Das soll in der nächsten Partie in Ungarn anders werden.

Dreimal 1:1

Die Partie gegen England war das zehnte Spiel unter Bundestrainer Flick - und noch immer ist er ungeschlagen. Doch schaut man sich die Spiele genauer an, fällt auf: Gegen Mannschaften großer Fußball-Nationen reichte es bislang nicht zum Sieg. 1:1 in den Niederlanden, 1:1 in Italien und jetzt auch 1:1 gegen England.

Jonas Hofmann erzielt im Nations-League-Spiel gegen England das 1:0
Der Treffer von Jonas Hofmann (2.v.r.) zum 1:0 reichte nicht zum Sieg gegen EnglandBild: David Klein/CSM via ZUMA Press Wire/ZUMAPRESS/picture alliance

In allen drei Partien war das DFB-Team anfangs die bessere Mannschaft, verlor dann aber in der zweiten Hälfte den Faden und damit auch die Kontrolle übers Spiel. Gegen das Oranje-Team und gegen die "Three Lions" verspielte die Flick-Elf jeweils eine 1:0-Führung, gegen die "Squadra Azzurra" geriet sie in Rückstand, konnte aber noch ausgleichen. In den Spielen gegen diese Teams auf Augenhöhe zeigte die deutsche Nationalmannschaft über weite Strecken attraktiven Fußball. Doch, um mit Flick zu reden, sie "belohnte" sich nicht. 

Knipser fehlt

Das dürfte die größte Baustelle Flicks auf dem nicht mehr langen Weg zur WM in Katar sein. Kein halbes Jahr bleibt dem Bundestrainer noch Zeit, um für mehr Effektivität in der Offensive zu sorgen. Ein "Knipser", sprich ein klassischer Mittelstürmer mit untrüglichem Torinstinkt, wie ihn wie etwa der Pole Robert Lewandowski besitzt, fehlt im DFB-Kader.

Weder Timo Werner noch Kai Havertz oder Serge Gnabry entsprechen diesem Typus. An guten Tagen können sie jedes Spiel entscheiden, an weniger guten brauchen sie einfach zu viele Chancen, um zu treffen. Wer erzielte die Tore gegen die namhaften Gegner? Gegen die Niederlande war es Thomas Müller, eher ein Tor-Vorbereiter als ein klassischer Goalgetter. Gegen Italien Joshua Kimmich, ein defensiver Mittelfeldspieler. Und gegen England Jonas Hofmann, der erst 2020 im Alter von 28 Jahren sein erstes Länderspiel bestritt und eher selten in der DFB-Startelf steht.

Coolness trainieren

Ein WM-Torschützenkönig ist noch keine Garantie, am Ende auch den Titel zu holen. So belegte England mit Harry Kane (sechs Tore) bei der Endrunde 2018 in Russland nur Rang vier. Und 2014 war für Kolumbien mit James Rodriguez (sechs Tore) im Viertelfinale Endstation. Doch es ist eben auch eine Binsenweisheit, dass noch niemand Weltmeister geworden ist, ohne die entscheidenden Tore zu schießen. Dafür braucht es eine gewisse Coolness.

Topmannschaften lassen meist nur wenige Chancen des Gegners zu. Diese dann auch abgezockt zu nutzen, macht den Unterschied aus. Und genau daran sollte Hansi Flick arbeiten.

Thomas Müller jubelt mit geballten Fäuste und offenem Mund nach einem Tor im Länderspiel Deutschland gegen Liechtenstein
Thomas Müller erzielte im Nationaltrikot bisher 43 ToreBild: Stefan Matzke/ sampics/picture alliance

Wenn er schon nicht den Knipser schlechthin aufbieten kann, muss die Torlast eben auf viele Schultern verteilt werden. Flick sollte darauf hintrainieren, dass seine Offensivspieler im entscheidenden Augenblick ihre Chancen nicht liegenlassen, sondern eiskalt nutzen.

Muss Müller wieder müllern?

So cool wie Thomas Müller beim WM-Triumph 2014, als er fünfmal traf. Oder bei der WM 2010, als er ebenfalls fünfmal einnetzte und Deutschland den dritten Platz belegte.

Vielleicht muss es auch in Katar - trotz der vielen vielversprechenden Talente im DFB-Team - erneut der Routinier richten, den Flicks Vorgänger Joachim Löw nach der WM-Pleite 2018 schon aussortiert hatte. An der richtigen Einstellung mangelt es Müller jedenfalls nicht. Und abgezockt ist er auch. Das weiß auch der frühere Bayern-Erfolgstrainer Hansi Flick.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter