Bundestagswahl 2025: Für Sahra Wagenknecht wird es eng
12. Januar 2025Der Parteitag in Bonn (Nordrhein-Westfalen) war für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schon deshalb etwas Besonderes, weil die im Januar 2024 gegründete Partei am 23. Februar zum ersten Mal an einer Bundestagwahl teilnimmt. Die Generalprobe hatte das BSW mit Bravour bestanden: Bei den Wahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen erzielte das BSW Ergebnisse zwischen 11,8 und 15,8 Prozent. Damit stellte sie die Linke, von der sich das BSW abgespalten hatte, klar in den Schatten.
Trotz dieses Triumphes muss Sahra Wagenknecht befürchten, mit dem nach ihr benannten Bündnis bei der vorgezogenen Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Sperrminorität zu scheitern. Der Grund: Von den rund 59 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland leben nur etwa zehn Millionen und damit weniger als ein Fünftel im Osten. Im Westen hingegen, wo über 80 Prozent der Wahlberechtigten leben, ist die Zustimmung für das BSW deutlich geringer.
Die Europawahl als Gradmesser für das BSW
Das zeigte sich schon bei der Europawahl im Juni 2024. Deutschlandweit erzielte die Wagenknecht-Partei 6,2 Prozent. Allerdings waren die regionalen Unterschiede gewaltig. Im Osten lag die Zustimmung auf dem Niveau der Landtagswahlen: zwischen knapp 13 und gut 16 Prozent. Weit weniger Zuspruch erhielt das BSW im Westen: im Schnitt klar unter fünf Prozent. Nur im kleinen Saarland (eine Million Einwohner) und im Stadtstaat Bremen (580.000 Einwohner) wurde diese Marke übertroffen.
Das Problem aus BSW-Sicht: Bei der Bundestagswahl zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Im aktuellen Deutschlandtrend überspringt das BSW gerade noch die Hürde von fünf Prozent. Weniger dürften es für den Einzug ins deutsche Parlament nicht sein. Im Politbarometer des TV-Senders ZDF ist das allerdings schon der Fall: vier Prozent. Das große Zittern hat begonnen – unmittelbar vor dem Wahlparteitag.
Sahra Wagenknecht kritisiert die Medien
BSW-Gründerin Wagenknecht erklärte sich die schwachen Umfragewerte mit mangelnder Präsenz in den Medien: "Ich finde das ziemlich undemokratisch", sagte sie kurz vor dem Wahlparteitag dem öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk (BR). Ein Blick auf die Statistik der reichweitenstarken TV-Talkshows von ARD und ZDF offenbart hingegen ein anderes Bild: Wagenknecht war 2024 mit zwölf Einladungen die präsenteste Politikerin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
In Bonn gab sich die BSW-Frontfrau angesichts schwacher Umfragewerte kämpferisch. Man sei eine junge Partei, habe noch keine Stammwählerschaft. Viele wüssten noch nicht, wen sie wählen wollen, sagte Wagenknecht. "Wir legen doch jetzt erst los in diesem Wahlkampf." Als Grundlage dafür dient das auf dem Parteitag beschlossene Programm.
Das BSW sieht sich als einzige Friedenspartei
Darin bezeichnet sich das BSW als einzige Friedenspartei im Deutschen Bundestag, die die aktuelle Hochrüstung ebenso konsequent ablehne wie Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Das fordert allerdings seit jeher auch die Linke, der Wagenknecht und mit ihr viele langjährige Gefolgsleute den Rücken gekehrt haben.
Entscheidend für die Spaltung waren gegensätzliche Vorstellungen in der Asyl- und Migrationspolitik. Während die Linke als einzige im Bundestag vertretene Partei einen restriktiveren Kurs ablehnt, fordert das BSW unter anderem, Asylverfahren außerhalb der Europäischen Union (EU) in sogenannten sicheren Drittstaaten durchzuführen. Kriminelle Flüchtlinge sollen abgeschoben werden.
Scharfe Töne in der Asyl- und Migrationspolitik
Inhaltlich und rhetorisch erinnern manche Passagen im Wahlprogramm an andere Parteien, einschließlich der teilweise rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD). Kritisiert wird der "unkontrollierte Zustrom von Menschen", über deren Biografie und Integrationsbereitschaft man wenig wisse. "Die naive Aufnahmepraxis der letzten Jahre hat sich bereits in einem weit überproportionalen Anstieg von Messerkriminalität, Sexualdelikten und religiös motiviertem Terrorismus bemerkbar gemacht", steht im BSW-Wahlprogramm.
Überschneidungen mit der Linken gibt es auch bei der Frage, wie Russlands völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine beendet werden soll. Das BSW fordert einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen. Man dürfe nicht in ein neues Wettrüsten reintaumeln, warnte Wagenknecht. "Wir können nicht kriegstüchtig werden im Atomzeitalter. Nötig sei eine neue Entspannungspolitik. "Kriege werden durch Verhandlungen beendet."
Heftige Kritik an Israels Militäreinsatz im Gaza-Streifen
Den Nahen Osten bezeichnet das BSW unter dem Eindruck des Terroranschlags der radikalislamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 als "Pulverfass". Alle großen Mächte in der Region würden ihre Konflikte auf dem Rücken der Bevölkerung austragen. "Was als Selbstverteidigung Israels gegen das Massaker der Hamas begann, ist längst zu einem rücksichtslosen Rache- und Vernichtungsfeldzug der Regierung Netanjahu gegen Frauen und Kinder im Gaza-Streifen geworden", heißt es im Wahlprogramm.
Auch höhere Rüstungsausgaben lehnt die Wagenknecht-Partei in ihrem Wahlprogramm ab: "Die Erzählung von der 'kaputt gesparten' Bundeswehr ist ein Mythos. Seit 2014 haben sich die deutschen Militärausgaben mehr als verdoppelt und betrugen 2024 fast 90 Milliarden Euro." Tatsächlich hat Deutschland inzwischen das im Nordatlantischen Verteidigungsbündnis (NATO) vereinbarte Ziel erreicht: pro Jahr zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung in den Verteidigungsetat zu investieren.
Sahra Wagenknecht erwähnte die Linke kein einziges Mal
Ginge es nach dem BSW und ihrer offiziellen Kanzlerkandidaten Sahra Wagenknecht, sollte Deutschland abrüsten. Ob sich die neue Partei dafür im nächsten Bundestag engagieren kann, ist fraglich. Sollte das BSW bei der Bundestagswahl scheitern, wäre das vor allem eine persönliche Niederlage für seine Gründerin.
Derweil darf Wagenknechts frühere Partei sogar hoffen, es zu schaffen, ohne die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Dafür müsste sie mindestens drei Wahlkreise gewinnen. Das ist der Linken schon 2021 gelungen. Deshalb erhielt sie entsprechend ihrem Stimmenanteil (4,9 Prozent) knapp 40 Sitze im Bundestag. Davon profitierte damals auch Sahra Wagenknecht, bevor sie drei Jahre später ihre eigene Partei gründete.
"Jetzt lasst uns gemeinsam kämpfen!"
Zum Abschluss des Wahlparteitags appellierte die Namensgeberin des BSW an die rund 600 Delegierten, zuversichtlich in den Wahlkampf zu ziehen: "Jetzt lasst uns gemeinsam kämpfen! Dann werden wir den 23. Februar zu einem riesigen Erfolg machen!"