1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nachsitzen wegen Griechenland

Marcel Fürstenau, Berlin16. Juli 2015

Vor zwei Wochen haben sich die Abgeordneten in die Sommerpause verabschiedet. Nun müssen sie zu einer Sondersitzung zurück nach Berlin. Die Urlaubsstimmung ist dahin - und kommt so schnell wohl nicht wieder.

https://p.dw.com/p/1G03N
Blick in voll besetzten Plenarsaal des Deuteschen Bundestages. (Foto: Picture-alliance/dpa/R. Jensen)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages war bestens gelaunt: "Ich wünsche uns friedliche Tage. Ich wünsche uns Sonne, auch wenn es regnet", sagte Claudia Roth am 3. Juli. Und die Grünen-Politikerin fügte hinzu: "Ich berufe die nächste reguläre Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 8. September 2015, 10 Uhr, ein." So lange hätte die parlamentarische Sommerpause planmäßig gedauert. Allerdings ahnte Roth schon, dass die Krise rund um Griechenland und Euro der Volksvertretung einen Strich durch die Rechnung machen könnte. "Vielleicht sehen wir uns ja schon früher", orakelte die Abgeordnete gewohnt temperamentvoll.

Schneller, als sie befürchteten, finden sich die Parlamentarier nun bereits 14 Tage später zu einer Sondersitzung in Berlin ein. Auf der Tagesordnung am Freitag stehen die "Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik Griechenland". Dafür benötigt die Bunderegierung um Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) grünes Licht vom Bundestag.

Zwar zeichnet sich eine Mehrheit ab, aber vor allem die Konservativen innerhalb der Koalition spüren zunehmenden Gegenwind aus den eigenen Reihen. Schon als es Ende Februar um die Verlängerung des zweiten finanziellen Hilfspakets ging, votierten 29 Abgeordnete der Union (CDU/CSU) dagegen. Und mehr als 100 weitere stimmten zwar zu, äußerten in einer gemeinsamen Erklärung jedoch erhebliche Bedenken.

"Bild"-Zeitung: "Sagen Sie Ihrem Abgeordneten die Meinung"

Wie groß die Skepsis inzwischen ist, lässt sich auch medial gut nachvollziehen. An vorderster Front ist dabei seit Monaten das Boulevard-Blatt "Bild". Am Dienstag titelte es "Merkel rettet Griechenland mit unserem Geld!". Tags darauf räumte die Gazette den "Nein"-Sagern der CDU/CDU eine ganze Seite ein und forderte die Leser auf: "Sagen Sie Ihrem Abgeordneten die Meinung." Praktischerweise wurden gleich noch die Mail-Adressen aller vier Bundestagsfraktionen abgedruckt.

Schlagzeile der "Bild"-Zeitung: "Merkel rettet Griechenland mit unserem Geld!" (Foto: Bild)
Stimmungs- und Meinungsmache von der einen Seite (Tageszeitung "Bild") ...Bild: BILD

Das Ergebnis einer DW-Umfrage in den Pressestellen dürfte ganz im Sinne des kampagnenerprobten Massenblatts sein: Bei der Union registriert man einen "erhöhten Eingang" von Mails. In der SPD ist sogar von elektronischer Post "im Minutentakt" die Rede. Es überwiegen ganz klar die "Nein"-Sager. Das gleiche Bild bei der Opposition. "Sehr viel mehr E-Mails als üblich" registrieren auch die Grünen. Und bei der Linken lautet der Tenor "Stimmt mal schön mit Nein!"

Schäuble spekuliert weiter über einen "Grexit"

Diesen Ratschlag werden die deutschen Sozialisten befolgen, obwohl sie damit ihrer griechischen Schwesterpartei "Syriza" scheinbar in den Rücken fallen. Schließlich hofft Regierungschef Alexis Tsipras auf ein weiteres Hilfspaket, dessen Volumen bis zu 86 Milliarden Euro betragen könnte. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi begründet die ablehnende Haltung mit dem "antidemokratischen, antisozialen und antieuropäischen Vorgehen" der Bundesregierung.

Titelbild und Schlagzeile der Wochenzeitung "Der Freitag": Griechenlands Regierungschef Tsipras liegt am Boden und ein Fuß schwebt über seinem Gesicht. Dazu die Schlagzeile: "So hilft Europa" (Foto: Der Freitag)
... und der andere Seite (Wochenzeitung "Der Freitag")Bild: der Freitag

Gysi wird sich durch die jüngsten Äußerungen von Bundesfinanzminister Schäuble bestätigt fühlen. Der kann sich Trotz der Zustimmung des griechischen Parlaments zu ersten Spar- und Reformmaßnahmen weiterhin ein Ausscheiden des Landes aus der Gemeinschaftswährung vorstellen. Ohne einen Schuldenschnitt könnten die Probleme nicht gelöst werden, doch der sei mit einer "Mitgliedschaft in der Währungsunion unvereinbar", sagte Schäuble in einem Radio-Interview. Zu den einflussreichsten Befürwortern weiterer Finanzhilfen gehört innerhalb der Unionsfraktion die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Gerda Hasselfeldt. "Wir können uns einen Riss in Europa nicht leisten", sagte sie am Tag vor der Sondersitzung des Bundestages.

Zustimmung für ein drittes Hilfspaket zeichnet sich bei den Grünen ab. "Wir wollen Griechenland nicht in den 'Grexit' treiben", sagte die Parteichefin Simone Peter, die am Mittwoch mit ihrem Co-Vorsitzenden Cem Özdemir nach Athen gereist war. Anlass war die Abstimmung im griechischen Parlament über weitere Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern. Peter kündigte nach ihrer Rückkehr an, die Grünen würden in der Sondersitzung des Bundestages am Freitag aber auch deutliche Kritik an der Verhandlungsführung Deutschlands äußern. Die habe "beinahe zur Spaltung in Europa geführt".

Claudia Roth wünschte alles Gute und einen schönen Sommer

Für die Abgeordneten des Deutschen Bundetestages wird die Sondersitzung nicht die letzte gewesen sein. Denn nach dem erwarteten "Ja" für weitere Verhandlungen soll und muss alles ganz schnell gehen, um Griechenland vor der Staatspleite retten zu können. Wenn die Einzelheiten für ein drittes Hilfspaket feststehen, muss sich die Bundesregierung auch dafür die Zustimmung der Parlamentarier einholen. Eine weitere Sondersitzung spätestens im August ist also absehbar. Wie sagte doch die Vizepräsidentin des Bundestages Claudia Roth am 3. Juli, als sie ihre Kolleginnen und Kollegen verabschiedete: "Alles, alles Gute und einen guten Sommer." Doch von ungetrübter Ferienstimmung ist schon zwei Wochen danach nicht viel übrig geblieben.