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Bundespolizei verstärkt Grenzkontrollen - punktuell

17. September 2024

An allen deutschen Landesgrenzen soll für vorerst sechs Monate kontrolliert werden, um Migration besser steuern zu können. Im Westen der Republik gefällt das nicht jedem. Eine Reportage aus Aachen.

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Deutschland | Grenzkontrollen in Deutschland - Nordrhein-Westfalen. Drei Polizisten der Bundespolizei stehen neben einem grauen Auto und kontrollieren den Fahrer.
Die Bundespolizei kontrolliert an der Grenze zu Belgien nach Deutschland einreisende FahrzeugeBild: Roberto Pfeil/dpa/picture alliance

An den deutschen Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz ist es bereits Alltag, nun kommen auch Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Dänemark dazu: Vom 16. September 2024 bis zum 15. März 2025 werden hier die Landesgrenzen wieder kontrolliert. "Wir wollen die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen und Islamisten frühzeitig erkennen und aufhalten", sagte SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Mehr als 3800 Kilometer Grenzen hat Deutschland. Eine besondere liegt tief im Westen. Dort treffen mit Deutschland, Belgien und den Niederlanden drei Länder aufeinander. An den meisten kleineren Grenzübergängen ist am ersten Tag der erweiterten Kontrollen nichts Ungewöhnliches festzustellen. Auch auf der einspurigen Straße, die das niederländische Vaals mit dem deutschen Aachen verbindet, rollt der Verkehr ungehindert. Die Geschäfte sind gut besucht, in den Straßencafés sitzen Menschen in der Sonne.

Deutschland | Beginn erweiterte Grenzkontrollen im Westen. Zu sehen ist eine befahrene Straße im niederländischen Grenzort Vaals.
Keine Kontrollen bei der Einreise aus dem niederländischen Vaals nach DeutschlandBild: Sabine Kinkartz/DW

Grenzenlos Reisen in der Region Aachen

Am Ortsausgang von Vaals sind zwei Schilder zu sehen. Auf dem einen steht Bundesrepublik Deutschland, daneben hängt eine Tafel mit einer Karte der Gegend. Auf niederländisch steht dort "Grenzeloos fietsen!", übersetzt "Grenzenlos Fahrrad fahren!". Viele kleine Wege sind zu sehen. Durch Felder und Wälder kann man wie selbstverständlich zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden hin und her fahren.

Über Jahrzehnte ist die Region um Aachen zusammengewachsen. Grenz- und Kontrollanlagen gibt es schon lange nicht mehr. Zahlreiche Straßen und Wege verbinden die Städte und Dörfer in der Grenzregion.

Deutschland | Beginn erweiterte Grenzkontrollen im Westen. Zu sehen sind zwei Schilder am Ortsausgang in Vaals. Auf dem einen steht auf blauem Grund Bundesrepublik Deutschland. Daneben ist ein Schild zu sehen, auf dem auf niederländisch Grenzeloos fietsen! steht, Daneben ist eine Karte mit den Fahrradwegen abgebildet.
Grenzenlos unterwegs - ob mit dem Auto oder dem FahrradBild: Sabine Kinkartz/DW

Wie selbstverständlich wohnen im Dreiländereck Deutsche in Belgien und den Niederlanden und arbeiten in Deutschland und umgekehrt. Linienbusse fahren grenzüberschreitend, die Menschen gehen in den Nachbarländern einkaufen.

Flexible Kontrollen an den Grenzen

So solle es auch bleiben, betont David Specks, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Aachen. Das Bundesinnenministerium habe "gezielte, lageangepasste, örtlich und zeitlich flexible" und keine "flächendeckenden" Kontrollen angeordnet. Specks gibt Auskunft auf einer Autobahnraststätte kurz hinter der Grenze zu Belgien. Hier haben sich zum Auftakt der erweiterten Grenzkontrollen Bundespolizisten in Schutzwesten und mit vorgehaltenen Maschinenpistolen positioniert. Die Bundespolizei ist - anders als die Polizei der Bundesländer - zuständig für Straftaten, die über die Grenzen von Deutschland hinausgehen und für die Sicherheit der Bahn und an Flughäfen. Die Kollegen warten in Einsatzwagen direkt an der Grenze und beobachten den Verkehr. Sehen sie ein verdächtig erscheinendes Fahrzeug, verfolgen sie es und lotsen es auf den Rastplatz.

Deutschland | Beginn erweiterte Grenzkontrollen im Westen. Zu sehen ist der Autobahnrastplatz Königsberg auf der A44 hinter der Grenze nach Belgien. Beamte der Bundespolizei stehen in Warnwesten in einer Gruppe zusammen. Im Hintergrund sind Container und Fahrzeuge zu sehen.
Die Bundespolizei hat eine Kontrollstation auf der Autobahnraststätte Königsberg aufgebautBild: Sabine Kinkartz/DW

Dort wird das Fahrzeug von allen Seiten gesichert. Die Insassen müssen ihre Ausweise und Papiere vorzeigen, Kofferräume und Ladeflächen werden in Augenschein genommen. So schnell, wie die Bundespolizei sich positioniert hat, kann sie auch wieder abziehen und an anderer Stelle eine Kontrolle aufbauen.

Personelle Herausforderungen bei den Grenzkontrollen

Wo kontrolliert wird, ergibt sich aus grenzpolizeilichen Erfahrungen, wie es die Experten ausdrücken. Kleinere Straßen werden nur hin und wieder überwacht, Fahrradwege so gut wie gar nicht. "Schleuser auf Fahrrädern mit Migranten auf dem Gepäckträger gibt es eher nicht", so Specks.

Die Konzentration auf stichprobenartige Kontrollen hat aber vor allem personelle Gründe. Die Gewerkschaft der Polizei hat vor ein paar Jahren errechnet, dass allein in der Region Aachen rund 900 Beamte nötig wären, um die wichtigsten Grenzübergänge rund um die Uhr kontrollieren zu können. Die Bundespolizeiinspektion Aachen hat aktuell rund 330 Beamte. Damit ist sie allerdings für einen Grenzabschnitt zuständig, der sich von Aachen aus über mehr als 200 Kilometer in den Süden zieht. Dazu kommen 44 Bahnhöfe und drei Flugplätze.

Unberechenbare Kontrollen - auch für Anwohner

Umfassende Grenzkontrollen, wie sie die größte Oppositionskraft CDU/CSU mit dem Ziel fordert, Migranten in möglichst hoher Zahl abweisen zu können, wären mit dem derzeitigen Personal nicht zu schaffen. Für die aktuellen Grenzkontrollen haben die Aachener Verstärkung bekommen. Wie viele Beamte, das will Bundespolizist Specks nicht verraten. Es reiche aber, um den Fahndungsdruck erhöhen zu können. "Wir können jetzt uniformiert, aber auch zivil unterwegs sein, und wir können einfach mehr Kontrollen durchführen und für die Kriminellen unberechenbarer werden."

Deutschland | Beginn erweiterte Grenzkontrollen im Westen. David Specks, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Aachen, steht in einer Warnweste auf einem Autobahnrastplatz. Er lächelt. Auf der Warnweste steht in Großbuchstaben POLIZEI. Im Hintergrund sind Polizeifahrzeuge zu sehen.
David Specks, Sprecher der Bundespolizeiinspektion AachenBild: Sabine Kinkartz/DW

Unberechenbar sind die Kontrollen aber auch für die Menschen, die im Grenzgebiet wohnen. Das schürt Ängste, vor allem auch davor, an der Grenze stundenlang im Stau zu stehen. "Wir haben einen Blick auf den grenzüberschreitenden Verkehr und versuchen, die Belastungen minimal zu halten", verspricht der Chef der Aachener Bundespolizei, Richard Köster.

Reaktionen der Nachbarländer auf die Grenzkontrollen

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat versprochen, dass es so wenig Auswirkungen wie möglich auf Pendler, Handel, Wirtschaft und Reiseverkehr geben soll. Im Osten und Süden der Republik habe sich aber auch gezeigt, dass die Maßnahmen funktionierten. "Diese Kontrollen ermöglichen auch effektive Zurückweisungen, mehr als 30.000 allein seit Oktober 2023. Dazu ein Fünftel weniger Asylanträge, ein Fünftel mehr Rückführungen", erläutert die Innenministerin. 

Doch die Nachbarländer Deutschlands sind wenig erbaut über den neuen Kurs. Im sogenannten Schengen-Raum sind eigentlich nur an den Außengrenzen Kontrollen vorgesehen und nicht an den nationalen Grenzen.

Deutschland | Beginn erweiterte Grenzkontrollen im Westen. Das Foto zeigt Schilder auf der Autobahn. Auf einem steht Köln, auf dem anderen Antwerpen B, Heerlen NL, Aachen.
Autobahn im DreiländereckBild: Sabine Kinkartz/DW

Irreguläre Migration "in den Griff kriegen"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, mit den Regierungschefs in der EU und auch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu sprechen. "Alle wissen, dass wir uns im Rahmen des europäischen Rechts bewegen, aber da unsere Möglichkeiten maximal ausnutzen", sagte Scholz auf einer Auslandsreise. "Alle verstehen, dass die Zahl derjenigen, die nach Deutschland kommen, zu groß ist und dass es deshalb ein nachvollziehbares Interesse der deutschen Regierung ist, dafür zu sorgen, dass wir diese Dinge durch ein gutes Management irregulärer Migration in den Griff kriegen." Dazu gehörten auch solche Kontrollen.

Nach dem ersten Tag zog die Bundespolizei in Aachen eine positive Bilanz. In ein paar Fällen seien den Polizisten Personen ins Netz gegangen, die nicht hätten einreisen dürfen. Man habe Einreiseverbote ausgesprochen und Zurückweisungen durchgeführt. Ob Menschen, die illegal einreisen wollten zukünftig nicht einfach auf kleinere Grenzübergänge ausweichen und von dort nach Deutschland einreisen würden? Bundespolizei-Sprecher David Specks zuckt mit den Achseln. Es sei doch immer ein "Katz-und-Maus-Spiel", sagt er. Daran werde sich sicherlich nichts ändern. 

Europa ohne Grenzen- das Schengen-Abkommen