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Bund lehnt Bürgschaft für Arcandor ab

8. Juni 2009

Die Bundesregierung lehnt eine Bürgschaft für den angeschlagenen Handels- und Touristikkonzern Arcandor in Höhe von 650 Millionen Euro ab. Die Aktie verlor nach Börsenstart ein weiteres Drittel an Wert.

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Das Logo des Handelsunternehmens Arcandor auf der Firmenzentrale in Essen (Foto: AP)
Arcandor-Aktien fallenBild: AP

Der zuständige Lenkungsausschuss der Bundesregierung wies am Montagvormittag (08.06.2009) den Antrag von Arcandor auf eine Staatsbürgschaft zurück. Dies sagte der Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums, Steffen Moritz, in Berlin. Das Unternehmen hatte eine Bürgschaft aus dem Deutschlandsfonds über 650 Millionen Euro sowie 200 Millionen an Krediten der KfW-Bankengruppe beantragt. Noch nicht entschieden ist der Antrag auf eine Nothilfe von 437 Millionen Euro.

Arcandor-Aktien starteten schon kurz zuvor mit einem Minus von knapp einem Drittel in den Börsentag. Der angeschlagene Konzern hatte am Sonntag mitgeteilt, ohne staatliche Hilfe müsse er noch an diesem Montag Insolvenz anmelden. Selbst wenn eine Lösung gefunden werde, könnten die Aktionäre am Ende mit leeren Händen dastehen, kommentierte dies ein Börsianer.

Weitere Entscheidung der Regierung am Mittwoch

Menschen mit Schildern vor Karstadt-Eingang (Foto: DW)
An mehreren Karstadt-Standorten protestierten bereits MitarbeiterBild: DW-TV

Die Chancen auf ein Ja des Ausschusses galten vor dessen Sitzung bereits als gering, da solche Hilfen für Unternehmen gedacht sind, die wegen der Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sind. Im nächsten Schritt muss die Regierung nun über den Antrag von Arcandor auf einen Rettungsbeihilfekredit über 437 Millionen Euro entscheiden. Der Konzern könnte damit nach eigener Aussage sein operatives Geschäft für sechs Monate am Laufen halten. Eine Entscheidung über den Antrag wird bis spätestens Mittwoch erwartet.

Der Konzern muss bis zum 12. Juni Kredite über 650 Millionen Euro verlängern und braucht zusätzlich bis zu 900 Millionen Euro, um den geplanten Konzernumbau zu finanzieren. Die Banken wollen das Gesamtfinanzierungskonzept nach Aussage von Arcandor nur mittragen, sofern es Hilfe vom Staat gibt.

Demo in Dresden

In Dresden demonstrierten unterdessen rund 150 Beschäftigte des dortigen Karstadt-Hauses mit einer Menschenkette für einen Fortbestand des Konzerns und ihres Hauses. Die Mitarbeiter bildeten rings um die Filale in der Dresdner Innenstadt eine Kette. Auf Plakaten hieß es: "Wir sind das Herz der Innenstadt". Geschäftsführer Wolfgang Wirz sprach von einer spontanen Aktion, die von der Filalleitung aber unterstützt worden sei. Ziel der Belegschaft sei der Erhalt der Arbeitsplätze und ein Signal an die Politik in den laufenden Verhandlungen. Ähnliche Aktionen gab es auch in anderen Städten. Beschäftigte appellierten an die Politik, die Mitarbeiter nicht im Regen stehen zu lassen.

Guttenberg macht Druck

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) machte am Montag Druck auf die Unternehmensführungen von Arcandor und dessen Konkurrenten Metro, der an einer Übernahme von Karstadt-Häusern interessiert ist. Die Verhandlungen seien noch nicht so weit gediehen, dass es "harte Fakten" gebe, sagte Guttenberg in München. "Ich kann nur dazu aufrufen, dass diese Gespräche entsprechend klar und deutlich weitergeführt werden." Über das Wochenende sei angesichts der Kriterien, die die Bundesregierung aufgestellt habe, "noch nicht viel geschehen".

Poker der Topmanager

Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick (Foto: AP)
Arcandor-Chef Karl-Gerhard EickBild: AP

Im Poker um die Zukunft des insolvenzbedrohten Touristik- und Handelskonzerns stehen sich zwei der profiliertesten deutschen Topmanager gegenüber: Metro-Chef Eckhard Cordes und der Vorstandsvorsitzende von Arcandor Karl-Gerhard Eick. Eick steht dabei mit dem Rücken zur Wand. Der 55-Jährige war mehrere Jahre Finanzvorstand und graue Eminenz bei der Deutschen Telekom. Der promovierte Betriebswirt erwarb sich Anerkennung mit der Sanierung des hoch verschuldeten Konzerns. Dennoch gelang ihm der Sprung an die Konzernspitze nicht. Erst der Wechsel zu Arcandor im März 2009 ermöglichte Eick, selbst die Leitung eines Unternehmens zu übernehmen. Dass ihn ein schwieriger Job erwartete, wusste er. Doch wie groß die Probleme dann tatsächlich waren, dürfte auch ihn überrascht haben.

Der Vorstandsvorsitzende der Metro AG: Eckhard Cordes (Foto: AP)
Der Vorstandsvorsitzende der Metro AG, Eckhard CordesBild: AP

Eckhard Cordes hat gegen Eick alle Trümpfe in der Hand. Cordes machte sich bei Mercedes als Sanierer einen Namen. Dort leitete der promovierte Betriebswirt die Nutzfahrzeugsparte und danach die prestigeträchtigere Personenwagensparte mit den Marken Mercedes, Smart und Maybach. Als der 58-Jährige dennoch 2005 bei der Suche nach einem neuen Konzernchef übergangen wurde, verließ er den Autobauer.

Anfangsverdacht gegen Ex-Arcandor-Chef?

Die Staatsanwaltschaft Essen geht derweil gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff vor. Sie prüft, ob gegen ihn ein Ermittlungsverfahrens eingeleitet wird und ob ein Anfangsverdacht auf Untreue vorliegt. Das bestätigte am Montag die Essener Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen der Nachrichtenagentur AP. Dabei geht es um Beteiligungen Middelhoffs und seiner Ehefrau an Immobilienfonds, die Gebäude zu außergewöhnlich hohen Mieten an den zu Arcandor gehörenden Karstadt-Konzern verpachtet haben sollen.

Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff (Foto: AP)
Ex-Arcandor-Chef Thomas MiddelhoffBild: AP

Middelhoff hatte schon am Wochenende ein solches Verfahren begrüßt. Die Untersuchung werde "den jetzt aus der Anonymität heraus vorgetragenen Angriffen den Boden entziehen", wurde er von der "Welt am Sonntag" zitiert. Tatsächlich ist der Vorgang seit Jahren bekannt und beschäftigte wiederholt die Hauptversammlungen des Unternehmens. Middelhoff hatte sich schon vor der Berufung an die Spitze des Essener Konzerns an Immobilienfonds beteiligt, die Karstadt-Warenhäuser besaßen. Doch hatte er Interessenkonflikte stets bestritten und beteuert, im Zweifel habe stets Arcandor Vorrang gehabt. (mas/gri/ap/rtr/afp/dpa)