Bulgarien und die EU
15. Dezember 2010Seit der Aufnahme in die EU hinkt Bulgarien in seiner Entwicklung in einigen Bereichen hinterher. Besonders hervorzuheben sind dabei die noch heute enormen Defizite bei der Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität. Manche Kritiker behaupten sogar, dass 21 Jahre nach dem Sturz des Kommunismus die Transformation gar nicht begonnen habe. Dem widerspricht der ehemalige deutsche Botschafter in Sofia Klaus Schramayer vehement. Natürlich sei Bulgarien politisch gesehen nicht mehr das Land vom damaligen kommunistischen Machthaber Todor Schiwkow.
Schwaches Parlament
"Wirtschaftlich sieht die Bilanz nicht ganz so gut - das Brutto-Sozialprodukt hat sich in den letzten 20 Jahren kaum erhöht. Und selbst das Parlament des Landes ist kein freies, kein souveränes Parlament", behauptet der ehemalige Botschafter. Diese Kritik ist wohl nicht ganz unbegründet. Denn bei Wahlen in Bulgarien kommt es Wahlbeobachtern zufolge immer wieder zu Wahlfälschungen wie durch Stimmenkauf. Das Parlament sei zu einer Abstimmungsmaschinerie verkommen, die von der regierenden Partei gelenkt wird, so der Vorwurf. Wenn beispielsweise ein Ministerpräsident vor das Parlament trete und die Regierungsabgeordneten um Abstimmung für ein Gesetz bitte, dann werde dies widerspruchslos gemacht, so der Balkan-Experten.
"Späte" Krise
Bulgarien hätte in den 20 Jahren nach der Wende mehr erreichen können, bedauert Schramayer. Diese Entwicklung versuchen, einige Politiker mit der Weltwirtschafts- und Finanzkrise zu erklären. Mitko Wassilew ist Leiter der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer in Sofia. Ihm zufolge steckt Bulgarien noch in dieser Krise. "Weil das Land viel später in die Krise hereingeraten ist und sich wahrscheinlich auch viel später erholen wird", meint Wassilew und fügt hinzu: "Das ist auch der Grund für den Rückgang des Handelvolumens zwischen Deutschland und Bulgarien - von 4,1 auf 3,3 Milliarden Euro. Ich hoffe aber, dass diese Situation bald überwunden ist."
Kein Sorgenkind
Auch im Bereich der Investitionen sieht es nicht sehr gut aus. Lange Zeit war Deutschland unangefochten der Investor Nr. 1 in Bulgarien. Momentan belegt das Land indes Platz fünf nach Österreich, den Niederlanden, Griechenland und Großbritannien. Das habe aber nichts mit der Politik, sondern mit der Wirtschaftskrise zu tun, betont Mitko Wassilew: "Bulgarien ist Schlusslicht in Europa was Löhne und Gehälter betrifft. Oftmals wird das Land schlecht dargestellt sowohl im In- als auch im Ausland." Aber Bulgarien sei definitiv nicht das Sorgenkind der Europäischen Union, meint der Chef der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelkammer, sondern andere Länder wie Griechenland, Irland, Spanien oder Portugal. Sie stünden wirtschaftlich viel schwächer da. Bulgarien sei im Vergleich stabiler und "dies sollte man als Wettbewerbsvorteil nutzen", meint Wassilew.
Autor: Emiliyan Lilov
Readktion: Mirjana Dikic / Gero Rueter