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"Ein bisschen merkwürdig"

Catherine Martens, Bernd Riegert25. November 2015

Am fünften Tag des unverändert hohen Terroralarms öffnen Schulen, Universitäten und U-Bahnen wieder. Ist das gefährlich? Oder doch die belgisch gelassene Art, mit Problemen umzugehen? Bernd Riegert aus Brüssel.

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Wiedereröffnung der Schulen trotz Terroralarm in belgischer Hauptstadt (Foto: DW)
Terrorwarnung in Brüssel: Zwei Polizisten bewachen 2000 Schüler am College St. MichelBild: DW/B. Riegert

Zwei Polizisten stehen an der Straßenecke. Ein Schülerlotse in lila Warnweste regelt den Verkehr am Zebrastreifen. Vor dem schmiede-eisernen Tor des Schulzentrums "College St. Michel" in Brüssel schauen sich fünf Lehrer die hereinströmenden Schüler an. Die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht besonders massiv, trotz des weiterhin geltenden Terroralarms der höchsten Stufe vier in Brüssel. Ein Anschlag könne unmittelbar bevorstehen, die Suche nach den möglichen Tätern von Paris gehe weiter, warnte der belgische Innenminister Jan Jambon.

Wiedereröffnung der Schulen trotz Terroralarm in belgischer Hauptstadt (Foto: DW)
Vater und Sohn auf dem Weg zur Schule: "Ein wenig übertrieben?"Bild: DW/B. Riegert

"Das ist ein bisschen merkwürdig, aber ich denke, die werden hier schon für unsere Sicherheit sorgen", sagt Schüler Matteo dazu. Er war eigentlich ganz froh über zwei unerwartet freie Tage. Am Montag und Dienstag waren alle Schulen und Universitäten geschlossen. Eine Mutter, die ihre zwei Söhne zur Schulpforte des neugotischen Backsteingebäudes gebracht hat, versteht die Logik hinter der Entscheidung zur Wiederöffnung der Schulen nicht. "Entweder es ist Terroralarm und da ist es dann gefährlich. Oder es ist ungefährlich, dann brauchen wir ja keinen Alarmzustand mehr", meint sie kopfschüttelnd. Lies, so heißt sie, hat ihre Söhne heute mit dem Auto zur Schule gebracht. Normalerweise nimmt sie die U-Bahn, aber das war ihr zu gefährlich.

Brüsseler U-Bahn (Foto: DW)
So voll wie üblich am Morgen: U-Bahn in Brüssel-MontgomeryBild: DW/B. Riegert

Bahnen fahren wieder, Geschäfte öffnen

Zwei Drittel der U-Bahnen in Brüssel fahren wieder. Noch ist aber nur die Hälfte aller Haltestellen wieder geöffnet, die bereits seit Samstag wegen des Terroralarms geschlossen waren. Straßenbahnen und Busse fahren wie gewohnt. Soldaten streifen in großen Gruppen durch die Gänge der U-Bahn-Stationen. Etwa 500 zusätzliche Kräfte seien im Einsatz, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die Staus sind auf die Straßen zurückgekehrt. Die Geschäfte öffnen wieder. Langsam kehrt Leben zurück in die Stadt.

"Mir ist ein bisschen mulmig, aber das ist normal, denke ich. Wir haben ja auch keine Wahl. Das Leben muss weitergehen", sagt eine Mutter mit Namen Madelaine vor dem College St. Michel. Sie schiebt einen Kinderwagen und ist auf dem Weg zur Kinderkrippe, die auch wieder geöffnet hat. Ein Vater, der seinen Namen nicht nennen möchte, will seinen Sohn, der ihn fest an der Hand hält, an der Grundschule abliefern. "Ich glaube, die Schule und auch die Sicherheitsbehörden haben die richtigen Maßnahmen getroffen. Ich persönlich glaube aber, dass das vielleicht ein bisschen übertrieben ist", sagt der Mann. Bis zum kommenden Montag soll die höchste Terrorwarnstufe noch in Kraft bleiben. Größere Versammlungen, Konzerte, Fußballspiele bleiben abgesagt.

"Es ist gut, dass es weitergeht"

Eine Oberstufenschülerin ist froh, dass die Schule ihre Pforten wieder öffnen konnte. Die zwei Tage schulfrei konnte sie nicht genießen. "Ich bin gestresst, weil ich Prüfungen vor mir habe. Darum ist es gut, dass es weitergeht", sagt das Mädchen, das seinen Namen nicht nennen möchte. Die Lehrer in Brüssel sprechen vor dem eigentlichen Unterricht mit den Schülern über die Attentate und die Sicherheitsmaßnahmen. Zur Not steht auch der Schulpsychologe bereit. Viele Franzosen, die in Brüssel arbeiten, haben ihre Kinder am renommierten College St. Michel angemeldet. "Viele hier kannten Opfer der Attentate und die Orte des Anschlages", sagt Lucianne Schmitz. Sie gehört zum Direktorium der Schule und steht zur Einlasskontrolle ebenfalls am Schultor.

Wiedereröffnung der Schulen trotz Terroralarm in belgischer Hauptstadt (Foto: DW)
Lehrerin: Wir sind vorbereitetBild: DW/B. Riegert

Madame Schmitz glaubt, dass die Vorsichtsmaßnahmen der Schulen ausreichen, um die Kinder zu schützen. Das Schulministerium hatte vorgeschlagen, in jeder Schule eine Art "safe room" einzurichten, also einen Ort, der vor Bomben und Gewehrfeuer geschützt ist. Das sei ja im Prinzip eine gute Idee, meint Lehrerin Lucianne Schmitz, schränkt aber ein: "Für eine Schule mit 2200 Schülern ist dieser an sich gute Vorschlag kurzfristig nur schwer umzusetzen. In welchen Raum sollen die alle gehen? Wir haben unseren Evakuierungsplan. In etwas mehr als drei Minuten können alle Schüler das Gebäude verlassen."

Wiedereröffnung der Schulen trotz Terroralarm in belgischer Hauptstadt (Foto: DW)
Schülerin: Examen stehen bevor, keine Zeit für schulfreiBild: DW/B. Riegert

Die belgische Regierung hat bislang keine näheren Angaben darüber gemacht, welche konkreten Gefahren bestehen. Klar ist nur, dass mindestens einer der mutmaßlichen Attentäter von Paris weiter auf freiem Fuß ist. Ob er sich in Belgien aufhält ist unklar. Am Dienstagabend erließ die Staatsanwaltschaft von Brüssel einen internationalen Haftbefehl gegen einen weiteren Tatverdächtigen, der dem Attentäter von Paris bei der Flucht geholfen haben soll. Am Montag will Premierminister Charles Michel entscheiden, ob die Terrorwarnstufe gesenkt werden kann.