1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gabriel kritisiert EU-Kommission

Bernd Riegert7. Januar 2014

Wirtschaftsminister Gabriel greift wegen des Streits um deutsche Energieförderung die EU-Kommission an: Brüssel sei nicht zuständig. Er möchte aber trotzdem eine gemeinsame Lösung, und das Energiegesetz reformieren.

https://p.dw.com/p/1AmhP
Geldscheine und Steckdose (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Zum zweiten Mal innerhalb von acht Wochen bekommt der EU-Kommissar für Wettbewerb, Joaquin Almunia, Besuch von einem deutschen Minister aus Berlin. Diesmal stand der neue Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der Matte. Er kritisierte das wettbewerbsrechtliche Verfahren, das Kommissar Almunia gegen Deutschland eingeleitet hat.

Gabriel warf dem EU-Kommissar gleich beim ersten Auftritt in Brüssel vor, er maße sich Kompetenzen an. "Wir halten das, was die Kommission da macht, im Kern für ein bisschen trickreich; denn sie versucht, sich über das Wettbewerbsrecht Zugang zu einem Bereich zu verschaffen, für den sie eigentlich keine Zuständigkeit hat, nämlich die nationale Energiepolitik. Das ist das, was die Damen und Herren hier gerade betreiben. Nichtsdestotrotz haben wir ein Interesse daran, dass wir einen gemeinschaftlichen Weg finden." Er wolle erst einmal hören, sagte Gabriel, wie Brüssel denke und noch keine eigenen Vorschläge machen.

Anfang November war bereits der damalige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) in Brüssel vorstellig geworden. Die alte und die neue Bundesregierung sind sich im Ziel einig: Sie wollen Strafen aus Brüssel wegen des deutschen Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) unbedingt verhindern. Das Gesetz ist Kernstück der deutschen Energiewende, weg von fossilen Brennstoffen hin zu Sonne, Wind- und Wasserkraft. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in ihrer ersten Regierungserklärung am Tag nach ihrer Wiederwahl eine klare Botschaft gen Brüssel gesandt. Die Rabatte für deutsche Unternehmen, die sehr viel Energie verbrauchen und auf internationalen Märkten verkaufen müssen, sollen bestehen bleiben.

Angela Merkel und Sigmar Gabriel (Foto: Kay Nietfield/AFP/Getty Images)
Merkel (li.) und Gabriel einig: Keine unerlaubten BeihilfenBild: Kay Nietfield/AFP/Getty Images

EU zerpflückt deutsches Energie-Gesetz

Nur einen Tag nach Merkels Rede eröffnete der EU-Wettbewerbskommissar das förmliche Verfahren gegen Deutschland. Kurz vor Weihnachten kündigte Joaquin Almunia an, er habe den Verdacht, dass vielen Unternehmen illegal staatliche Beihilfen genehmigt würden. "Wir werden uns im deutschen Fall bei unserer Untersuchung auf die Rabatte konzentrieren, die energie-intensiven Unternehmen bei der Strom-Umlage gewährt werden. Die Umlage dient zur Finanzierung erneuerbarer Energie. Wir haben verschiedene Beschwerden von Verbrauchern und Konkurrenten erhalten. Die EU-Kommission muss, wie das sonst auch üblich ist, den Fall gründlich untersuchen."

Im Jahr 2012 betrug die Umlage, die alle Stromkunden - private Haushalte und Unternehmen - für die Förderung von Öko-Strom gezahlt haben, rund 20 Milliarden Euro. Fünf Milliarden davon hätten rund 1800 Unternehmen zahlen müssen, die aber eine Ausnahmegenehmigung, den Rabatt auf die Umlage, erhielten. Diese fünf Milliarden müssen nun von den übrigen Stromkunden berappt werden. Entsprechend steigt ihre Stromrechnung.

Reform des Energiewende-Gesetzes geplant

Untersuchungen und Verfahren wegen Verstößen gegen das europäische Wettbewerbsrecht sind an sich nichts Ungewöhnliches. Die EU-Behörde in Brüssel führt Dutzende solcher Verfahren, auch gegen Deutschland. Der aktuelle Fall erfährt so viel Aufmerksamkeit, weil das Volumen der strittigen Beihilfen relativ hoch ist und der stetig steigende Strompreis in Deutschland ein zunehmendes politisches Problem für die Bundesregierung ist.

Joaquin Almunia (Foto: Reuters)
Almunia: Beschwerden gegen deutsches Gesetz werden geprüftBild: Reuters

Energieminister Sigmar Gabriel hat bereits angekündigt, dass das Erneuerbare-Eniergie-Gesetz (EEG) gründlich novelliert werden soll, damit die Strompreise nicht weiter ansteigen. Die Rabatt-Regeln müssen also ohnehin auf den Prüfstand. Langfristig müssten sich auch Windkraft- und Solaranlagen auf dem Energiemarkt ohne Subventionen behaupten können. "Wir werden nicht nur weniger Ausnahmen machen, sondern wir müssen mehr gehen in Richtung Märkte und Marktintegration, Schritt für Schritt. Ich will auch einmal hören, wo es gemeinsame Wege gibt. In der Konfrontation, glaube ich, kommen wir nicht sehr weit", sagte der Bundeswirtschaftminister in Brüssel. Es bringe ja nichts, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und damit Deutschland zu schädigen, wo Deutschland den größten Teil der EU-Mittel und Krisenhilfen für andere finanziere.

Die Energiemarkt-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin sagte der Deutschen Welle, die neue Bundesregierung müsse die Ausnahmen, die stark ausgeweitet wurden, wieder auf ein normales Maß zurückführen. "Das heißt, dass nur die wirklich energie-intensiven Unternehmen, die auch tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen, ausgenommen werden können. Da ist das sinnvoll. Das sind etwa 700. Bei den anderen 1000 Unternehmen, die dazu gekommen sind, muss man sehr genau schauen, für wen kann das wirklich gelten." Wenn das vernünftig zurückgeführt würde, dann würden auch die privaten Haushalte bei den Stromkosten deutlich entlastet, so Claudia Kemfert.

Keine Eile und kein besonders großer Druck

Die EU-Kommission ist kurz davor, neue Beihilfe-Regeln für den Energiesektor insgesamt zu erlassen. Auf Seiten der EU-Kommission besteht deshalb keine Eile bei der Prüfung des deutschen Falles, heißt es aus der EU-Kommission. Das Verfahren werde mindestens bis Dezember 2014 dauern. Dann ist die jetzige EU-Kommission schon nicht mehr im Amt. Die Amtszeit von Joaquin Almunia endet im November 2014. Kritik aus Deutschland begegnete Joaquin Almunia schon kurz vor Weihnachten mit dem einfachen Hinweis, dass vor dem EU-Gesetz alle Mitgliedsstaaten gleich sind. "Es kann niemanden überraschen, dass wir hier europäisches Recht anwenden. Das verpflichtet uns, jede Beschwerde, die wir bekommen, zu prüfen."

Strommast bei Sonnenuntergang mit Windrädern und Kernkraftwerk (Foto: Fotolia/Thorsten Schier)
Strompreise und Wettbewerb: EU-Kommission hat BedenkenBild: Fotolia/Thorsten Schier

Im schlimmsten Falle könnte die EU-Kommission Deutschland verpflichten, viele Milliarden an Rabatten von den deutschen Unternehmen zurückzufordern. Dazu müsste aber festgestellt werden, dass die Rabatte tatsächlich verbotene Beihilfen sind, die aus dem Staatshaushalt stammen. "Da steht die Argumentation der EU-Kommission auf sehr wackeligen Füßen", so der Brüssler Fachanwalt Ulrich Soltesz gegenüber der Deutschen Presseagentur. Denn die Rabatte auf das EEG würden ja aus der Umlage der übrigen Stromkunden finanziert, nicht direkt vom Staat. Wahrscheinlich würde Deutschland gegen einen eventuellen Strafbefehl aus Brüssel vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Das Verfahren könnte sich noch Jahre hinziehen.