Brasiliens 2013: Wechselbad der Gefühle
Massenproteste, WM-Vorbereitungen, Diskobrand. 2013 war für Brasilien ein Jahr des politischen Aufbruchs voller Höhen und Tiefen.
"Vem pra rua" - "Komm auf die Straße!"
Das Wichtige spielte sich 2013 in Brasilien auf der Straße ab: Tausende protestierten, empfingen den Papst und feierten den Sieg ihrer Fußball-Nationalmannschaft beim Confed Cup. Immer schwang der Gedanke an das kommende Jahr mit und an das eine große Sportereignis: die Fußball-WM 2014. Doch der Beginn des Jahres wurde zunächst von einem sehr traurigen Ereignis überschattet ...
Tränen und Verzweiflung
Sie wollten den Jahresauftakt feiern, doch dann kamen die Flammen: Über 230 junge Menschen - die meisten Studenten - starben bei einem Brand im südbrasilianischen Nachtklub "Kiss", der in den ersten Stunden des neuen Jahres ausbrach. Später stellte sich heraus, dass viele Sicherheitsmaßnahmen missachtet worden waren. Mehrere Verantwortliche stehen vor Gericht. Ein Urteil steht noch aus.
Brasilianer wird neuer WTO-Chef
Einen Stimmungsaufheller gab es Mitte Mai: Roberto Azevêdo wurde zum neuen Chef der Welthandelsorganisation (WTO) gewählt - gegen den Willen von USA und EU. Die Wahl verdeutlicht die wachsende Bedeutung Brasiliens auf dem internationalen Parkett. Im September trat er sein Amt an. Und schon drei Monate später verzeichnete Azevêdo seinen ersten Erfolg mit dem Freihandelsabkommen von Bali.
20 Cent waren der Auslöser
Nach Trauer im Januar und Freude im Mai, kam im Juni die Wut: Tausende Brasilianer gingen auf die Straße, um gegen Korruption, Größenwahn und Geldverschwendung zu protestieren. Auslöser war eine Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr. Die Demos begannen in São Paulo und weiteten sich rasant auf das ganze Land aus...
"Wir brauchen keine WM"
... und richteten sich dann auch gegen die kommende Großveranstaltung: Ausgerechnet im Land des fünffachen Weltmeisters protestierten die Menschen gegen die WM 2014. Sie kritisierten die Milliardenausgaben der öffentlichen Hand und forderten statt Stadien ein besseres Bildungssystem, mehr Krankenhäuser und eine funktionierende Infrastruktur.
Brasilien gewinnt Confed Cup
Trotzdem ließen sich die Brasilianer natürlich nicht die Freude über den Sieg ihrer Nationalmannschaft im Finale des Confed Cups verderben. Mit einem klaren 3:0 schlug die "Seleção" den amtierenden Weltmeister Spanien und zeigte schon einmal, wie es bei der WM 2014 im eigenen Land ausgehen könnte. Doch gleichzeitig wurden die Proteste außerhalb der Stadien immer gewaltsamer...
Klare Fronten
Die bloße Wut schlug immer häufiger in Aggression um: Immer rigoroser ging die brasilianische Polizei mit Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Und auch in den Reihen der Protestierenden bildeten sich immer mehr radikale Gruppen, die Geschäfte plünderten, Gebäude anzündeten und mutwillig provozierten.
Beten an der Copacabana
Ende Juli herrschte in Rio de Janeiro dann Begeisterung: Millionen Menschen aus aller Welt füllten die Straßen und Strände der Stadt. Denn die erste Auslandsreise des neuen Papstes führte anlässlich des Weltjugendtags an die Copacabana. Bei seiner Abschlussmesse ging Franziskus auch auf die protestierende Jugend ein und zeigte Verständnis für ihren Unmut.
NSA-Skandal
Nach dem Höhenflug an der Copacabana folgte der nächste Aufreger. Offenbar hatte der US-Geheimdienst NSA das persönliche Handy von Staatspräsidentin Dilma Rousseff abgehört. Auch beim nationalen Mineralölkonzern Petrobras sollen die Amerikaner spioniert haben. Der Skandal führte sogar dazu, dass Rousseff ihren für Oktober geplanten Staatsbesuch bei US-Präsident Obama absagte.
Das Land der Dichter und Denker
Als Gastland der Frankfurter Buchmesse präsentierte sich Brasilien im Oktober 2013 unter dem Motto "Ein Land voller Stimmen" von seiner literarischen Seite. Rund 100 brasilianische Schriftsteller reisten an den Main. Getrübt wurde die gute Stimmung einzig von der Absage des Stars Paulo Coelho: Er war mit der Liste der eingeladenen Autoren nicht einverstanden.
Politiker hinter Gittern
Mitte November waren die Gefühle der Brasilianer geteilt: Erstmals mussten ranghohe Politiker wegen Bestechung hinter Gitter. Die einen jubelten über den Erfolg gegen die Korruption, die anderen bedauerten das Urteil gegen den ehemaligen Kabinettchef José Dirceu (Bild) und andere Angehörige der Regierung Lula da Silva, weil sie mit dem Kauf von Stimmen Sozialgesetze durchbrachten.
Prominenz unter Palmen
Joachim Löw am weißen Sandstrand von Costa do Sauípe: Hier feierte sich der WM-Gastgeber Anfang Dezember noch einmal so richtig. Unter den Augen der ganzen Welt fand hier die Gruppenauslosung für das Turnier im kommenden Jahr statt. Doch selbst die strahlende Sonne Bahias konnte die Probleme nicht wegblenden, die im Zusammenhang mit dem Megaevent das ganze Jahr über immer wieder sichtbar wurden.
"Alle Stadien werden rechtzeitig fertig"
Keine zwei Wochen zuvor war ein Baukran in das WM-Stadion von São Paulo gestürzt und hatte zwei Menschen getötet. Eine Woche später starben zwei Bauarbeiter auf der Stadion-Baustelle in Manaus. Sportminister Aldo Rebelo betont immer wieder, dass alle Stadien zu Beginn der WM stehen werden, doch nicht alle Beobachter lassen sich davon beruhigen.
"Bildung auf FIFA-Niveau"
Die bis heute immer wieder aufflammenden Proteste haben bereits politische Veränderungen ausgelöst: Die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff hat zahlreiche Aufträge für Infrastrukturprojekte vergeben und weitere Reformen angekündigt. 2014 wird sich zeigen, wie zufrieden die Brasilianer damit sind. Denn dann wählen sie eine neue Regierung.