Brasilien: Lulas wirtschaftliche Halbzeitbilanz
24. Januar 2025Kürzlich erlebte die brasilianische Finanzwelt einen Schock: Der Absturz der Landeswährung sorgte in den Büros der Banken und der Regierung in Brasilia für hektische und nervöse Betriebsamkeit. Nur das Eingreifen der Notenbank verhinderte schließlich, dass der Real im Vergleich zum Dollar noch weiter fiel. Inzwischen hat sich die Lage etwas beruhigt, das Schlimmste ist erst einmal abgewendet.
Der schleichende Wertverlust des Real lenkt den Blick auf die strukturellen Probleme, unter der die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas leidet. Besonders deutlich wird das bei der Umrechnung des Mindestlohnes, der umgerechnet nur noch bei 251 US Dollar liegt und damit effektiv nur halb so hoch wie unter Präsidentin Dilma Rousseff (2011 - 2016).
Gleichzeitig steigt die Staatsverschuldung. "Mitte bis Ende der letzten Regierung erlebte Brasilien einen Rückgang der Verschuldung auf 72 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Und jetzt kehrt die BIP-Verschuldung zu ihrem historischen Höchststand zurück, wir sind bei fast 78 Prozent Schulden im Verhältnis zum BIP", sagt Ökonom Felipe Rodrigues von der Universität UFF im Gespräch mit der Deutschen Welle. Das sei durchaus erschreckend. Es gebe aber die Möglichkeit, der Entwicklung gegenzusteuern. Die Regierung müsse in Zusammenarbeit mit dem Kongress nach Einsparungsmöglichkeiten suchen.
Handwerkliche Fehler
Für den deutlichen Anstieg der Staatsschulden seien auch einige handwerkliche Fehler verantwortlich. "Die Regierung hat die Sozialausgaben massiv unterschätzt", so Felipe Rodrigues. Er spricht von einer Lücke rund 80 Milliarden Real (etwa 13 Milliarden Euro). Hinzu komme ein immer weiter aufgeblähter Staatshaushalt, der die falschen Signale sende.
Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva leistet sich beispielsweise ein Kabinett mit fast 40 Ministerien. "Wenn die Regierung keinen Plan, keinen Haushalt vorlegt, um diese Probleme anzugehen, dann wird es sehr schwierig", sagt Wirtschaftswissenschaftler Gilvan Bueno bei CNN Money. Die Probleme bestünden darin, dass mehr ausgeben als eingenommen wird. "Brasilien muss effizienter werden und einige Reformen anpacken."
Spürbare Inflation
Die brasilianische Bevölkerung spürt die Inflation an steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen. Nach offiziellen Angaben schloss Brasilien das Jahr 2024 mit einer kumulierten Inflationsrate von 4,83 Prozent ab und lag damit über dem von der Zentralbank gesetzten von 4,5 Prozent. Das Ergebnis: Die Menschen haben nicht nur den Eindruck, alles werde teurer - das ist auch tatsächlich so. Und dafür machen die Menschen die amtierende Regierung verantwortlich.
Steigen Inflation und Lebenshaltungskosten, sinken die Umfragewerte für die Regierung. Nur 27 Prozent der Wählerschaft, so berichtete es das Magazin Veja, bewerte die ersten beiden Jahre dieser Präsidentschaft Lulas positiv.
Zu den schlechten Haltungsnoten kam es auch, weil die Regierung die Auszahlung der Sozialleistungen schlecht managte. Hunderte Millionen Real landeten nach Auszahlung an die Bedürftigen sofort auf den Konten von Online-Wettanbietern. Eine Blamage für die Regierung, inzwischen sorgt eine neue Regelung dafür, dass das nicht mehr vorkommen soll. Der Skandal steht aber sinnbildlich für fehlende Kontrollmechanismen in der Sozial- und Finanzpolitik.
Notwendige Maßnahmen
Die wachsende Verschuldung, die im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreichen könnte, erfordere Ausgabenkürzungen, sagt Ökonom Gilvan Bueno. Das wiederum könne aber auch soziale Härten bedeuten, wenn es zum Beispiel um die Erhöhung des Mindestlohns geht.
Laut offiziellen Angaben erhalten rund 59 Millionen Menschen in Brasilien ein Einkommen, das an den Mindestlohn gekoppelt ist, dazu erhalten rund 19 Millionen Rentner den Mindestlohn, der am 1. Januar um 7,5 Prozent auf 1518 Real angehoben wurde.
"Maßnahmen im fiskalischen Bereich sind eine Priorität", fordert Felipe Salto - Chefvolkswirt bei Warren Investimentos der Deutschen Welle gegenüber. "Die Regierung muss eine intensivere fiskalische Anpassung fördern, die dazu beiträgt, die Risikowahrnehmung zu verringern und die Erwartungen hinsichtlich der Fähigkeit des Landes, wieder ausreichende Primärergebnisse zu erzielen, wirksam neu auszurichten. Die öffentliche Verschuldung muss im Verhältnis zum BIP wieder ins Gleichgewicht gebracht werden."