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Politik

EU beschließt weitere Sanktionen gegen Russland und Belarus

27. Februar 2022

Um den Druck auf Kriegstreiber Putin und Staatschef Lukaschenko zu erhöhen, hat sich die EU auf neue Strafmaßnahmen verständigt. Der EU-Luftraum wird für russische Maschinen geschlossen. Zudem kauft die EU Waffen.

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Treffen der Präsidenten von Russland und Belarus Ende Dezember in St. Petersburg
Der russische Staatschef Wladimir Putin (r.) und sein enger Verbündeter Alexander Lukaschenko, Machthaber in Belarus (Archivbild) Bild: Alexei Nikolsky/Sputnik Kremlin/AP/picture alliance

Das Wichtigste im Überblick:

  • Neue Sanktionen gegen Russland und Belarus  
  • EU kauft Waffen für Ukraine im Wert von 450 Millionen Euro 
  • Russische "Abschreckungskräfte" in Alarmbereitschaft 
  • Ukraine und Russland wollen verhandeln     
  • Riesige Kundgebung in Berlin gegen Krieg

Die Europäische Union schließt nach den Worten von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Luftraum für russische Maschinen. Dies gelte für alle Flugzeuge, auch für Privatjets, betonte sie. Mit dem Schritt zeige man die Unterstützung der Ukraine und sanktioniere gleichzeitig Russland wegen seiner Angriffe. Von der Leyen kündigte nach Beratungen in Brüssel zudem neue Strafmaßnahmen gegen Belarus an. Sie bezeichnete Belarus mit Staatschef Alexander Lukaschenko als "den zweiten Aggressor in diesem Krieg".

RT und Sputnik sollen verboten werden

Außerdem will die Europäische Union im Kampf gegen Propaganda des Kremls die russischen Staatsmedien RT und Sputnik verbieten. Diese würden nicht länger in der Lage sein, Lügen zu  verbreiten, um den Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine zu rechtfertigen und Spaltung in der EU zu säen, sagte von der Leyen. 

RT steht im Westen immer wieder als Propagandainstrument Moskaus in der Kritik. Die deutschen Medienregulierer hatten RT Anfang Februar ein Sendeverbot für das deutschsprachige TV-Programm erteilt. Sie verwiesen zur Begründung auf die fehlende Rundfunklizenz für Deutschland. RT DE hatte sein deutschsprachiges Programm Mitte Dezember über mehrere Verbreitungswege gestartet. 

Der österreichische Ableger der Deutschen Telekom nahm RT an diesem Sonntag aus dem Programm. "Die Verbreitung des Senders RT 'Russia Today' wird auf allen Magenta TV Plattformen bis auf weiteres ausgesetzt", erklärte ein Sprecher in Wien. 

Ursula von der Leyen in Brüssel
EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen kündigt außerdem den Kauf von Waffen für die Ukraine an Bild: Stephanie Lecocq/Pool via REUTERS

EU kauft Waffen und militärische Ausrüstung 

Erstmals in ihrer Geschichte finanziert die EU zudem den Kauf und die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung "an ein angegriffenes Land", wie von der Leyen weiter mitteilte. Mit einem Nothilfefonds sollten "tödliche Waffen" sowie Treibstofflieferungen für die ukrainische Armee, Schutzausrüstung und medizinische Ausrüstung finanziert werden, erläuterte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Dies sei das Ende "des Tabus, wonach die EU keine Waffen an Kriegsparteien liefert". Nach seinen Worten soll die Ukraine Waffen und Ausrüstung im Wert von 450 Millionen Euro erhalten.  

Sieben Millionen Vertriebene in der Ukraine erwartet

Mehr als sieben Millionen Menschen könnten nach Schätzungen der Europäischen Union durch den Krieg in der Ukraine zu Vertriebenen werden. Kriegsflüchtlinge sollen deshalb nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser schnell und unbürokratisch in den EU-Staaten aufgenommen werden. Konkret könnte Flüchtlingen aus der Ukraine ohne langes Asylverfahren unverzüglich vorübergehender Schutz mit bestimmten Mindeststandards gewährt werden.

G7-Gruppe: Russland wird zur Verantwortung gezogen

Die G7-Staaten haben mit noch schärferen Strafmaßnahmen gegen Russland gedroht, falls Putins Armee nicht aus der Ukraine abziehen sollte. Die Gruppe der führenden Industrienationen machte nach einem virtuellen Treffen ihrer Außenminister, an dem auch der ukrainische Ressortchef Dmytro Kuleba teilnahm, zudem deutlich, der Kreml werde "für alle Schäden zur Verantwortung gezogen, die seine militärische Aggression der Ukraine und ihrer Bevölkerung sowie internationalen Organisationen und ihrem Eigentum zufügt". 

Berlin warnt vor Reisen nach Russland 

Das Auswärtige Amt in Berlin rät nun ganz von Reisen nach Russland ab und warnt vor einem Aufenhalt im Süden des Landes und im Grenzgebiet zur Ukraine. Der Flugverkehr zwischen Russland und europäischen Ländern sei eingeschränkt, teilt das Ministerium mit. Zudem sei die Nutzung nicht-russischer Kreditkarten in Russland derzeit nur begrenzt möglich. 

Wladimir Putin mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow
Staatschef Wladimir Putin (r.) beorderte den Verteidigungsminister und den Generalstabschef in den Kreml Bild: Alexei Nikolsky/imago images/ITAR-TASS

Putin setzt "Abschreckungskräfte" in Alarmbereitschaft

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die "Abschreckungskräfte" des Landes in Alarmbereitschaft versetzt. Wegen des "aggressiven Verhaltens" der NATO und der Wirtschaftssanktionen des Westens habe er diesen Schritt der russischen Militärführung befohlen, erklärte Putin. "Ich weise den Verteidigungsminister und den Generalstabschef an, die Abschreckungskräfte der russischen Armee in besondere Kampfbereitschaft zu versetzen", sagte Putin in einem im Fernsehen übertragenen Gespräch mit hochrangigen Militärvertretern. Die sogenannten russischen Abschreckungskräfte können auch Atomwaffen umfassen. 

Moskau verfügt über das zweitgrößte Atomwaffenarsenal der Welt und hat einen riesigen Vorrat an ballistischen Raketen, die das Rückgrat der "Abschreckungsstreitkräfte" des Landes bilden.

Stoltenberg ruft Allianz zur Geschlossenheit auf

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in einer ersten Reaktion auf Putins Entscheidung im britischen Sender BBC, dies zeige, wie ernst die Lage sei, und "warum wir wirklich zusammenstehen müssen". 

NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht von einer sehr ernsten Lage Bild: Olivier Matthys/AP Photo/picture alliance

Die US-Regierung erklärte, Russland sei von der NATO zu keiner Zeit bedroht worden. Dass Präsident Putin die Atomstreitkräfte jetzt in Alarmbereitschaft versetzt habe, folge einem Muster, sagte die Sprecherin des Präsidialamtes in Washington, Jen Psaki. Putin konstruiere Gefahren, die es nicht gebe, um damit eine russische Aggression zu rechtfertigen. Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sagte, Russland lasse den Konflikt auf inakzeptable Weise eskalieren.

Ukraine will mit Russland verhandeln

Die Ukraine und Russland wollen nun doch miteinander reden. Eine russische und eine ukrainische Delegation trafen inzwischen an der ukrainisch-belarussischen Grenze ein, wie das Außenministerium in Moskau bestätigte. Ähnlich äußerte sich das Ministerium in Kiew. Nach Angaben des Büros des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj findet die Begegnung am Fluss Prypjat in der Nähe des Atomkraftwerks Tschernobyl statt. Es gebe keine Bedingungen.

Selenskyj hatte mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko telefoniert. Später sprach er von einem guten Gespräch. Weiter sagte der ukrainische Präsident, er glaube nicht, dass die Verhandlungen mit Russland zu etwas führten. Aber man müsse es versuchen. Sein Ziel bleibe weiterhin die Einheit der Ukraine. 

Nur Stunden zuvor hatte Selenskyj Gespräche in Belarus abermals abgelehnt und darauf verwiesen, dass auch von dort aus russische Soldaten die Ukraine angriffen. Das ukrainische Außenministerium bekräftigte, man werde keine Gebiete an Russland abgeben.

Zugleich appellierte der ukrainische Präsident an die Solidarität der Menschen im Nachbarland. In einer Videobotschaft forderte er die Bürger in Belarus dazu auf, sich klar zu positionieren. "Wir sind Ihre Nachbarn. Wir sind Ukrainer. Seien Sie Belarus - und nicht Russland!" 

Zudem rief Selenskyj den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag an. "Russland muss für die Manipulation des Begriffs Völkermord zur Rechtfertigung einer Aggression zur Rechenschaft gezogen werden", schrieb er auf Twitter.

Hunderttausende Menschen demonstrieren in Berlin

Gegen den russischen Angriff auf die Ukraine sind in der deutschen Hauptstadt nach Angaben der Veranstalter mehr als 500.000 Menschen auf die Straße gegangen. Die Polizei spricht von einer Zahl "im unteren sechsstelligen Bereich". Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Initiativen, Umweltschutzorganisationen und Friedensgruppen hatte zu der Demo aufgerufen. 

Großdemonstration vor dem Brandenburger Tor
Die Demo in Berlin steht unter dem Motto: Stoppt den Krieg - Frieden für die Ukraine und ganz EuropaBild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

Regierungserklärung im Bundestag

Der Bundestag in Berlin kam wegen des Kriegs gegen die Ukraine zu einer Sondersitzung zusammen. Kanzler Olaf Scholz gab eine Regierungserklärung ab. Dabei nannte er den Angriff Russlands auf die Ukraine eine "Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents". Die Handlungen von Präsident Wladimir Putin seien menschenverachtend, völkerrechtswidrig und "durch nichts und niemanden zu rechtfertigen", sagte Scholz.

Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg

Von Süden aus Richtung Kiew

Russische Truppen nehmen Kiew immer mehr in die Zange. Von Süden stoße eine große Kolonne russischer Militärfahrzeuge auf die ukrainische Hauptstadt vor, sagte der Berater des ukrainischen Innenministers, Vadym Denysenko, dem Portal "strana.news". "Aber wir wissen, wo sie unterwegs sind, wohin sie unterwegs sind, und wir sind vorbereitet." 

Das private US-Unternehmen Maxar Technologies veröffentlichte Satellitenbilder, die zahlreiche Bodentruppen sowie Hunderte Militärfahrzeuge und Panzer zeigen, die sich auf Kiew zubewegen. Der Konvoi sei etwa fünf Kilometer lang und noch 64 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt entfernt, so Maxar.  

Infografik Kämpfe in Kiew DE

Russische Soldaten aus Millionenstadt Charkiw zurückgedrängt?

Aus der umkämpften Stadt Charkiw im Nordosten des Landes haben die ukrainischen Soldaten die russischen Truppen angeblich zurückgedrängt. Der Gouverneur der Region, Oleh Sinegubow, teilte mit, die zweitgrößte Stadt des Landes sei wieder vollständig unter Kontrolle der ukrainischen Streitkräfte. Zivilisten wurden aufgefordert, nicht nach draußen zu gehen. In der Stadt leben etwa 1,5 Millionen Einwohner. Von unabhängiger Seite lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Lage in der Ukraine nach Beginn des russischen Angriffs
Das Feuer nach dem Angriff auf ein Erdöllager nahe Kiew ist kilometerweit zu sehenBild: Alisa Yakubovych//EPA-EFE

In der Region Luhansk tobten demnach ebenfalls schwere Kämpfe. Zudem meldeten die russischen Streitkräfte die "vollständige Blockade" der südukrainischen Städte Cherson und Berdjansk. Auch diese Angaben lassen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.

Russische Banken werden aus SWIFT-Zahlungssystem ausgeschlossen

Die USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien, die EU-Kommission und Deutschland haben wegen des Angriffs auf die Ukraine weitere harte Finanz-Sanktionen gegen Russland beschlossen. So werden all die russischen Banken, die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind, vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen, wie der deutsche  Regierungssprecher Steffen Hebestreit am späten Samstagabend mitteilte. Soweit erforderlich, sollen weitere russische Banken dazukommen. Damit sollen diese Institute von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden. Beschlossen wurde inzwischen auch, die Möglichkeiten der russischen Zentralbank weiter einzuschränken, mit internationalen Finanzgeschäften den Kurs des Rubel zu stützen. 

Auch Japan wird bestimmte russische Banken für das internationale Zahlungssystem SWIFT sperren, wie Ministerpräsident Fumio Kishida erklärte. 

Doppelte deutsche Kehrtwende

Beim Thema Waffenlieferungen vollzog die Bundesregierung am Samstag ebenfalls eine Kehrtwende. Nun will Deutschland 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ "Stinger" aus Bundeswehr-Beständen "so schnell wie möglich" in die Ukraine liefern. Außerdem wurde den NATO-Partnern Niederlande und Estland die Lieferung von Waffen an die Ukraine genehmigt, die aus deutscher Produktion oder DDR-Beständen stammen.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte: "Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende." Die gesamte Nachkriegsordnung sei bedroht. "In dieser Situation ist es unsere Pflicht", so Scholz, "die Ukraine nach Kräften zu unterstützen bei der Verteidigung gegen die Invasionsarmee von Wladimir Putin." 

Ukrainischer Botschafter hält deutsche Waffenlieferungen nicht für ausreichend

Die deutschen Waffenlieferungen können nach Ansicht des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, nur ein erster Schritt sein. 

Deutschland l Dr Andrij Melnyk Botschafter der Ukraine
Andrij Melnyk ist Botschafter der Ukraine in DeutschlandBild: Thomas Trutschel/photothek/imago images

Melnyk forderte im Gespräch mit der Zeitung "Die Welt" weitere Waffen aus Deutschland und schärfere Sanktionen. So verlangte er "einen sofortigen Importstopp für alle russischen Rohstoffe, und zwar ohne Ausnahme, nicht nur für Gas, Erdöl, Kohle oder Metalle." So könne die Finanzierung des "wahnsinnigen Feldzugs trockengelegt werden". 

Weitere Festnahmen bei Friedensprotesten

Weltweit gehen Menschen gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine auf die Straße - auch in Russland selbst, wo es sehr gefährlich ist, gegen das Vorgehen des Kreml zu protestieren. 

Festnahme bei Anti-Kriegs-Demo in St. Petersburg
Einsatz von Sicherheitskräften bei Anti-Kriegs-Demo in St. PetersburgBild: Dmitri Lovetsky/AP/dpa/picture alliance

Insgesamt sind in den vergangenen Tagen bei landesweiten Protesten gegen den Krieg in der Ukraine in Russland Tausende Demonstranten festgenommen worden. Die Bürgerrechtsgruppe OWD-Info berichtete von mehr als 5000 Festnahmen in den vergangenen drei Tagen. Allein am ersten Tag, unmittelbar nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine, seien knapp 2000 Menschen inhaftiert worden.

se/jj/as/rb/AR/haz (dpa, rtr, afp, epd, ap)