Blauhelme im Ostkongo: Ungeliebt, aber noch gebraucht
31. Januar 2025Eine Erfolgsgeschichte ist der Blauhelmeinsatz im Osten Kongos wahrlich nicht, so die Bewertung von Präsident Félix Tshisekedi: Die MONUSCO-Friedenstruppen seien bei der Bevölkerung unbeliebt. Die Erfolge dieser Mission, die eine der größten, längsten und teuersten der UN-Geschichte ist, seien kaum messbar, betonte Tshisekedi seit seinem Amtsantritt 2019 immer wieder. Tshisekedi forderte die Vereinten Nationen wiederholt auf, den schrittweisen Abzug der Blauhelme aus seinem Land vorzubereiten.
Der Abzug ist eigentlich beschlossene Sache: Aus der Provinz Südkivu haben sich die Blauhelme bereits im Juni 2024 zurückgezogen. Im laufenden Jahr sollten die Provinzen Nordkivu und Ituri folgen.
Doch die Offensive der M23-Rebellen in Nordkivu, die Anfang der Woche in der Einnahme der Metropole Goma gipfelte, hat offensichtlich zu einem Umdenken in der kongolesischen Regierung geführt. Kinshasa ist vorsichtiger geworden: Der Abzug der Blauhelme müsse in verantwortungsvoller Weise passieren, sagte die Außenministerin der DR Kongo, Thérèse Kayikwamba Wagner, bereits Ende 2024 in einem DW-Interview.
Zum Zeitpunkt dieses Interviews trieben die M23-Rebellen bereits ihre Offensive im Ostkongo voran - mit militärischer Unterstützung von Ruanda. "Wir wollen nicht, dass Risiken und Sicherheitsprobleme, die es zunehmend im Nordkivu geben wird, durch einen überhasteten Abzug der MONUSCO-Truppen verschärft werden", sagte Kayikwamba vorausschauend.
UNO sucht nach Wegen für eine Stabilisierung
Der UN-Sicherheitsrat befasste sich am Dienstag in New York bei einer Sondersitzung mit dem Thema. Dabei rief die stellvertretende Leiterin der MONUSCO, Vivian van de Perre, die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Die humanitäre Lage sei katastrophal, das Leid unvorstellbar. Es brauche dringend ein "koordiniertes internationales Vorgehen". Eine Verlängerung des MONUSCO-Mandats stehe zwar nicht direkt zur Debatte, aber eines sei klar: die Internationale Gemeinschaft könne sich nicht einfach aus Nordkivu zurückziehen und die Menschen dort im Stich lassen.
"Die MONUSCO-Soldaten helfen uns, bessere Informationen über Bewegungen von ruandischen Truppen in dem Gebiet zu bekommen", unterstrich die kongolesische Außenministerin im Dezember. Die Berichte der MONUSCO lieferten den Gremien der UNO unabhängige Informationen über das, was in den Bürgerkriegsgebieten geschieht. "Das ist extrem wichtig: Die MONUSCO als Zeugin zu haben und durch die MONUSCO die internationale Gemeinschaft in die Verantwortung zu nehmen." Mit anderen Worten: Angesichts der Offensive der M23-Rebellen spricht sich Kinshasa - entgegen vorherigen Bekundungen - nun doch für deren, zumindest vorübergehenden, Verbleib in Ostkongo aus.
MONUSCO-Truppen verteidigten Goma nicht
Genau dies fordert jetzt auch Martin Kobler im DW-Interview. Der ehemalige deutsche Diplomat leitete die UN-Mission im Kongo in den Jahren 2013 bis 2015. Er macht die Entscheidung des UN-Sicherheitsrats, die MONUSCO schrittweise abzuziehen, für das Debakel der letzten Woche, als die M23 Ruanda einnehmen konnte, mitverantwortlich. "New York hat da einen Großteil des Versagens und der Schuld zu tragen", sagt Kobler - und fordert: "Ich finde ganz klar, dass diese Rückzugsentscheidung rückgängig gemacht werden muss."
Dennoch: Die Blauhelme, die weiterhin mit rund 10.000 Soldaten, darunter eine 3000 Personen starke Interventionsbrigade mit robustem Mandat vor Ort seien, hätten intervenieren müssen, meint Kobler. 2013 hätten sie gemeinsam mit den kongolesischen Truppen einen Ring um Goma gebildet, erinnert er: "Das hat damals gewirkt. Und es hätte auch dieses Mal gewirkt - wenn man die politische Entscheidung getroffen hätte, wirklich robust vorzugehen."
Auch aus Sicht Kinshasas bleibe die Bilanz der MONUSCO-Friedensmission weit hinter den Erwartungen zurück, schätzt der Experte für internationale Sicherheitspolitik, Tim Glawion, im Gespräch mit der DW. "Die kongolesische Regierung sah, dass eine Rebellion durch die M23 aufkam, und hoffte, dass die MONUSCO-Soldaten Goma schützen würden. Doch das ist nicht passiert."
Wieder einmal seien die Erwartungen der Bevölkerung, aber auch der Regierung in Kinshasa an die Blauhelme, enttäuscht worden, so Glawion, der erst kürzlich auf Basis jahrelanger Recherchen einen Artikel über Militärinterventionen in Krisengebieten veröffentlichte.
Glawion kommt zu dem Schluss: "Wenn UNO-Friedensmissionen es nicht schaffen, die Menschen vor bewaffneten Milizen zu schützen, werden die Menschen frustriert, und sie fangen an, diese Missionen infrage zu stellen oder sogar gegen diese zu protestieren." Und nicht selten fühlten sich die Regierungen der betroffenen Länder geneigt, Blauhelme durch private Söldner aus dem Ausland zu ersetzen; so geschehen in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik, wo russische Söldner von der Wagner-Gruppe engagiert wurden.
DR Kongo: Söldner aus Rumänien
Auch die Demokratische Republik Kongo engagierte Söldner aus dem Ausland: Knapp 300 rumänische Söldner sollen sich bis vor Kurzem im Ostkongo aufgehalten haben. Die Rumänen gehörten der Söldner-Gruppe von Horațiu Potra an, einem Unternehmer, der auch die Leibwächter des rechten rumänischen Präsidentschaftsbewerbers Călin Georgescu stellt. Im Kongo wurden sie von einem lokalen Sicherheitsunternehmen namens "Congo Protection" eingestellt, um die von Ruanda unterstützte M23 zu bekämpfen. Ohne Erfolg, wie sich jetzt herausstellt. Seit Donnerstag organisiert das rumänische Außenministerium die Evakuierung der Söldner von Goma über Kigali nach Bukarest.
Sind private Söldner effektiver als Blauhelme?
Tim Glawion ist der Meinung, dass Söldner nicht per se effektiver sind bei der Bekämpfung von bewaffneten Gruppen. "In Mali und in der Zentralafrikanischen Republik wurden die russischen Söldner anfangs mit Begeisterung empfangen, aber ich bezweifle, dass diese Begeisterung noch anhält, denn die russischen Söldner begingen Gräuel an der Bevölkerung. Die Rebellen, die sie ursprünglich vertrieben haben, nehmen jetzt wieder Städte in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik ein, also war es keine langfristige Lösung."
Festzustellen bleibt: Die MONUSCO-Friedenstruppe ist, im Gegensatz zu den meisten Söldnertruppen, über die Jahre hinweg meist passiv geblieben und hat in den letzten Wochen den M23-Rebellen sehr wenig entgegengesetzt. Dabei haben die Blauhelme im Ostkongo eigentlich ein "robustes" Mandat: Die Soldaten dürfen sich nicht nur selbst verteidigen, sondern offensiv gegen die Milizen vorgehen, um den Frieden zu sichern.
Kritiker sagen, die beteiligten Länder an der Mission hätten ihr Mandat aggressiver auslegen sollen, um die bewaffneten Gruppen zurückzudrängen und Zivilisten zu schützen. Das sei sträflich versäumt worden.
Mitarbeit: Merveille Assani, Frejus Quenum, Tina Gerhäusser