Biden arbeitet an Annäherung Japan - Südkorea
10. Juni 2021Am Rande des G7-Treffens im englischen Cornwall (von Freitag bis Sonntag) will US-Präsident Joe Biden eine Brücke zwischen seinen zwei wichtigsten Verbündeten in Ostasien bauen. Japan und Südkorea sind wegen historischer Fragen völlig zerstritten und schaffen aus eigener Kraft keine Annäherung mehr. Doch Biden schmiedet gerade eine Allianz der Demokratien gegen China und wünscht sich dafür eine engere Kooperation seiner Partner. Zugleich erfordern Nordkoreas Atom- und Raketenrüstung eine koordinierte Antwort der USA und der Anrainer Japan und Südkorea.
Südkorea gehört der G7 nicht an, wurde aber zu Gesprächen eingeladen. Auch Indien, Australien und Südafrika stehen auf der Gästeliste.
Bidens Einzelgespräche im Weißen Haus mit Japans Premier Yoshihide Suga im April und Südkoreas Präsident Moon Jae-in im Mai brachten keine Bewegung, auch ihre bevorzugte Einladung als erste Staatsgäste in Washington beeindruckte sie nicht. Anfang Mai trafen sich die Außenminister beider Länder ergebnislos in London. Nun wird sich Biden voraussichtlich am Wochenende mit den zwei Streithähnen in Cornwall zusammensetzen und versuchen, durch einen Dreiergipfel die Kluft zwischen Moon und Suga zu verkleinern.
Heftige Geschichtsstreitigkeiten
Die Regierungen in Seoul und Tokio streiten darüber, ob ehemalige koreanische Zwangsarbeiter sowie Zwangsprostituierte noch einen Anspruch auf Entschädigung haben. Während der Kolonialherrschaft Japans (1910-45) über Korea hatten japanische Unternehmen laut Schätzungen Hunderttausende Koreaner zur Arbeit gezwungen. Im Zweiten Weltkrieg missbrauchten die Kaisertruppen Zehntausende Koreanerinnen als Zwangsprostituierte. Aber nach japanischer Ansicht sind durch den bilateralen Normalisierungsvertrag von 1965 alle individuellen Schadenersatzansprüche beigelegt.
Doch im Herbst 2019 verurteilte der oberste Gerichtshof von Südkorea den Stahlriesen Nippon Steel und den Schwerindustriekonzern Mitsubishi Heavy zu Entschädigungszahlungen an Ex-Zwangsarbeiter und Hinterbliebene. Der Vertrag von 1965 gelte nicht für illegale Aktivitäten von japanischen Firmen in der Kolonialzeit, argumentierten die Richter. Darauf bereitete das Bezirksgericht in Daegu die Liquidierung eines Gemeinschaftsunternehmens von Nippon Steel und dem Stahlhersteller Posco vor. Aus den Erlösen soll die Entschädigung finanziert werden.
Schadenersatzklage abgewiesen
Doch ein anderes Gericht in der Hauptstadt Seoul hat am Montag dieser Woche ein Fenster für eine Annäherung geöffnet, als es die bisher größte Schadenersatzklage ehemaliger koreanischer Zwangsarbeiter gegen japanische Unternehmen überraschend abwies. In ihrer Klage vom Mai 2015 hatten 85 Kläger insgesamt 8,6 Milliarden Won (etwa 6,4 Millionen Euro) von 17 Firmen gefordert, darunter Nippon Steel und Nissan Chemical. Die Klage gegen eines der Unternehmen wurde später zurückgezogen.
Das Gericht folgte der japanischen Argumentation. Der Vertrag von 1965 gestatte es Bürgern Südkoreas nicht, wegen Leid während der Kriegszeit juristisch gegen die japanische Regierung oder japanische Staatsbürger vorzugehen. Würden die individuellen Forderungen der Kläger akzeptiert, wäre damit internationales Recht verletzt worden, erklärte das Gericht.
Nach der Entscheidung teilte das südkoreanische Außenministerium mit, es respektiere die Urteile und wolle mit Tokio über rationale Lösungen sprechen, die die Regierungen und die Opfer aus der Kriegszeit zufrieden stellen können. Präsident Moon hatte bereits im März zum Beginn seines letzten Amtsjahres verkündet, Südkorea sei "jederzeit bereit", mit Japan über historische Fragen zu sprechen. Im Januar hatte er die Zwangsliquidierung von japanischem Vermögen in Südkorea als "wenig wünschenswert" bezeichnet. Doch die japanische Seite hat diese Verständigungssignale weitgehend ignoriert. Auf das Gerichtsurteil vom Montag reagierte Regierungssprecher Katsunobu Kato mit der Aufforderung, Südkorea solle "verantwortungsvoll" handeln, um die bilateralen Probleme zu lösen.
Unwahrscheinliches Gipfeltreffen
Zwar äußerte der südkoreanische Geheimdienstchef Park Jie-won nach einem Treffen mit Japans Premier Suga im Mai in Tokio die Hoffnung auf ein Gipfeltreffen als Zeichen für den Wunsch nach verbesserten Beziehungen. Aber nach Ansicht von Beobachtern sind beide Seiten davon weit entfernt. Selbst wenn Moon derzeit einen Gipfel anböte, nähme Suga die Einladung nicht an, zitierte die Agentur Kyodo einen japanischen Regierungsbeamten. Auch nach der Dreierrunde in Cornwall mit Biden ist laut japanischen Medien kein Zweiergespräch zwischen Suga und Moon geplant. Ein spontanes Treffen wollte die Quelle allerdings nicht ausschließen.
Die letzte bilaterale Begegnung auf höchster Ebene fand zu Weihnachten 2019 statt, als Sugas Vorgänger Shinzo Abe und Moon sich in China über das damals noch frische Urteil des Obersten Gerichtshofs austauschten. Abe forderte Moon damals zu Schritten auf, den Streit zu schlichten. An dieser Position hält Japan seitdem fest.