Beschneidungen weiter erlaubt
13. Dezember 2012Am Mittwoch (12.12.2012) waren Oppositionspolitiker mit ihrem Vorhaben gescheitert, die Beschneidung von jüdischen und muslimischen Jungen erst ab einem Alter von 14 Jahren zu erlauben. Der alternative Gesetzentwurf von 66 Abgeordneten der SPD, Linken und Grünen bekam im Bundestag keine Mehrheit. Nach ihrem Willen sollte nur ein Arzt den Eingriff vornehmen dürfen. Im Gegenzug stimmte eine große Mehrheit der Abgeordneten für das Gesetz zur rituellen Beschneidung von Jungen. Mit dem Beschneidungsgesetz wird klargestellt, dass Eltern das Recht haben, ihre Söhne unter Einhaltung bestimmter Standards beschneiden zu lassen. Ein Gesetz zur Regelung der medizinisch nicht notwendigen Beschneidung war nötig geworden, nachdem das Kölner Landgericht den Eingriff aus religiösen Gründen im Mai als Körperverletzung gewertet hatte. Bei Juden und Muslimen löste das Urteil in der Folge Protest und große Unsicherheit aus.
Im Mai 2012 hatte das Kölner Landgericht die religiös motivierte Entfernung der Vorhaut als rechtswidrige Körperverletzung eingestuft und damit eine Welle der Empörung ausgelöst. Nicht wenige Juden und Muslime sahen über Nacht ihre Akzeptanz und Beheimatung in Deutschland in Frage gestellt. Es folgte eine monatelange Debatte über die kulturell-religiöse Tradition der Beschneidung von Jungen in Deutschland. Diese Debatte sei, kritisierte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, "nirgendwo auf der Welt mit einer solchen Schärfe, Kälte und zuweilen brutalen Intoleranz" geführt worden.
Erhebliche Rechtsunsicherheit
Durch das Kölner Urteil entstand eine erhebliche Rechtsunsicherheit in Deutschland. Denn bisher war es in der Rechtspraxis unbestritten, dass Eltern auch einer nicht medizinisch begründeten Beschneidung einwilligen können. Im Juli beschäftigte sich der Deutsche Bundestag mit der schwierigen Situation. Parteiübergreifend fassten die Parlamentarier den Beschluss, dass jüdisches und religiöses Leben in Deutschland weiterhin möglich sein müsse. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, ein Gesetz auf den Weg zu bringen.
Im August befasste sich auch der Deutsche Ethikrat mit der Thematik. Einmütig empfiehl das Gremium, rechtliche Standards zu etablieren und dabei Mindestanforderungen wie Aufklärung, Schmerzbehandlung und fachgerechte Durchführung umzusetzen.
"Nach den Regeln der ärztlichen Kunst"
Im Oktober legte das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) versprach, die Rechtssicherheit werde damit hergestellt. Das Ausland habe die Beschneidungsdebatte sehr genau beobachtet, unterstrich die Ministerin die Wichtigkeit des Vorhabens.
Die medizinischen Risiken des Eingriffs waren auch Thema einer Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags. Hier diskutierten Mediziner, Juristen sowie Vertreter von jüdischen und muslimischen Verbänden mit den Abgeordneten ausführlich und kontrovers vor allem über die Frage einer Altersgrenze.
Kontroverse Diskussion
Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte bei einer Preisverleihung vor einer Ausgrenzung von Juden. Es werde eine Hemmschwelle übertreten, wenn Menschen sich anmaßten, Juden und Muslime zu sagen, was für sie gut sei. Auch sei es unerträglich, wenn jüdischen und muslimischen Eltern nachgesagt werde, dass ihnen das Wohl ihrer Kinder egal sei. Am Umgang mit Minderheiten und dem Verständnis für ihre religiösen Rituale entscheide sich die Menschlichkeit einer Gesellschaft, sagte Merkel.
Im Judentum ist die Beschneidung männlicher Säuglinge am achten Lebenstag ein bindendes Gebot von höchster Bedeutung und vergleichbar der christlichen Taufe. Die Grundlage findet sich in der Tora, der Heiligen Schrift der Juden, in der Gott die Beschneidung als symbolisches Zeichen des Bundes zwischen ihm und dem jüdischen Volk fordert.
Weltweit gibt es kein Verbot von Beschneidung
Im Islam gilt die Beschneidung bei Sunniten und Schiiten als Pflicht und gehört zur Glaubensüberzeugung der Muslime. Weltweit ist laut Bundesregierung kein Staat bekannt, der religiöse Beschneidung von Jungen verbietet. Schweden ist demnach das einzige Land, das seit 2001 die Voraussetzungen für Beschneidungen rechtlich geregelt hat. In den USA gehört die Beschneidung zur medizinischen Grundversorgung und wird jährlich hunderttausendfach praktiziert.