Dirigentinnen erobern die Konzertsäle
Sie kommen aus der ganzen Welt, sind jung, talentiert und selbstbewusst. Immer mehr Frauen stehen am Dirigentenpult und erobern die einstige Männerdomäne.
Glass Marcano - Ausnahmetalent aus Venezuela
Gladysmarli Del Valle Vadel Marcano war bereits mit neun Jahren Orchestergeigerin. Ihre Ausbildung wurde durch "El Sistema", ein soziales Musikprojekt in Venezuela, ermöglicht. 2020 sorgte sie beim Pariser Wettbewerb "La Maestra" für Furore. Am 11. August dirigiert sie das Londoner Chineke! Junior Orchestra beim Young Euro Classic Festival. Zu sehen ist es auf dem YouTube-Kanal DW Classical Music.
Joana Mallwitz - Mit 27 Generalmusikdirektorin
Mit gerade einmal 27 Jahren wurde Joana Mallwitz Generalmusikdirektorin am Theater Erfurt - und war damit die europaweit jüngste Orchesterleiterin. 2019 wurde sie zur Dirigentin des Jahres erklärt. Zurzeit ist sie Generalmusikdirektorin am Staatstheater Nürnberg; ab der Saison 2023/24 wird die jetzt 36-Jährige Chefdirigentin und künstlerische Leiterin am Konzerthaus Berlin.
Alondra de la Parra - La Maestra aus Mexiko
"Dirigenten sind normalerweise Deutsche, sehr alt und haben weiße Haare", sagte Alondra de la Parra 2021 in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" - die 1980 geborene Mexikanerin konterkariert dieses Klischee seit Jahren. Bis 2019 war sie Chefdirigentin des Queensland Symphony Orchestra, als Gastdirigentin war sie schon in der ganzen Welt unterwegs und leitete berühmte Orchester.
Mit Psychologie am Pult: Anna Rakitina
Die Russin Anna Rakitina (Jahrgang 1989) begann ihre musikalische Karriere als Geigerin, studierte später Dirigieren am Moskauer Tschaikowsky Konservatorium und zählt heute zu den gefragtesten Dirigentinnen ihrer Generation. Sie ist Assistenz-Dirigentin des Boston Symphony Orchestra unter dessen Musikdirektor Andris Nelsons, der - laut ihrer Agentur - ihr "psychologisches" Dirigieren schätzt.
Die Deutsch-Japanerin Erina Yashima
Erina Yashima wurde als Tochter japanischer Eltern in Hannover geboren und zeigte schon mit fünf Jahren ihr außergewöhnliches Talent. Yashima ist in der ganzen Welt mit renommierten Ensembles und Orchestern aufgetreten. Derzeit ist sie Assistant Conductor beim Philadelphia Symphony Orchestra und in der Spielzeit 2022/23 wird sie Erste Kapellmeisterin an der Komischen Oper Berlin.
Oksana Lyniv - zwischen Brody und Bayreuth
Oksana Lyniv wurde 1978 im ukrainischen Brody geboren. 2021 dirigierte sie als erste Frau eine Premiere der Bayreuther Festspiele und wurde nach Beginn des russischen Angriffskriegs zu einer Botschafterin ihres Landes. Im März 2022 appellierte sie im DW-Interview an die ukrainische Kulturwelt: "Erhebt eure Stimme! Wenn ihr das nicht tut, klebt das Blut unschuldiger Opfer an euren Händen."
Von der Altistin zur Chefdirigentin: Nathalie Stutzmann
Die 57-jährige Französin hat schon eine Karriere als Opernsängerin gemacht - 2008 stand sie erstmals am Pult. Derzeit arbeitet Stutzmann als Chefdirigentin des Kristiansand Symphony Orchestra in Norwegen sowie als erste Gastdirigentin des Philadelphia Orchestra. 2023 wird sie in Bayreuth den Tannhäuser leiten, als zweite Frau in der Geschichte der Wagnerfestspiele.
Keri-Lynn Wilson - Freiheitskampf vom Pult aus
Mit einem Orchester ein Zeichen gegen den Krieg setzen: Diese Idee ließ Keri-Lynn Wilson das Ukrainian Freedom Orchestra gründen. Die kanadische Dirigentin hat selbst ukrainische Wurzeln. Sie leitete bereits renommierte Orchester und gastierte an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt. Jetzt tourt Maestra Wilson mit dem Ukrainischen Freiheitsorchester durch Europa und Nordamerika.
Schon lange ein Star: Simone Young
Sie ist eine Pionierin am Dirigentenpult. 1985 musste sie für einen erkrankten Kollegen einspringen und arbeitete fortan an ihrer Karriere als Dirigentin. Einen weltberühmten Unterstützer und Förderer hatte sie: Stardirigent Daniel Barenboim. Nun ist die 61-jährige Australierin selbst eine Stardirigentin und Opernintendantin, die eins sicher weiß: "Die Zeit der alten Männer am Pult ist vorbei".
Lydia Tár - eine fiktive Figur
Sie steht stellvertretend für alle Frauen, die sich am Dirigentenpult behaupten wollen: Lydia Tár wird in dem Kinofilm "TÁR" von Cate Blanchett verkörpert, die als erste Frau ein großes Orchester in Deutschland leitet und sich in der männerdominierten Klassikszene durchsetzen muss. Der Film läuft bei den diesjährigen Filmfestspielen in Venedig und kommt im September 2022 in die Kinos.