Berlusconi-Urteil erschüttert Italien
Die erste rechtskräftige Verurteilung Silvio Berlusconis hat im politische Italien nervöse Anspannung ausgelöst. Die großen Regierungsparteien, Berlusconis PdL (Volk der Freiheit) und die linke Demokratische Partei (PD), forderten sich gegenseitig auf, Verantwortungsbewusstsein zu zeigen und die Politik von dem Justizurteil zu trennen. Minister und Parlamentarier drückten die Hoffnung aus, dass das Urteil gegen die Leitfigur des rechten Lagers die Regierungskoalition Enrico Lettas nicht gefährdet.
Der Verurteilte sitzt nicht selbst im Kabinett Letta. Seine Anhänger gaben sich koalitionstreu: Berlusconi werde die Stabilität der Regierung niemals zur Diskussion stellen, zeigte sich der PdL-Parlamentarier Gianfranco Rotondi überzeugt.
Verbitterte Reaktion
Berlusconi hatte noch am Abend der Urteilsverkündung verbittert den definitiven Schuldspruch vor staatsmännischer Kulisse, aber mit mit drastischen Worten kritisiert. "Niemand kann die Gewaltattacke verstehen, die mir mit einer Reihe von Prozessen und Anklagen beschert wurde", sagte er in einer Videobotschaft nach seiner Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs. Ein Teil der Richter sei "verantwortungslos", die Prozesse gegen ihn nannte er eine juristische Verbissenheit ohnegleichen. Zugleich kündigte Berlusconi an, sein politisches Engagement fortzusetzen und seine Partei "Forza Italia", mit der er vor knapp 20 Jahren in die Politik eingestiegen war, neu aufleben lassen.
Letta und Staatspräsident Giorgio Napolitano hatten mit einem Ruf nach Gelassenheit auf das Urteil reagiert. PD-Chef Guglielmo Epifani kündigte an, seinen rechten Koalitionspartner PdL jetzt genau zu beobachten. "Wir warten ab und schauen, was geschieht", sagte er. Der Anführer der größten Oppositionsbewegung Fünf Sterne (M5S), Beppe Grillo, verglich die Verurteilung des politischen Gegners mit dem Fall der Berliner Mauer. Berlusconi sei wie eine Mauer gewesen, die Italien von der Demokratie getrennt habe.
Anwälte wollen weiter kämpfen
Berlusconis Anwälte nahmen das Urteil wegen Steuerbetrugs gegen ihren Mandanten mit Bestürzung auf. "Wir werden jeder Möglichkeit folgen, auch auf europäischer Ebene, um sicherzustellen, dass dieses ungerechte Urteil grundlegend geändert wird", teilten sie mit. Trotz der Verurteilung muss Berlusconi nicht ins Gefängnis. Drei der vier Jahre werden ihm nach einem Gesetz von 2006 erlassen. Den Rest kann er aus Altersgründen in Sozialstunden ableisten oder in Hausarrest verbringen.
Für Berlusconi sind die juristischen Verwicklungen aber noch nicht abgeschlossen: Zwei weitere Verfahren stehen noch an: der "Ruby"-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch und das "Unipol"-Verfahren wegen Bruchs des Amtsgeheimnisses. Ein dritter Prozess wegen Bestechung eines Senators könnte demnächst noch dazukommen.
mm/wa (dpa, rtr, afp)