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Belarus: Rache an Schriftstellern

Janina Moroz
26. August 2021

Dem belarussischen Schriftstellerverband UBW droht die Zwangsauflösung. Damit trifft es die älteste Künstlervereinigung in Belarus.

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verschiedene Bücher gestapelt (Bücher des Buchverlags Januskevic)
Unter Druck sind nicht nur die unabhängigen Autoren, sondern auch Verlage in BelarusBild: Privat

Seit den Protesten nach den Präsidentschaftswahlen 2020 in Belarus nehmen staatliche Repressionen gegen die Kritiker des Machthabers Lukaschenko kein Ende. Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen wurden bereits zwangsaufgelöst oder stehen kurz davor. Dies droht nun auch der ältesten Kulturvereinigung in Belarus - dem traditionsreichen Verband belarussischer Schriftsteller (UBW), der fast seit 90 Jahren existiert. Seit dem 24. August laufen die Prozess-Vorbereitungen am Obersten Gerichtshof. Das genaue Datum der Gerichtsverhandlung zur Zwangsauflösung ist noch nicht bekannt.

Der unabhängige Verband, der 1933/1934 als Schriftstellerverband der BSSR gegründet wurde, hat in intellektuellen Kreisen Gewicht. Seine Geschichte ist mit vielen belarussischen Literatur-Klassikern verbunden. Der Verband setzt sich für seine Autoren und für die belarussische Sprache ein, bewahrt nationales Kulturerbe und verteidigt die Meinungsfreiheit. Und er äußert sich auch durchaus kritisch zum Geschehen im Land. Zu den Mitgliedern zählen mehr als 400 Personen, einschließlich Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch und Viktor Martinowitsch, dessen Werke man auch in Deutschland kennt.

Systematisch verfolgt

Porträt von Boris Petrovitch, Leiter der Union der belarussischen Schriftsteller
Boris Petrowitsch, Leiter des belarussischen SchriftstellerverbandesBild: SBP

"Da Kultur-NGOs systematisch verfolgt werden, haben wir damit gerechnet, dass auch wir bald dran sind", sagte Boris Petrowitsch lakonisch im Gespräch mit der DW. Der Schriftsteller leitet den unabhängigen Verband seit 2011 und unterliegt jetzt einer Geheimhaltungspflicht. Im Herbst 2020, drei Monate nach der brutalen Auflösung von Massenprotesten und Festnahmen von Regimekritikern in Belarus, schrieb der Verband einen offenen Brief gegen Gewalt und Repressionen. Im Juli dieses Jahres liefen wegen angeblichen Steuerbetrugs bei Dutzenden NGOs, einschließlich dem Verband der belarussischen Schriftsteller, Massendurchsuchungen und Verhöre.

Zweimal sei der Verband schon vom Justizministerium abgemahnt worden. Da bereits das PEN-Zentrum Belarus, das Swetlana Alexijewitsch leitet, aufgelöst wurde, macht sich Boris Petrowitsch keine Hoffnungen. Trotzdem will er kämpfen: "Gemeinsam mit Anwälten arbeiten wir derzeit daran, unser Existenzrecht und damit die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit zu verteidigen", sagte er.

Unabhängige Autoren sind schon länger im Visier des Regimes, und es ist auch nicht das erste Mal, dass der belarussische Schriftstellerverband Repressalien erfährt. So ordnete Lukaschenko 1997 an, den Verband aus seinem Hauptquartier in Minsk - dem Literarischen Haus - zu verbannen. 2002 wurden die verbandseigenen Zeitschriften verstaatlicht. 2005 wurde ein neuer, regierungsfreundlicher Schriftstellerverband etabliert, der, im Gegensatz zu seinem unabhängigen Pendant, die größtmögliche Unterstützung vom Staat erhält. Seitdem existieren die zwei Organisationen parallel.

Rache Lukaschenkos für kulturellen Verrat

Porträt von Swetlana Alexijewitsch
Aus dem Schulprogramm verbannt: Werke von Literaturnobelpreisträgerin Swetlana AlexijewitschBild: Eastnews/Imago Images

Der European Writers' Council (EWC) unter der Leitung der deutscher Autorin Nina George verurteilt das Vorgehen gegen den Verband scharf. Die Anklage ziele darauf ab, "die UBW daran zu hindern, sich weiterhin für literarische Vielfalt und freie Meinungsäußerung einzusetzen", heißt es in einer Erklärung. "Der Westen muss die Lukaschenko-Regierung politisch unter Druck setzen, humanitäre Visa erteilen und das PEN-Zentrum Deutschland mit finanziellen Mitteln ausstatten, damit Exil-Schriftsteller aufgenommen werden können", fordert Lena Falkenhagen, Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Meinungsfreiheit sei keine Verfügungsmasse der Politik, sondern deren Grundlage, sagte sie der DW.

"Wir werden auch das überleben"

Porträt von Maksim Zhbankov
"Konflikt unvereinbarer Weltansichten" - Kulturwissenschaftler Maksim ZhbankovBild: Darya Sitnikova

Maksim Zhbankov wundert es nicht, dass der Schriftstellerverband als "eine der hervorragendsten und seriösesten Strukturen der Kulturlandschaft in Belarus" bedroht wird. "Dies ist ein Konflikt unvereinbarer Weltansichten und ein Kampf von Wertesystemen", meint der belarussische Kulturwissenschaftler. Der Staat habe nie eine eindeutige Kulturpolitik gefahren - im Gegensatz zu unabhängigen Kulturschaffenden, die klare, wenn auch alternative Ansichten aufzeigten, sagt der Kulturexperte. Er sieht in den Repressionen Vergeltungsaktionen an denjenigen Autoren, die im Ausland über das Geschehen in Belarus berichten und das Regime kritisieren: "Für die Behörden ist das Kulturverrat und Illoyalität."

Aber kann man Dichtern und Philosophen das Denken verbieten? Boris Petrowitsch betont, dass die Schriftsteller auch ohne den Verband weiter tätig sein würden, der letztlich ja nur ein Organisationskonstrukt sei. "Wir haben bereits verschiedene Zeiten erlebt, auch das werden wir überleben. Die Meinungsfreiheit kann nicht durch Dekrete und Liquidationen unterbunden werden", so der Vorsitzende.

Auch Kulturwissenschaftler Maksim Zhbankov ist überzeugt, dass die Repressionen gegen Kreative keinen Erfolg haben werden. "Das Regime versucht, den Kulturraum, der ihm nicht gehört, aufzuräumen. Dies ist schlichtweg unmöglich." Die Kulturschaffenden werden wohl im Untergrund ihre Arbeit fortsetzen müssen. Aber in den langen Jahren unter der Herrschaft Lukaschenkos haben sie darin mittlerweile Erfahrung.