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Unabhängige Zeitungen zugelassen

Sergej Pantschenko22. Januar 2009

Ein kleiner Schritt in Richtung Pressevielfalt: Zwei unabhängige Zeitungen können in Belarus wieder über das staatliche Vertriebssystem abonniert werden. Doch Skepsis bleibt – aus gutem Grund.

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Zeitungsverkauf über staatliche KioskeBild: picture-alliance/ dpa

Seit dem Jahreswechsel sind zwei unabhängige belarussische Zeitungen frei zugänglich: "Narodnaja wolja" und "Nascha niwa" werden wieder über das staatliche Vertriebssystem verkauft. Die Auflage der Zeitung "Narodnajka wolja" stieg sprunghaft an. Swetlana Kalinkina ist Redakteurin der Zeitung, die bislang in Russland gedruckt werden musste. Die Auflage stieg von 9.000 auf 19.000 und das binnen kürzester Zeit. "Wenn man berücksichtigt, dass die Abonnement-Aktion nur wenige Wochen, und nicht wie bei anderen Zeitungen mehrere Monate dauerte, so ist das Ergebnis gut", betont Kalinkina.

Steigende Auflagen

Ein Wermutstropfen: Am Kiosk ist die Zeitung schnell Mangelware. "Viele unserer Leser rufen bei uns an und beklagen, dass sie die Zeitung nirgendwo finden können, weil sie innerhalb weniger Stunden nach Auslieferung bereits ausverkauft ist", so Kalinkina. Sie sagt, eine höhere Auflage lehnt die staatliche Druckerei "Sojuspetschat" ab.

Die andere Zeitung, die auch "amnestiert" wurde, die "Nascha niwa", erlebt ebenfalls einen Boom. Sie erscheint in Buntdruck und ist sehr populär. Vor ihrer Verbannung aus dem staatlichen Vertriebssystem im Jahr 2005 hatte die Zeitung eine Auflage von 3.500 Exemplaren. Dann sank sie auf 2.000. Jetzt erscheine die "Nascha niwa" mit einer Auflage von 6.000 Exemplaren, berichtet Chefredakteur Andrej Skurko.

Ungleiche Bedingungen

Allerdings sind nicht alle Probleme der Zeitungen mit der Rückkehr ins staatliche Vertriebssystem gelöst. Die Redakteure klagen über ungleiche wirtschaftliche Bedingungen im Vergleich zu staatlichen Zeitungen. So würden die unabhängigen Zeitungen unter hohen Preisen für den Druck und den Vertrieb leiden, sie dürften keine Werbung betreiben, und die Journalisten würden weiterhin in ihrer Arbeit behindert.

Chefredakteur Surko ist der Meinung, dass es noch zu früh sei, sich über mehr Pressefreiheit in Belarus zu freuen. Er nennt eine ganze Reihe regionaler Zeitungen, die aus dem staatlichen Vertriebssystem ausgeschlossen sind. Ungelöst sei nach wie vor dass Problem der Akkreditierung von Journalisten unabhängiger Radio- und Fernsehstationen.

Skepsis bei anderen Blättern

Einen anderen Weg geht Sergej Wosnjak. Er ist Chefredakteur der Zeitung "Towarischtsch", die im russischen Smolensk gedruckt wird. Wosnjak bemüht sich erst gar nicht, in das heute bestehende staatliche Vertriebssystem zurückzukehren: Es sei sinnlos, in das System von Staatsdruckerei und Staatsvertrieb zurückzukehren, wie es die beiden Zeitungen "Narodnaja wolja" und "Nascha niwa" getan hätten. Die Zeitungen würden nicht die gleichen Bedingungen genießen wie die staatlichen Medien. Wosnjak ergänzt, die Leser würden unter Druck gesetzt, ihre Namen würden vom KGB an deren Arbeitgeber weitergegeben. Diese träfen dann entsprechende Maßnahmen. Für seine eigene Zeitung setzt er auf die Verbreitung aus eigenen Mitteln.

Journalisten hoffen auf Dialog

Andere Journalisten hoffen, dass die Freigabe der beiden Zeitungen nur der Anfang ist. Die Vorsitzende des "Belarussischen Journalistenverbandes", Schanna Litwina, setzt auf den Dialog mit der Staatsführung. Zudem stünden Treffen mit hochrangigen Regierungsvertretern an. Bei der Gelegenheit wolle der Journalistenverband Probleme ansprechen, von denen die Zeitungen geplagt würden, sagte sie in Minsk.

Dass unabhängige Medien die gleichen Bedingungen wie staatliche erhalten, daran glaubt allerdings niemand. In Belarus ist die Auflage einer Zeitung immer eine politische Angelegenheit. Beamte, bis hin zum Präsidenten, entscheiden, bei welcher Zeitung die Auflage steigen oder fallen soll. Die auflagenstärkste Zeitung ist derzeit die "Belarus Segodnja". Herausgeber ist die Präsidentenadministration. Sie erscheint an fünf Tagen der Woche mit einer Auflage von 400.000 Exemplaren.