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"Zwischen Welten" im Kino

Jochen Kürten27. März 2014

Welche Aufgabe haben deutsche Soldaten in Afghanistan? Diese Frage stellt die Regisseurin Feo Aladag in ihrem Film "Zwischen Welten". Nach seiner Premiere bei der Berlinale kommt der Film jetzt ins Kino.

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Filmszene aus "Zwischen Welten" (Foto: Berlinale)
Bild: Independent Artists Filmproduktion

Eine karge Szenerie afghanischer Berg- und Steppenwelt. Wo man auch hinschaut: trockene, ausgemergelte Erde. Kilometerweit. Mittendrin in der Ödnis ein deutsches Camp. Es sind Soldaten, die im Rahmen des ISAF-Einsatzes dienen. Der deutsche Kommandant Jesper (Ronald Zehrfeld) hat die Aufgabe, einen in unsicherem Gebiet liegenden Außenposten aufzubauen und abzusichern. Mehr als ein Dutzend Soldaten befehligt er, mehr nicht.

Vermittler zwischen Welten

Dazu kommen afghanische Milizionäre, die gemeinsam mit den Deutschen die Bevölkerung vor radikalen Taliban-Truppen schützen sollen. Und dann ist da noch Tarik (Mohsin Ahmady), ein junger afghanischer Übersetzer, der den Deutschen das nötigste vermittelt. Tarik steht zwischen den fremden Truppen aus dem Westen und seinen misstrauischen Landsmännern. Zwischen den Welten eben.

Das ist die Ausgangslage, die Regisseurin Feo Aladag in ihrem zweiten Spielfilm vor den Zuschauern ausbreitet. "Zwischen Welten" lief als einer von vier deutschen Beiträgen im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. Es war der packendste deutsche Film. Ein Film, dem man sich als Zuschauer nur schwer entziehen kann. Der einen auffordert, Position zu beziehen. Der nachwirkt. Und der jetzt in die deutschen Kino kommt.

Feo Aladag mit zwei Darstellern: Burkhart Klaußner und Ronald Zehrfeld bei der Berlinale PK (Jörg Carstensen/dpa)
Feo Aladag mit zwei Darstellern bei der Berlinale: Burkhart Klaußner und Ronald Zehrfeld (r.)Bild: picture-alliance/dpa

Viele Fragen, keine Antworten

Sie habe vor allem Fragen stellen wollen mit ihrem Film, sagt Feo Aladag, klare und überzeugende Antworten habe sie nicht: "Es war eine bewusst gesetzte Ambivalenz." Genau dieses Gefühl dürfte "Zwischen Welten" auch bei den meisten Zuschauern auslösen. Hinterher nicht mehr so genau zu wissen, was nun gut ist am deutschen Engagement in Afghanistan - und was vielleicht weniger gut. Was den Menschen vor Ort nützt - und was ihnen eher schadet.

Filmszene aus "Zwischen Welten" (Foto: Berlinale)
Meist stumme Zwiesprache: Tarik und Jesper in "Zwischen Welten"Bild: Bjoern Kommerell © Independent Artists Filmproduktion

Ist "Zwischen Welten" deshalb ein unentschlossener Film? Ein Film ohne Haltung? Nein. Feo Aladag hat den einzig vertretbaren Weg eingeschlagen, um über Afghanistan in Spielfilmform zu berichten. Zum einen zeigt sie, was ist. Sie zeigt den Alltag der deutschen Soldaten, stellt die Gewissensnöte der jungen Männer dar. Zeigt auch, wie diese manchmal über die Stränge schlagen, wie sie unbeherrscht auftreten. Sie zeigt aber auch, wie die Soldaten sich bemühen, wie sie versuchen zu helfen und zu vermitteln.

Respekt vor der Arbeit der Soldaten

Feo Aladag stellt nicht die grundsätzliche Frage nach dem Sinn gerade dieses deutschen Auslandseinsatzes. Sie schaut vielmehr, wie sich die Situation für jeden einzelnen Akteur vor Ort gestaltet. Sie habe das Bedürfnis gehabt, "von der Leistung dieser Menschen, unserer Soldaten, jenseits jeder Kritik oder Legitimierung des konkreten Einsatzes, des politischen Auftrages und des Warums zu erzählen", so die Regisseurin während der Dreharbeiten.

Doch "Zwischen Welten" zeigt auch die andere Seite. Mit der Figur des jungen Übersetzers und dessen Schwester, die studieren will, gibt sie Einblicke in die afghanische Gesellschaft, stellt auch hier Fragen. Mit seiner Übersetzertätigkeit für die Deutschen macht sich Tarik Feinde bei seinen Landsleuten. Vielen gilt er allein durch diesen Job als Verräter. Und Tariks Schwester provoziert mit ihrem "westlichen" Leben erst recht die patriarchalisch gefärbte Gesellschaft.

Filmszene aus "Zwischen Welten" (Foto: Berlinale)
Jesper (Ronald Zehrfeld)Bild: Independent Artists Filmproduktion

Kulturelle Unterschiede

Vor allem zeigt Feo Aladag aber die schier unüberbrückbaren Hindernisse bei der Verständigung. Das hat nicht nur mit der Sprache zu tun. "Es geht um fast unüberwindlich scheinende Ängste, kulturelle Unterschiede, Vorurteile. Es geht um genauso unüberwindlich scheinende religiöse Unterschiede. Und es geht um arm und reich, um haben oder nicht haben", so die Regisseurin.

Die Menschen hätten Angst, die Angst sei überall spürbar gewesen, erzählt Feo Aladag. Bei den Mitarbeitern vom Team, bei allen, die sie getroffen habe in Afghanistan. Feo Aladag hat vor Ort gedreht. Allein das verdient größten Respekt. Sie ist nicht - wie viele andere Filmteams vor ihr - nach Nordafrika ausgewichen oder in Länder des Nahen Ostens, weil dort die Drehbedingungen einfacher sind. Von Anfang an habe bei ihr festgestanden, dass sie den Film an Originalschauplätzen drehen wollte: "Die Authentizität, die ich anstrebe, der soziale Konflikt, die zwischenmenschlichen Probleme, der Alltag in einem Land, das sich seit Generationen in einem Ausnahmezustand befindet, lässt sich nicht nachstellen."

Kein Plädoyer fürs Raushalten

Doch trotz der dargestellten fast unüberwindlich erscheinenden kulturellen Unterschiede und den sich daraus ergebenden Problemen: Feo Aladag plädiert nicht für ein Nicht-Engagement: "Wenn wir als internationale Gemeinschaft dieses Land und seine Menschen moralisch, ökonomisch und politisch alleine lassen, wenn wir wegschauen und froh sind, dass wir 2014 zu guten und mehr oder eben weniger großen Teilen 'raus' sind aus der Sache, dann machen wir einen folgenschweren Fehler."

Filmszene aus "Zwischen Welten" (Foto: Berlinale)
Schwierige Beratungen: Jesper und Tarik mit einem afghanischen KommandantenBild: Independent Artists Filmproduktion

Wenn man nun als Zuschauer etwas mitnehmen will aus dem Film, dann ist es wohl dies: Man sollte das Land unterstützen, aber anders. Feo Aladag deutet das in ihrem Film an. Bildung wird zu einem Schlüsselbegriff. Mit der Figur der Schwester des Übersetzers, die am Ende eine Ausbildung abschließen kann, blitzt ein Hoffnungsschimmer auf. Doch das ist die vorletzte Sequenz.

In der allerletzten Szene erzählt Feo Aladag die Geschichte Tariks weiter. Der wartet auf seinem Mofa an einem einsamen Bahnübergang vor verschlossenen Schranken. Neben ihm hält ein Auto. Was dann passiert, macht dem Zuschauer eindrucksvoll klar, dass es in Afghanistan nur sehr schwer möglich ist, beide Welten zu vereinen.