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"Shutdown muss begrenzt werden"

23. März 2020

Ifo-Chef Clemens Fuest im DW-Interview: Die durch das Coronavirus ausgelöste Wirtschaftskrise könnte Hunderte Milliarden Euro kosten und zu einem Wachstumseinbruch wie in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre führen.

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Clemens Fuest Direktor Institut für Wirtschaftsforschung ifo
Clemens Fuest, Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung ifoBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

DW: Deutschland hat sein Alltagsleben weitgehend runtergefahren, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Werden wir einen ebenso großen Einbruch der Wirtschaft wie in der Finanzkrise 2009 erleben?

Clemens Fuest: Ich fürchte damit müssen wir rechnen. Es kann allerdings auch noch deutlich schlimmer werden. Insofern ist es jetzt sehr wichtig, wie diese Krise gemanagt wird. Es ist unter Aspekten des Gesundheitsschutzes essenziell jetzt die Wirtschaftsaktivität herunterzufahren. Wir müssen aber gleichzeitig daran arbeiten, wie wir sie dann möglichst bald auch wieder hochfahren oder zumindest teilweise hochfahren können. Denn wenn es zu einer wirtschaftlichen Stabilisierung kommt, dann wird man den Shutdown nicht durchhalten.

Welches Ausmaß könnte der Wirtschaftseinbruch haben?

Wenn man jetzt relativ schnell aus diesem Shutdown wieder herauskommt, dann wird der Einbruch wahrscheinlich fünf bis sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Das heißt, er wird etwas über dem liegen, was wir auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatten. Wenn der Shutdown allerdings länger dauert, beispielsweise drei Monate und dann ein paar Monate bis wir wieder das Normalniveau erreicht haben, dann ist man sehr schnell bei sehr hohen Wachstumseinbrüchen bis zu 20 Prozent. Das kennen wir nur aus der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es das nicht gegeben und ein solches Szenario würde eine wirtschaftliche Destabilisierung zumindest riskieren. Das darf nicht passieren.

Deutschland Containerhafen Hamburg
Containerhafen HamburgBild: Reuters/F. Bimmer

Damit das nicht passiert, hat die Regierung am Montag ein riesiges Maßnahmenpaket verabschiedet, um der Wirtschaft und den Bürgern zu helfen. Reicht das aus?

Das ist ein gutes Paket, das reicht aber nicht. Das Problem besteht darin, dass wir die Wirtschaft gewissermaßen einfrieren, die Produktion wird reduziert, und das kann öffentliches Geld überhaupt nicht wettmachen. Bei den Hilfspaketen geht es nur darum, die Unternehmen in dieser Einfrierungsphase am Leben zu erhalten und vor allem Kleinunternehmen sowie Solo-Selbstständigen Hilfen zukommen zu lassen. Aber all das ändert nichts daran, dass die Produktion still steht. Die Kosten, die wir in unserer Studie beschreiben, sind die Kosten dieses Stillstandes. Wir müssen also auch den Exit aus diesem Shutdown hinbekommen, ohne dass wir die Bekämpfung der Epidemie vernachlässigen. Das ist nicht einfach, aber wir müssen jetzt Strategien entwickeln. Wenn wir diesen Shutdown verlängern, kann kein Hilfspaket der Regierung uns helfen.

Wie könnten solche Strategien aussehen?

Zu solche Strategien könnte beispielsweise gehören, in der gesamten Bevölkerung Masken einzusetzen und massiv Tests durchzuführen. Dazu gehört auch Desinfizierung im öffentlichen Raum. Einige Länder in Ostasien haben uns vorgemacht wie das geht. In Japan, in Südkorea werden vielmehr Masken verwendet als bei uns. Natürlich muss man die auch haben, das heißt es geht jetzt darum, die Industrie sehr schnell dazu zu bringen, diese Masken zu produzieren. Aber wenn wir flächendeckend Masken tragen würden, dann könnten wir die wirtschaftliche Aktivität, das sagen viele Epidemiologen und Ärzte, viel schneller wieder hochfahren als ohne diese Masken.

Und wenn die Wirtschaft eines Tages wieder hochgefahren wird - wird es dann enorme Nachholeffekte geben, die für einen kräftigen Wachstumsschub sorgen könnten oder muss der Staat weiterhin Maßnahmen ergreifen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen?

Da wird der Staat weiter Maßnahmen ergreifen müssen. Es wird zwar sicherlich Nachholeffekte geben. Wer sich jetzt kein Auto kauft, der macht das sicherlich irgendwann später. Wir haben aber das Problem, dass es vermutlich zu vielen Insolvenzen kommen wird. Da hat man nicht nur keine Nachholeffekte, sondern möglicherweise dauerhafte Schäden. Die Politik bemüht sich im Moment diese dauerhaften Schäden zu minimieren oder zu verhindern. Man kann also damit rechnen, dass es hier und da Nachholeffekte gibt, aber die wirtschaftliche Erholung wird umso schwieriger, je länger der Shutdown dauert.

Bevor das Coronavirus aufgetaucht ist war die Klimakrise ein riesiges Thema. Im Augenblick profitiert das Klima davon, dass Produktion und Verkehr zurückgeschraubt werden. Wie wird es nach der Krise aussehen? Wird da Klimaschutz noch einen Stellenwert haben, wenn die Wirtschaft immer noch hinkt?

Wenn das jetzt eine sehr, sehr tiefe Wirtschaftskrise wird, dann werden die klimapolitischen Überlegungen erst einmal in den Hintergrund treten. Das war in der Finanzkrise auch so. Der Klimaschutz ist ein mittelfristiges, globales Problem. Hier geht es aber jetzt um eine Krise in der eine kurzfristige Destabilisierung der Wirtschaft droht. Und da wird man sich jetzt erst einmal auf das Beheben dieser akuten Krise konzentrieren. Der Klimaschutz tritt dann erst mal in den Hintergrund.

Clemens Fuest ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen. Fuest ist seit dem 01. April 2016 Präsident des Ifo-Instituts München. Zuvor leitete er das Zentrum für Europäische Wirtschaft Mannheim (ZEW).

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion