Bauwerke in Bewegung
Riesig und tonnenschwer: Fassaden, Brücken, Gebäude oder Teile davon werden präzise verschoben - die Mobilisierung von Immobilien ist ein neuer Wirtschaftszweig. Wir zeigen einige Beispiele.
Große Schiebung
Kürzlich in der Nähe von Stendal, Sachsen-Anhalt: Eine mehr als 1700 Tonnen schwere Eisenbahnüberführung wird um 30 Meter in die endgültige Position geschoben und anschließend um drei Meter abgesenkt. Ausführung: Die Firma Multilift, ein Zusammenschluss aus mehreren mittelständischen Bauunternehmen.
Schwebende Kolosse
Dank der Fluidts-Technologie von Multilift schweben auch wahre Kolosse über die Gleitbahnen. Man stelle sich ein umgekehrtes Einmachglas vor. Oben ist ein Hohlraum, unten die Dichtung. In den Hohlraum wird Stickstoff geblasen. Dadurch wird die Reibung minimal. Bloß, dass die Fluidts-"Einmachgläser" einen Durchmesser von 1,10 Meter haben, aus Stahl bestehen und locker 250 Tonnen heben.
Kurze Unterbrechung
Um die Stendaler Eisenbahnbrücke zum Schweben zu bringen, reichte ein Dutzend dieser speziellen Stickstoff-Behälter. Die Konstruktion wurde vorher abseits des finalen Einsatzortes gebaut. Bei der endgültigen Fertigstellung brauchte der Eisenbahnverkehr nur relativ kurz unterbrochen zu werden.
Theater Meiningen
Auch die komplette historische Rückfassade des Theaters von Meiningen in Südthüringen glitt vor einigen Jahren auf Fluidts-Bahnen. Experten hatten sie mit Seilsägen sauber vom restlichen Bauwerk getrennt und mit einer Stahlkonstruktion stabilisiert. So konnten die Bühne und der Orchestergraben des Theaters vergrößert sowie die Bühnentechnik verbessert werden.
Bayerischer Bahnhof in Leipzig
Für den Bau des City-Tunnels in Leipzig musste Platz geschaffen werden. Deshalb wurde der 20 Meter hohe, 30 Meter breite und sechs Meter tiefe sowie 2800 Tonnen schwere Portikus des Bayerischen Bahnhofs am 10. April 2006 mit Hilfe spezieller Gleitlager um 30 Meter nach Osten verschoben.
Das Hin und Her des Portikus
Das Portikus-Fundament wurde mit Beton ummantelt. Auf durch den Beton eingebrachten Stahlträgern hob man das Bauwerk an und verschob es. Nach der Fertigstellung des Rohbaus der City-Tunnel-Station am Bayerischen Bahnhof ging es für den Portikus am 30. Oktober 2009 auf gleiche Art und Weise wieder zurück.
Bahnhof Chêne-Bourg (Schweiz)
Für den Bau eines neuen unterirdischen Bahnhofs musste das alte Stationsgebäude in Chêne-Bourg bei Genf um 33 Meter verschoben werden. Den Auftrag führten die Schweizer Firmen Hebetec Engineering und Freyssinet aus. Auch hier die besondere Herausforderung; Während des Verschubs galt es, Beschädigungen am 700 Tonnen schweren Bauwerk zu vermeiden.
Brücke für La Réunion
Die Baustelle für die Vorfertigung der neuen Brücke "La Nouvelle Route du Littoral" auf dem Eiland La Réunion im indischen Ozean. Betonfertigteile mit mehr als 4500 Tonnen Gewicht schweben mit Hilfe einer speziellen Luftkissen-Technologie von Hebetec Engineering auf ein Spezialschiff, das die Teile zum endgültigen Standort im Meer transportiert und absenkt.
Klassische Demontage
Freilichtmuseen wie hier im nordrhein-westfälischen Kommern widmen sich der Rettung historischer Gebäude vor dem Zahn der Zeit. Die klassische Demontage mit Wiederaufbau gilt bei vielen Denkmalschützern als nicht optimal, denn dabei geht Substanz verloren.
Tempel von Abu Simbel
Bekanntestes Beispiel für die Demontage-Technik sind die beiden fast dreieinhalb Jahrtausende alten Tempel von Abu Simbel, erbaut zum Ruhm von Pharao Ramses II und seiner Gattin. In den 1960er Jahren wurden sie ein Stück bergauf verlegt - sonst wären sie nach dem Bau des Assuan-Staudamms am Nil in den steigenden Fluten versunken.
Leuchtturm von Cape Hatteras
Die wohl größte Verschiebe-Aktion empfindlicher Baudenkmäler ohne Demontage gab es 1999 im US-Bundesstaat North Carolina: Der 1870 erbaute Leuchtturm am Cape Hatteras, mit 64 Metern der höchste der USA, musste umgesetzt werden. Die Erosion an der Küste durch das Meer bedrohte die Fundamente. Nach jahrelangen Planungen wurde das Wahrzeichen auf Rollen und Schienen 900 Meter landeinwärts geschafft.