Basketball-WM hinterlässt viele Fragen
9. September 2019Der letzte Auftritt der deutschen Basketball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in China war im Grunde schon vor dem ersten Sprungball nur noch eine Formsache. Nach dem unerwarteten und von vielen als Desaster bezeichneten frühen WM-Aus nach zwei Niederlagen in der Vorrunde hat sich das DBB-Team mit einem 82:76-Erfolg gegen Kanada, dem Heimatland des aktuellen NBA-Champions Toronto Raptors, versöhnlich verabschiedet. Die Deutschen - vorher als Medaillenanwärter gehandelt - schließen die WM nun auf Platz 18 ab, ein Rang, mit dem das Minimalziel erreicht wurde: Die Chance auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio ist gesichert.
Deutschlands Basketballer dürfen im kommenden Sommer, kurz vor dem olympischen Turnier in Japan, an einem Olympia-Qualifikationsturnier teilnehmen. Gewinnen sie dort, sind sie bei Olympia dabei.
Viele Kritikpunkte
Dennoch bleibt als WM-Fazit stehen, dass sich beim deutschen Nationalteam etwas ändern muss. Eine zu große Abhängigkeit von Dennis Schröder, zu wenig taktische Variabilität, keine gesunde Hierarchie im Team, mangelhafte Kommunikation auf dem Feld, zu wenige Impulse von den Coaches am Spielfeldrand - so oder so ähnlich lauteten die Kritikpunkte, und an allen ist auch etwas dran.
Dass das deutsche Spiel zu sehr auf den besten Spieler, NBA-Profi Schröder von Oklahoma City Thunder zugeschnitten war, zeigte sich besonders deutlich in den ersten beiden WM-Spielen, die gegen Frankreich und die Dominikanische Republik verloren wurden. Deutlich deswegen, weil Schröder nicht das aufs chinesische Parkett brachte, was er eigentlich zu leisten im Stande ist.
Ist Dennis Schröder ein Anführer?
Viel diskutiert wurde dabei, ob Schröder - der selbsternannte "Leader" des Teams - überhaupt die notwendigen Eigenschaften eines Anführers besitzt, so wie es in früheren Basketball-Nationalteams ein Dirk Nowitzki, ein Steffen Hamann oder auch der heutige Bundestrainer Henrik Rödl waren. Eine Frage, wie sie im Fußball vor einigen Jahren auch im Zusammenhang mit Mesut Özil immer wieder gestellt wurde.
"Ich bin der Meinung, dass er kein Anführer ist. Er ist der beste Spieler, aber kein Anführer", hatte Marko Pesic, der Sportdirektor des deutschen Basketball-Meisters Bayern München, zuletzt beim TV-Sender MagentaSport gesagt. "Er ist ein außergewöhnlicher Spieler, aber er ist in der Nationalmannschaft nicht das, was man aus ihm macht." DBB-Präsident Ingo Weiss stellte sich dagegen schützend vor Schröder. "Für mich ist Dennis nicht nur ein guter Spieler, sondern auch ein exzellenter Leader in diesem Team", sagte Weiss und ergänzte: "Da gibt es keine Diskussion." Dabei blendete Weiss allerdings aus, dass es diese Diskussion sehr wohl gibt.
Warum ohne "Stinkstiefel" Wagner?
Genauso wie die Diskussion darüber, was Bundestrainer Henrik Rödl während der WM falsch gemacht hat. Hätte der 50-Jährige mehr von außen eingreifen müssen? Wäre es ab und zu angebracht gewesen, Schröder aus der Verantwortung zu nehmen und auf eine andere Variante im Spielaufbau zu setzen, statt stoisch am 25-Jährigen festzuhalten? Wäre es besser gewesen, mit dem kurz vor WM-Beginn noch aus dem Kader aussortierten Moritz Wagner einen weiteren NBA-Profi dabei zu haben, der nicht nur viele Rebounds holt und auch von außen trifft, sondern der durch seine Art auf dem Platz die Aufmerksamkeit von Schröder ablenkt.
Der 22-jährige Wagner, der im Sommer innerhalb der NBA von den Los Angeles Lakers zu den Washington Wizards transferiert wurde, kann auf dem Feld ein echter Stinkstiefel sein. Eine nützliche Eigenschaft, wenn es für das eigene Team nicht läuft und der Gegner mit kleinen verbalen Provokationen oder unnötig spitzen Ellenbogen aus dem Rhythmus gebracht werden soll. "Moritz hat noch so viel vor sich, das hat er auf vielen Ebenen gezeigt, ihm fehlt ein bisschen Spielpraxis und Erfahrung", hatte Rödl seine Entscheidung gegen Wagner begründet.
Schwache Leistungen der "Großen"
Doch auch ohne den 2,11-Meter-Mann hätte die Klasse der deutschen Mannschaft ausreichen müssen, um bei der WM besser abzuschneiden. Mit Maxi Kleber (Dallas Mavericks) und Daniel Theis (Boston Celtics) waren zwei weitere Spieler dabei, die in den USA ihr Geld verdienen. Während Kleber vor allem in der Defensive viele gute Aktionen hatte, agierte Theis, der - obwohl "nur" 2,03 Meter groß - immer als Center in der Startaufstellung stand, in der Offensive oft unglücklich und leistete sich zu viele einfache Fehlwürfe.
Ein ganz schlimmes Turnier erlebte Ex-NBA-Profi Paul Zipser, der zwei Saisons für die Chicago Bulls spielte. Beim 25-Jährigen lief, abgesehen von einem Zwischenhoch gegen Jordanien, als ihm zwölf Punkte gelangen, gar nichts zusammen. Auch von den anderen "Großen", Robin Benzing und Danilo Barthel, hat man schon bessere Leistungen im Nationaltrikot gesehen.
EM-Qualifikation als Testphase
Rödl, der von DBB-Chef Weiss eine Jobgarantie bis zur EM 2021 erhielt, hat jetzt zehn Monate Zeit, sein Team wieder in die Spur zu bringen und sich auf die nächsten Pflichtspiele vorzubereiten, die dann erst beim Olympia-Quali-Turnier anstehen. Dabei hilft, dass Deutschland - obwohl als Co-Gastgeber der EM in zwei Jahren bereits qualifiziert - zu Vorbereitungszwecken an der EM-Qualifikation teilnimmt. Anspruchsvolle Testduelle sind für Deutschlands Basketballer damit garantiert. Spiele, die man nutzen sollte, denn spätestens bei der Heim-EM werden die Erwartungen noch höher sein als jetzt bei der WM.