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EU-Personalkarussell dreht sich

18. Juni 2009

Da unklar ist, welcher EU-Vertrag Ende des Jahres gelten wird, gerät die Berufung des wichtigen EU-Kommissionspräsidenten zum Verwirrspiel. José Barroso muss auf das Ja für eine zweite Amtszeit noch warten.

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José Barroso möchte in Brüssel bleiben, die Sozialisten lehnen ihn abBild: AP

Die Europäische Kommission, die Verwaltung der Europäischen Union, braucht im November einen neuen Präsidenten. Dann läuft die erste Amtszeit von José Manuel Barroso aus. Der ehemalige portugiesische Regierungschef würde die einflussreiche Kommission mit ihren 20.000 Beamten gerne weitere fünf Jahre führen. Damit das passieren kann, müssen die Staats- und Regierungschefs der EU und das gerade neu gewählte Europäische Parlament Barroso bestätigen.

Konservative haben keine eigene Mehrheit

José Barroso gehört einer konservativen Partei an. Die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs und die größte Fraktion im Parlament sind ebenfalls konservativ. Die erneute Berufung Barrosos dürfte also theoretisch kein Problem sein. Und doch ist sie eine Rechnung mit vielen Unbekannten.

Im Parlament braucht Barroso nicht nur die Konservativen, sondern auch die liberalen und zumindest einen Teil der sozialistischen Abgeordneten, um die nötige Mehrheit zusammen zu bekommen. Der bisherige Fraktionschef der Sozialisten, Martin Schulz, ist aber ein erklärter Gegner des Kommissionspräsidenten. Schulz hat seiner Fraktion empfohlen, gegen Barroso zu stimmen. Und auch die Grünen basteln an einer Anti-Barroso-Strategie. Sie wollen einen eigenen Gegenkandidaten aufstellen. Das geht im Grunde aber nicht, denn das Vorschlagsrecht haben allein die Staats- und Regierungschefs.

Entscheidungen vertagen

Merkel empfängt Barroso
Deutschlands konservative Kanzlerin Merkel stützt den konservativen KandidatenBild: picture-alliance/ dpa

Was machen europäische Politiker in so einem Fall? Richtig! Sie verschieben die Entscheidung über eine Kandidatur erst einmal um einen Monat. Barroso wollte sich schon beim EU-Gipfel am Donnerstag (18.06.2009) auf den Schild heben lassen. Daraus wird nichts. Die Staats- und Regierungschefs wollen jetzt erst mit dem Parlament verhandeln, um eine Niederlage Barrosos zu vermeiden.

Möglich ist auch, dass das Parlament seine Entscheidung bis in den Herbst verschiebt, um abzuwarten, ob und wann der Reformvertrag der EU, der so genannte Vertrag von Lissabon, in Kraft treten kann. Der Lissabon-Vertrag sieht nämlich für die Aufstellung der EU-Kommission und des Kommissionspräsidenten neue Regeln vor. Im Moment müsste die EU-Kommission nach dem geltenden Vertrag von Nizza zusammengestellt werden. Der schreibt vor, dass die Kommission mindestens eine Person weniger umfasst als die EU Mitgliedsstaaten hat, also 26 Kommissare. Ein Land müsste auf die Entsendung eines Kommissars verzichten, denn heute hat jedes EU-Mitglied einen Kommissar in Brüssel, und sei sein Zuständigkeitsbereich auch noch so klein.

Niemand will verzichten

Unter dem Vertrag von Lissabon dürfte jedes Land für weitere fünf Jahre einen Kommissar behalten. Danach müsste die Kommission um ein Drittel schrumpfen. Die kleineren Staaten drängen darauf, die Berufung der Kommission möglichst lange hinauszuzögern, damit keiner bereits jetzt verzichten muss. Denn niemand weiß, wie das Land ermittelt werden soll, das keinen Kommissar mehr schicken darf. Per Los, per Abstimmung? Das ist im Vertrag von Nizza nicht geregelt.

Also setzt man auf den Vertrag von Lissabon, der in Irland noch ein zweites Referendum überstehen muss. Das könnte jetzt möglicherweise vom Oktober auf den September 2009 vorgezogen werden, damit mehr Zeit für die Bildung der EU-Kommission bleibt. Die irische Regierung stellt allerdings Bedingungen. Sie möchte, dass Irland der Sitz eines EU-Kommissars garantiert wird. Die juristischen Experten der EU streiten, ob dieses Zugeständnis eine Vertragsänderung wäre, die wiederum von allen 27 EU-Staaten ratifiziert werden müsste - mit unkalkulierbaren Risiken. Auch in Polen, Tschechien und Deutschland stehen die Unterschriften der Präsidenten unter den Ratifizierungsurkunden des Lissabon-Vertrages aus unterschiedlichen Gründen noch aus.

Hängepartie

So hängt José Barroso noch in der Luft. Er weiß, je länger das Tauziehen um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten dauert, desto schlechter werden seine Chancen. Es gibt bereits Länder, die fordern, sämtliche europäische Spitzenpositionen aus dem neuen Vertrag von Lissabon als Paket zu vergeben. Kommissionspräsident, Präsident der Europäischen Union, Außenminister und Parlamentspräsident würden dann nach politischer Farbe und Nationalität nach allen erdenklichen Proporzkriterien unter den 27 Staaten aufgeteilt. Ob der konservative Portugiese da noch zum Zuge käme ist fraglich.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Mareike Röwekamp