Bald Kredite ohne Troika-Kontrolle?
13. September 2012Die Schätzungen, wie viel Geld Zypern aus den Rettungsfonds der Euro-Zone brauchen wird, gehen bis zu 10 Milliarden Euro. Trotz ihrer Finanznöte versucht die Mittelmeerinsel die turnusmäßige Ratspräsidentschaft der EU so gut wie möglich zu meistern. "Das gelingt eigentlich auch ganz gut. Die Zyprioten sind unheimlich stolz auf die Ratspräsidentschaft. Sie wollen als kleines Land mit 800.000 Einwohnern zeigen, dass sie das können", sagt Prof. Hubert Faustmann der Deutschen Welle. Faustmann lehrt auf Zypern an der Universität in Nikosia Politik und Geschichte. "Die Einschnitte, die auf Zypern zukommen, sind hart, besonders im Öffentlichen Dienst", so Faustmann. Dort müssen Gehälter gekürzt und Stellen gestrichen werden, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Das hat die Prüfer-Troika aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds empfohlen.
Kein Geld von Russland für Zypern
Probleme mache Zypern auch sein "aufgeblähter" Bankensektor, sagte Faustmann. Die Banken sind traditionell eng mit griechischen Geldinstituten verbandelt, die unter dem Schuldenerlass vom Frühjahr leiden. Zypern wird jedoch nicht das schwierigste Thema beim Finanzministertreffen sein, denn schließlich geht es um vergleichsweise kleine Summen.
Zunächst einmal sind die EU-Finanzminister sicherlich erleichtert über den positiven Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Rettungsfonds ESM und zum Fiskalpakt. Das eingeschränkte "Ja" aus Karlsruhe ermöglicht es den 17 Finanzministern der Euro-Zone jetzt, den Rettungsfonds zu gründen und voraussichtlich im Oktober zum ersten Mal als dessen Lenkungsgremium zusammenzutreten. Dann wollen sie den deutschen EU-Beamten Klaus Regling zum geschäftsführenden Direktor des ESM wählen.
Spanien will Geld mit möglichst milden Konditionen
Die Kunden für den ESM stehen in Zypern beim informellen Finanzministertreffen sozusagen schon Schlange. Der spanische Finanzminister Luis de Guindos will den Kollegen darlegen, wie und wann Spanien einen Antrag auf Finanzierungshilfen aus dem ESM stellen will. Die spanische Regierung drängt darauf, möglichst keine neuen Auflagen verpasst zu bekommen. Finanzminister de Guindos will nach Medienberichten eine Art "Überziehungskredit" für Spanien, eine vorsorgliche Kreditlinie. Das wäre nach den Statuten des ESM möglich.
Zu welchen Bedingungen kauft die EZB?
Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, wird wie üblich am Finanzministertreffen teilnehmen, darüber hinaus auch sämtliche Notenbankchefs der 17 Euro-Staaten. Draghi, der in der vergangenen Woche den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen unter bestimmten Bedingungen angekündigt hatte, wird erläutern müssen, wie diese Bedingungen aussehen. Während der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sich scharfe Auflagen wie in den Fällen Griechenland, Portugal und Irland vorstellt, setzen Spanien und Italien auf Milde. Der EU-Finanzkommissar Olli Rehn hatte vor dem Treffen in Nikosia gesagt, er gehe davon aus, dass es reiche, wenn Spanien sich an die allgemeinen Haushaltsregeln der Europäischen Union halte, die von der EU-Kommission überwacht werden.
Volles Programm für Schuldner?
Die Finanzminister müssen nun entscheiden, ob ESM-Gelder und damit parallel auch Anleihenkäufe der EZB möglich werden, ohne dass es zu einem vollen Programm mit Auflagen und Überwachung kommt. Dann wären auch die Kontrollbesuche der Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds vermeidbar. Diese Troika empfinden sowohl Spanien und auch Italien als zu große Schmach.
Die Staaten, die sich bislang der vollen Kontrolle durch die Troika unterworfen haben, um Gelder des bisherigen Rettungsfonds EFSF und des Internationalen Währungsfonds zu erhalten, beobachten die neue Entwicklung sehr genau. Der irische Finanzminister verlangt zum Beispiel, dass für sein Land künftig die gleichen Bedingungen gelten sollen wie für Spanien. Auch Irland hat wie Spanien seine Staatsverschuldung in die Höhe getrieben, um marode Banken zu retten. Spanische Banken sollen nun vom ESM gerettet werden, ohne dass der spanische Staat weiter belastet wird. Genau das möchte Irland auch erreichen.
Griechenland wirbt für längere Fristen
Spanien und Portugal haben mit der EU-Kommission beziehungsweise mit der Troika ausgehandelt, dass die strengen Haushaltsziele um ein Jahr verschoben werden. Diese Lockerung der Bedingungen strebt auch das nahezu bankrotte Griechenland an. Der griechische Finanzminister wirbt auf Zypern für eine Streckung der griechischen Hilfskredite um zwei Jahre. Außerdem hat Griechenland bei der Europäischen Zentralbank um eine längere Frist für die Rückzahlung griechischer Staatsanleihen gebeten, die die EZB bereits besitzt. Der Bericht der Prüfer-Troika zu Griechenland sollte eigentlich zum Finanzministertreffen vorliegen. Seine Veröffentlichung wird wohl aber in den Oktober verschoben, weil die griechische Koalitionsregierung immer noch keine letzte Klarheit darüber hat, wie ein Sparpaket von rund 17 Milliarden Euro geschnürt werden kann. Vom Bericht der Troika hängt angeblich ab, ob Griechenland die nächste Rate seiner Hilfskredite auf dem Rettungsfonds EFSF in Höhe von 31 Milliarden Euro erhält. Ohne dieses Geld wäre das Land zum Jahresende wohl zahlungsunfähig.
Völkerrechtliche Klarstellung beim ESM
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble muss seinen Kollegen die Konsequenzen aus dem Karlsruher Richterspruch zum ESM erklären. Er braucht eine völkerrechtlich, europarechtlich gesicherte Garantie, dass Deutschland nicht überstimmt werden kann und dass der Haftungsrahmen der Bundesrepublik nicht über 190 Milliarden Euro steigt. Im Umkehrschluss bedeutet das Votum des Verfassungsgerichts, dass die übrigen 16 Staaten Deutschland und insbesondere dem Deutschen Bundestag eine Art exklusives Veto-Recht einräumen. Die Fach-Juristen in den Ministerien müssen jetzt aushandeln, wie die Auflagen sauber an den ESM-Vertrag angehängt werden können. Eigentlich sind Änderungen nicht mehr möglich, da den Vertrag außer Deutschland und Irland bereits 15 Staaten abschließend ratifiziert haben.