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Landtagswahlen: Bündnis Sahra Wagenknecht vor Erfolg?

Ben Knight
27. August 2024

Die Partei der früheren Linken-Frontfrau steht in Umfragen vor den anstehenden Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Thüringen und Sachsen weit vorn - und teilt viele Positionen mit der extremen Rechten.

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Deutschland Sahra Wagenknecht Parteivorsitzende des BSW
Gibt ihrer Partei Namen und Gesicht: Sahra WagenknechtBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Sahra Wagenknecht steht zwar nicht selbst zur Wahl, doch die umstrittene Politikerin könnte als große Siegerin aus den drei anstehenden Landtagswahlen im Osten Deutschlands hervorgehen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) - die Partei, die im Januar von der ehemaligen Fraktionschefin der Linkspartei gegründet wurde - liegt derzeit in Sachsen und Thüringen laut Umfragen weit vor den Parteien, die die Regierungskoalition von Bundeskanzler Olaf Scholz bilden. Und in Brandenburg liegt die junge Partei fast gleichauf mit den dort regierenden Sozialdemokraten.

Mit ihrer ungewöhnlichen Mischung aus linker Wirtschaftspolitik und Anti-Migrations-Rhetorik dürfte das BSW sowohl in Thüringen als auch in Sachsen eine Rolle bei der Regierungsbildung spielen, wenn am 1. September gewählt wird. In Brandenburg findet die Wahl am 22. September statt.

In allen drei Bundesländern liegt die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) in den Umfragen vorn. Die anderen Parteien befürchten eine Aushöhlung der Demokratie durch die AfD. Sie wollen sicherstellen, dass die Partei nicht an die Macht kommt. 

Wagenknecht als Störenfried

Der schnelle Aufstieg des BSW zeigt, wie sehr sich die ostdeutsche Politik im Umbruch befindet. Der zunehmende Einfluss der neuen Partei im politischen Gefüge wird auch mit dem Begriff Disruption, also Störung, beschreiben. 

Im Juli beschrieb Wagenknecht die Position ihrer eigenen Partei gegenüber der Tageszeitung "taz" folgendermaßen: "Ich glaube, dass wir einfach das vertreten und verkörpern, wofür viele Parteien nicht mehr stehen: etwa einen aufgeklärten Konservatismus im Sinne des Erhalts von Traditionen, von Sicherheit - auf Straßen und öffentlichen Plätzen, aber auch von Arbeitsplätzen, gesundheitlicher Versorgung und Renten. Das Bedürfnis nach Sicherheit, Frieden und Gerechtigkeit hat bei uns eine neue politische Heimat gefunden."

Die Partei stellte ein Programm vor, das es nach Ansicht politischer Analysten in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben hat. 

"Wenn man das Programm des BSW anguckt, kann man sagen, dass es auf Menschen ausgerichtet ist, die auf der einen Seite ökonomisch eher linke Positionen vertreten, aber auf der gesellschaftspolitischen Achse konservative Einstellungen haben", sagt Daniel Seikel, Forscher bei der Hans-Böckler-Stiftung, die im Juni eine Analyse der BSW-Anhänger veröffentlichte. "Das erklärt auch ein Stück weit, warum das BSW so beliebt ist bei Wählern und Wählerinnen, die zuvor die Linke oder die AfD gewählt haben."

Meinungsumfragen in Ostdeutschland haben gezeigt, dass das BSW auf Kosten von Wagenknechts alter Partei " Die Linke gewachsen ist. Die AfD dagegen scheint nicht übermäßig Stimmen an das BSW zu verlieren - die AfD hält derzeit ihren prognostizierten Stimmenanteil von rund 30 Prozent in Umfragen in Thüringen und Sachsen und bundesweit laut dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend von 16 Prozent. Nach dieser Umfrage kommt das BSW bundesweit auf neun Prozent.

Welche Politik will die neue Wagenknecht-Partei BSW machen?

Das mag überraschen, wenn man bedenkt, dass AfD und BSW anscheinend um ähnliche Wähler werben. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat gezeigt, dass sich die Politik von BSW und AfD in mehreren Bereichen überschneidet. Beide sind beispielsweise für eine Begrenzung der Zuwanderung, verstärkte Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber und mehr Kontrollen an den deutschen Grenzen. Stark unterscheiden sich die beiden Parteien hingegen beim Thema Sozialhilfe: Die AfD will Leistungen für Arme einschränken, das BSW will einige beibehalten oder ausbauen.

Genaue Daten über Wählerwanderungen werden erst nach den Wahlen vorliegen. Seikels Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass die größte Gruppe unter den BSW-Anhängern in Ostdeutschland Menschen sind, die bei der letzten Wahl die Sozialdemokraten von Kanzler Olaf Scholz gewählt haben.

Populistisch, aber nicht extremistisch

Für Ursula Münch, Leiterin der Akademie für politische Bildung Tutzing, stellt das BSW eine weitere Bedrohung für die etablierten Parteien dar. "Die anderen Parteien werden in die Mangel genommen, sowohl von der AfD als auch vom BSW", sagt sie der DW. 

Deutschland Europawahl Wahlkampf Bündnis Sahra Wagenknecht BSW
Findet Zulauf: Wahlkampfveranstaltung des BSWBild: Focke Strangmann/dpa/picture-alliance

Münch ist der Meinung, dass das Schlüsselthema für die deutschen Wähler nach wie vor die Zuwanderung ist, und sie glaubt, dass es dem BSW gelungen ist, sich den Wählern als eine nichtextremistische Alternative zur AfD zu präsentieren. "Das BSW kann bis jetzt für sich in Anspruch nehmen, eben keine extremistische Partei zu sein", sagt sie. "Bis jetzt argumentieren sie nicht rassistisch, haben relativ seriöses Spitzenpersonal - da würde ich den Unterschied zur AfD sehen."

Das BSW schließt bislang Koalitionen mit der AfD aus, fordert aber einen weniger dogmatischen Umgang mit der in Teilen rechtsextremen Partei.

Wähler mit Migrationshintergrund

Das BSW scheint überdurchschnittlich viele Wähler mit Migrationshintergrund für sich zu gewinnen, eine Bevölkerungsgruppe, die traditionell Mitte-links-Parteien wählt.

 "Wichtig ist erstmal zu sagen, beileibe nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund würden BSW wählen", so Daniel Seikel. "Aber es könnte sein, dass relativ große Anteile von Menschen mit Migrationshintergrund ökonomische Sorgen haben, niedrige Einkommen beziehen und dass diese sozioökonomischen Faktoren als Erklärung für die Wahlentscheidung im Vordergrund stehen und nicht so sehr der Migrationsstatus."    

Es könnte also auch sein, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund in Gebieten leben und arbeiten, in denen sie mehr Konkurrenz durch steigende Zuwanderung befürchten, meint Seikel.

Das BSW scheint auch SPD-Wähler abzuwerben, die der deutschen Unterstützung für die Ukraine skeptisch gegenüberstehen - eine weitere Position, die das BSW mit der AfD und der Linkspartei teilt. Letztere, die in Thüringen die Regierung führt, ist die Nachfolgerin der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der kommunistischen Partei, die einst die ostdeutsche Diktatur führte. Ostdeutschland war Teil des UdSSR-freundlichen Ostblocks, und bis heute besteht in Teilen der ostdeutschen Bevölkerung eine gewisse Feindseligkeit gegenüber den USA und der NATO. 

Wagenknecht hat versucht, aus der antiamerikanischen Stimmung im Osten Kapital zu schlagen. Sie schlug etwa vor, die Ablehnung der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland - ein Plan, der von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP unterstützt wird - zur Bedingung für jegliche Koalitionsverhandlungen zu machen.

"Diese Waffen schließen keine Verteidigungslücke, sondern sind Angriffswaffen, die Deutschland zu einem primären Ziel russischer Atomraketen machen würden", sagte Wagenknecht Anfang August dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es gibt Gründe, warum kein anderes europäisches Land solche Raketen auf seinem Territorium stationiert."

Ursula Münch hält dies für reine Wahlkampf-Rhetorik, weil eine solche Entscheidung bei der Bundesregierung in Berlin liegt und nicht auf Ebene der Bundesländer. "Auf der Landesebene ist es ja relativ billig, das zu fordern, weil man genau weiß, dass das auf Landesebene keine Rolle spielen wird", betont sie. "Ich würde sagen, in erster Linie ist es Wahlkampf, aber durchaus ein kluger Schachzug, weil im Grunde Sahra Wagenknecht diese Sorge in weiten Teilen der Bevölkerung - dass Deutschland ein Angriffsziel wird - damit geschickt aufgreift." 

Schlagzeilenträchtige Aussagen sind Wagenknechts Stärke. "Sie war meines Erachtens schon immer eine Populistin", sagt Münch, "auch als sie noch bei der Linken war. Sie ist jemand, der die Stimmung in der Bevölkerung sehr gut aufgreift. Und der eine Anti-Eliten-Stimmung stark schürt - obwohl sie ja selbst dem Establishment angehört, von ihrer Ausbildung her, von ihrer Sprache her."

Ein Populismus, der bislang Erfolg zu versprechen scheint. Besonders bei Wählern, die sich von anderen Parteien allein gelassen fühlen. Zumindest im Osten Deutschland sieht es so aus, als habe sich das BSW damit als bedeutende Kraft etabliert.

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