Gabriel für Verbot von Flaggenverbrennungen
14. Dezember 2017Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat angekündigt, dass er sich für ein allgemeines gesetzliches Verbot von Flaggenverbrennung stark machen werde. "Ich glaube, der Respekt vor der deutschen Flagge sollte nicht größer sein als der Respekt vor Flaggen aus anderen Ländern", so der Außenminister während eines Treffens mit der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, KIgA e.V.
Damit nahm er Bezug auf die Verbrennung von Israelflaggen vor dem Brandenburger Tor in der vergangenen Woche. Bei Protesten gegen Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hatten Demonstranten israelische Flaggen angezündet.
Der Außenminister unterstrich bei dem Treffen, dass es bei Antisemitismus nicht nur um Toleranz gegenüber Juden ginge, sondern um das Existenzrechts Israels. "Es ist Deutschlands Aufgabe, Israel zu schützen. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass die Holocaust-Überlebenden zumindest einen Ort zu haben, wo sie immer hin können."
Bei dem Treffen waren vor allem Vertreter von muslimischen Verbänden oder Gemeinden zugegen, die sich gegen Antisemitismus stark machen. Gabriel betonte allerdings, dass Antisemitismus nicht nur ein Problem der Einwanderer oder Muslime sei. "Mein Vater war bis zum Ende seiner Tage ein Antisemit", sagte er.
Antisemitismus in Deutschland
Offizielle Statistiken belegen, dass Antisemitismus kein Problem ist, das von außen kommt. 93 Prozent der antisemitischen Straftaten in Deutschland werden von Rechtsextremen begangen. Statistisch fallen also weder Muslime im Allgemeinen, noch Flüchtlinge im Besonderen wirklich ins Gewicht. Doch diese Statistik widerspricht den konkreten Erfahrungen vieler Juden in Deutschland. Laut einer Umfrage im Auftrag des "unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus" gehen 48 Prozent der verdeckten Andeutungen, 62 Prozent der Beleidigungen und 81 Prozent der körperlichen Angriffe von Muslimen aus.
Da überrascht es wenig, wenn die Bilder einer brennenden, selbstgemalten israelischen Flagge bei vielen Juden ganz persönliche Ängste gegenüber Muslimen auslösen. Mark Dainow, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sieht das Kernproblem darin, dass Politiker "zu viel Toleranz gegenüber der Intoleranz gezeigt haben." Das sagte er bei der Vorstellung einer Studie zu Einstellungen von Geflüchteten aus Syrien und dem Irak zu Integration, Identität, Juden und Shoah.
Bei den Spitzenpolitikern laufe er zwar "offene Tore ein", doch das höre auf der Landesebene schon auf. Dort hieße es schnell "wir können doch dem Flüchtling nicht auch noch Dieses und Jenes zumuten". Das führe dazu, dass Antisemitismus nicht offen angesprochen werde. "Das zu tun, erschwert die Arbeit. Ganz einfach." So werde es versäumt, frühzeitig ein Signal zu setzen, dass Intoleranz nicht toleriert werde. Es sei ein wenig wie das #MeToo Phänomen. Wenn du dich als Opfer beschwerst "wirst schnell du das Problem." Doch auch Dainow betont: "Es ist nicht so, dass wir den Judenhass erst mit der Welle der Muslimischen Zuwanderung erlebt haben."
Doch zunehmend wird die Frage, ob Deutschland es ernst meint, mit der Bekämpfung des Antisemitismus auch daran gemessen, wie sehr sich der Staat, die Behörden und jeder einzelne Freiwillige in den Flüchtlingsunterkünften dazu stellt. Es wird zwar viel darüber gesprochen, dass muslimische Asylbewerber oft antisemitische Haltungen an den Tag legen. Systematisch belegt ist diese allgemeine Annahme aber nicht.
Ein Versuch dies zu tun, ist die nicht repräsentative Studie des American Jewish Committee und des Ramer Institute for Jewish- German relations. Interviews mit 68 geflüchteten aus dem Irak und Syrien zeichnen ein ernüchterndes Bild. So kommen die Studienmacher zu dem Schluss: "Antisemitische Denkweisen und Stereotype sind in den Interviews sehr verbreitet. Ein grundsätzlich negatives Israelbild und eine Infragestellung des Existenzrechts Israels ist für fast alle arabischen Interviewten selbstverständlich."
Die angeführten Anschuldigungen reichen von " ‘die Juden‘ hätten die heilige Schrift verfälscht, seien generell Feinde der Muslime" bis zu der Behauptung sie "hätten versucht, den Propheten Mohammed zu ermorden." Mit diesem Bild im Hinterkopf erklärt sich auch der erstaunte Satz, den Aron Schuster immer wieder hört, wenn seine "Zentralwohlfartsstelle der Juden in Deutschland" muslimischen Flüchtlingen hilft: "Warum hilfst du mir?" wird er da gefragt.
Auch Holger Michel ist täglich dutzenden Fragen ausgesetzt, seit er inmitten der Flüchtlingskrise zum Helfer wurde. Er kam im September 2015 für einen Tag vorbei, um die Initiative "Freiwillige helfen" zu unterstützen und blieb bis heute. "Ich will kein Geschichtslehrer sein" sagt er angesichts des schlichten Unwissens, das viele Flüchtlinge in Bezug auf den Holocaust an den Tag legen. Doch war er es, der immer wieder mit Gruppen von Flüchtlingen zum Mahnmal für die ermordeten Juden Europas ging. Das sei im Integrationskurs kein Thema gewesen, stattdessen wurde die Zusammensetzung der Bundesversammlung gelehrt. In seiner Unterkunft stapelten sich immer wieder die dicken Broschüren mit Informationen. Die musste er dann immer wieder entsorgen. Den ‚One-Pager‘ mit den wichtigsten Informationen, habe er dann selber geschrieben.
Integration von Muslimen ist in Deutschland schon einmal schiefgegangen, warnt die kurdischstämmige Journalistin und Aktivistin Düzen Tekkal. Sie setzt sich mit ihrer Organisation "Hawar.Help" unermüdlich für Jesidinnen und eine offene, demokratische Gesellschaft ein. "Das grundsätzliche Problem das wir haben sind ja nicht die Menschen, die 2015 hergekommen sind." Das habe man bei den Demonstrationen am Brandenburger Tor gesehen. "Das sind junge Muslime, die sind hier geboren und aufgewachsen. Unser Problem ist nur, dass wir es nicht geschafft haben, aus ihnen Demokraten zu machen." Die noch offene Frage ist, ob Deutschland es künftig besser machen wird.