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Außenminister Aserbaidschans: Baku ist gegen eine mit Druck von außen herbeigeführte Änderung des Regimes im Irak

12. September 2002

- SERKALO: Operation gegen den Irak würde den Interessen Aserbaidschans widersprechen

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Baku, 12.9.2002, SERKALO, russ.

Die USA versuchen unter dem Vorwand des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus Saddam Hussein zu stürzen. Für eine physische Beseitigung Saddam Husseins gibt es aber Tausende von Möglichkeiten. Die Türkei ist im Prinzip nicht gegen den Sturz des im Irak bestehenden Regimes. Aber die USA planen im Irak eine etwas modifizierte Operation, was zweifelsohne den nationalen Interessen der Türkei, aber auch Aserbaidschans widerspricht.

Es sei daran erinnert, dass in der erste Etappe die Anti-Terror-Koalition das Territorium, das sich unter der Kontrolle der Taliban befand, nur bombardiert hatte und die Bodenoperation von Kräften der Vereinigten afghanischen Opposition durchgeführt wurde, deren Schlagkraft Tadschiken, Usbeken und Turkmenen darstellen. Man muss auch berücksichtigen, dass nicht alle Puschtunen die Taliban unterstützten. Der Anti-Taliban-Koalition schlossen sich auch Puschtunen unter Leitung des ehemaligen afghanischen Königs Sahir Schah an. Auf diese Weise gelang es, eine breite Anti-Taliban-Koalition zu schaffen, der Vertreter fast aller Nationalitäten und ethnischen Gruppen Afghanistans angehören, was die territoriale Integrität des Landes wenigstens formal bewahrte.

Im Irak wird es leider nicht gelingen, eine ähnlich breite Koalition gegen das Regime von Saddam Hussein zu bilden. Außerdem entsteht der Eindruck, dass die USA nicht nur beabsichtigen, Saddam Hussein zu stürzen. Der Irak ist das größte und potentiell stärkste islamisch-arabische Land. Vor dem Hintergrund des Autoritätsverlustes der USA in der arabisch-islamischen Welt steht die Existenz eines solchen starken Staates mit hohem Potential, um den sich möglicherweise in weiter Zukunft alle unzufriedenen Araber scharen könnten, nicht im Interesse Amerikas.

Deswegen sind als Hauptschlagkraft diesmal die kurdischen Separatisten ausgewählt worden, die bereit sind, 100 000 Kämpfer für eine Bodenoperation gegen Saddam Husseins Regime aufzustellen. Die Belohnung soll die Schaffung eines unabhängigen kurdischen Staates oder die Umwandlung des Iraks in eine Föderation sein. Unter den irakischen Bedingungen ist das ein und das selbe.

Wahrlich, von bitteren eigenen Erfahrungen, aber auch von Erfahrungen Aserbaidschans gelehrt, kann die Türkei der Entstehung eines "neuen Armeniens" in Form eines kurdischen Staates an ihren Grenzen nicht zusehen. Übrigens tritt die Mehrheit der europäischen Länder, mit Ausnahme Großbritanniens, gegen eine solche Entwicklung der Ereignisse ein. Unter ihnen ist sogar das traditionell pro-armenisch eingestellte Frankreich, das man kaum besonderer Sympathien für die Türkei verdächtigen kann. Die europäischen Länder wissen genau, dass die Schaffung eines kurdischen Staates der zivilisierten Welt Kopfschmerzen bereiten wird. Allen ist auch bekannt, dass ein solcher Staat weder demokratisch noch weltlich sein wird. Außerdem wird dies eine neue Welle des kurdischen Terrorismus in der Türkei und anderen europäischen Ländern hervorrufen. Deswegen treten praktisch alle führenden Staaten Europas, darunter Deutschland und Frankreich, gegen eine Militäraktion auf dem Territorium des Irak ein. Russland erklärte, es werde die Anti-Terror-Koalition verlassen, falls im Irak ein Krieg beginnt. Die Motive der Türkei, Westeuropas und Russlands, wo ähnliche Erklärungen verbreitet werden, sind zweifelsohne verschieden. Alle sind sich jedoch darin einig, dass eine Aufteilung des Irak in der Region eine Situation mit weitreichenden Folgen schaffen wird.

Falls die USA und Großbritannien dennoch mit einer Militäraktion gegen den Irak beginnen, wird auch Aserbaidschan seine Teilnahme an der Anti-Terror-Koalition überdenken müssen. Die Schaffung eines kurdischen Staates widerspricht auch den Interessen Aserbaidschans. Erstens: Die Kurden sind traditionelle Verbündete der Armenier und anti-türkisch eingestellt. Das heißt, dass dies in der internationalen Arena die Positionen Armeniens stärken wird. Zweitens: Die Existenz eines kurdischen Staates wird bedeuten, dass an den Grenzen der Türkei, wie bereits erwähnt, eine Art "neues Armenien" entsteht, was den einzigen konsequenten Verbündeten Aserbaidschans schwächen wird. Auch dies steht nicht im Interesse Aserbaidschans. Drittens: Mit der Schaffung eines kurdischen Staates in der nahegelegenen Region erhalten die Armenier einen neuen Joker, und zwar, dass die territoriale Integrität des Landes kein grundlegendes Prinzip des heutigen internationalen Rechts mehr ist. Das heißt, es würde ein Präzedenzfall geschaffen, der von den Armeniern zur Begründung der Unabhängigkeit Berg-Karabachs genutzt werden könnte. Viertens: Die Mehrheit der arabischen und islamischen Länder sind Aserbaidschan gegenüber nicht freundschaftlich eingestellt, es gibt nur wenige Ausnahmen. Trotzdem erkennt die Organisation Islamische Konferenz aus Gründen der islamischen Solidarität Armenien als Aggressor an und fordert die Räumung des gesamten besetzten aserbaidschanischen Territoriums.

Mit einer Unterstützung einer Anti-Terror-Operation gegen den Irak, was in Wirklichkeit die Aufteilung dieses Landes bedeuten würde, würde Aserbaidschan, wie oben beschrieben, keine neuen Freunde gewinnen, sondern fast alle islamischen Länder gegen sich aufbringen.

Vor seiner Abreise in die USA hatte der aserbaidschanische Außenminister Wilajat Gulijew erklärt, das offizielle Baku trete gegen eine mit Druck von außen herbeigeführte Änderung des Regimes im Irak ein. Es stellt sich die Frage, ob es dem offiziellen Baku gelingen wird, diese Position bis zum Schluss zu vertreten. (MO)