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Auto und MobilitätDeutschland

Auf der Überholspur: Ausstellung über Geschwindigkeit

John Silk
29. Juli 2023

Immer schneller, immer weiter - seit Menschengedenken ist die Sehnsucht nach Geschwindigkeit ungebrochen. Das zeigen mit "Tempo. Tempo! Tempo?" drei Museen in Niedersachsen.

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Ausstellungsstück von einem Motorrad, älteres Baujahr, komplett verchromt
Schnell, schneller, am schnellsten: Deutsche Sehnsucht nach GeschwindigkeitBild: Spieker Fotografie/Florian Spieker

Geschwindigkeit ist in Deutschland ein hohes Gut. Von der Autobahn bis zum Automaten - die Deutschen wollen keine Zeit zu verlieren. Selbst die Sprache verrät, dass keine Zeit für Umwege bleibt, wie beispielsweise das Wort "Verschlimmbesserung" zeigt. Es umschreibt, wie man mit guten Absichten versucht, etwas zu verbessern, es aber am Ende noch schlechter gemacht hat. Warum viele Wörter verschwenden, wenn ein einziges ausreicht?

Als Carl Benz 1886 sein "Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb" zum Patent anmeldete, begründete der deutsche Ingenieur eine Automobilfertigung, die seither beständig an Fahrt aufgenommen hat: In Deutschland, Europas größter Volkswirtschaft, sind heute rund 800.000 Menschen in der Autoindustrie beschäftigt.

In einer Ausstellung einer historischen Kutsche mit Faltdach und Kutschbock.
Wahre Pferdestärken: Schneller als mit einer Kutsche kam man im 19. Jahrhundert nicht voranBild: Spieker Fotografie/Florian Spieker

Be- und Entschleunigung - darum dreht sich die Ausstellung "Tempo. Tempo! Tempo? Eine Geschichte der Geschwindigkeit", die nun zeitgleich in drei Museen im Bundesland Niedersachsen zu sehen ist. Das Kunstmuseum Schloss Derneburg präsentiert das Thema Tempo in der zeitgenössischen Kunst, im größten Oldtimermuseum Europas in Einbeck geht es um technische Entwicklungen und im Landesmuseum Hannover steht die Natur- und Kulturgeschichte von Geschwindigkeit im Mittelpunkt.

Wettlauf der Menschheit

Die Ausstellung sei ein Jahr lang vorbereitet worden, so Stephan Richter, Sprecher des Automuseums PS-Speicher in Einbeck, im DW-Interview. "Jedes Museum beleuchtet das Thema Geschwindigkeit aus seinem spezifischen Blickwinkel. Im PS-Speicher betrachten wir es von der technischen Seite, das Kunstmuseum in Derneburg von der künstlerischen Seite und das Museum in Hannover von der archäologischen und ethnologischen Seite, hinsichtlich der Geschichte der Geschwindigkeit, und was diese für die Menschheit bedeutet."

Ausschnitt eines Flugzeugvorderteils mit Spitze und Cockpit.
Schneller als der Schall: US-amerikanisches Kampfflugzeug Lockheed F-104Bild: Spieker Fotografie/Florian Spieker

Schon der Titel verweise mit Punkt, Ausrufe- und Fragezeichen auf drei Standpunkte, die die unterschiedlichen Blickwinkel der Ausstellung verdeutlichen, erläutert Richter den Ansatz. Dabei werden nicht nur Autos und Motorräder ausgestellt, sondern es wird auch ein unkonventioneller Blick auf das Thema gezeigt. Eine Rolle spielen dabei auch die Evolutionstheorie und die Neuen Medien, schließlich nimmt der Wettlauf, um von A nach B zu kommen, eher zu statt ab.

Schnellste Gefährte der Welt

So präsentiert das Kunstmuseum im Schloss Derneburg zeitgenössische Arbeiten von Künstlern aus den Bereichen Skulptur, Malerei und Installation, die sich mit dem Begriff der Geschwindigkeit unter anderem aus evolutionstheoretischer und technischer Sicht auseinandersetzen.

Das Landesmuseum in Hannover betrachtet die Geschwindigkeit aus einer natur- und kulturgeschichtlichen Perspektive. Die Ausstellung in Einbeck schließlich konzentriert sich vor allem auf die Technik.

Schwarz-orangener Sportwagen in einer Ausstellung. Auf dem Boden steht 431,072 km/h.
Schneller gehts kaum: Bugatti Veyron schrieb AutomobilgeschichteBild: Spieker Fotografie/Florian Spieker

So begrüßt den Ausstellungsbesucher hier ein ultraschnelles Fahrgerät: der Lockheed F-104 Starfighter-Jet aus den USA, der die doppelte Schallgeschwindigkeit erreichen konnte. Außerdem ist ein Bugatti Veyron zu sehen, der 2010 einen Geschwindigkeitsrekord von 431,072 Kilometer pro Stunde aufstellte.

Geschwindigkeitsübertretung: Der allererste Strafzettel

Auch das Konzeptauto VW Nardo ist zu sehen. Der Wagen sollte den Traum des Autoherstellers aus Wolfsburg vom eigenen Supersportwagen verwirklichen - landete aber statt in der Fertigung im Museum. Neben diesen offensichtlichen Tempo-Objekten zeigt die Ausstellung auch überraschende Stücke wie den vermutlich ersten in Deutschland ausgestellten Strafzettel.

"Es ist nur ein Stück Papier", sagt Stephan Richter vom PS-Museum. "Aber es ist der älteste Strafzettel in Deutschland, eine Verwarnung wegen überhöhter Geschwindigkeit aus dem Jahr 1894. In unserer Ausstellung ist er zum ersten Mal zu sehen. Damals gab es noch keine Straßenschilder oder Möglichkeiten zur Geschwindigkeitsmessung. Das Fahrzeug fuhr gerade einmal 30 Kilometer pro Stunde, also nicht wirklich schnell. Aber man erzählt sich, dass es in der Nähe eines Restaurants fuhr und die Vorhänge zum Flattern brachte, was darauf hindeutete, dass es zu schnell fuhr."

In einer Glasvitrine ist ein Stück braunes Papier zu sehen, das handschriftlich beschrieben wurde.
Erwischt! Vermutlich erster Strafzettel DeutschlandsBild: Spieker Fotografie/Florian Spieker

Die Ausstellungen befassen sich nicht nur mit Deutschlands Verhältnis zur Geschwindigkeit. Bilder von Autobahnen in Kalifornien, Kunstwerke aus Bahrain und der NASA-Raumanzug Shuttle Ejection Escape Suit sind in den drei Ausstellungen ebenso zu sehen wie ein Rentierschlitten aus Lappland.

"Tempo. Tempo! Tempo? Eine Geschichte der Geschwindigkeit" ist im Juni gestartet und läuft noch bis zum 4. Februar 2024 in Hannover, Einbeck und Derneburg.

Der Artikel wurde von Nadine Wojcik aus dem Englischen adaptiert.

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