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Aus für die CO2-Schleudern auf See?

Elke Ahlswede Reuters
5. Januar 2024

Die Dekarbonisierung der Schifffahrt wird jetzt auch von Kunden gefordert. LNG-Antriebe gibt es bereits - Methanol ist im Trend, Ammoniak im Gespräch. Doch die Frage ist: Was kommt nach Schweröl und Marine-Diesel?

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Schiffsabgase | Fähre stößt Abgase aus
Bild: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

Segel setzen und die Flotte hart am Wind zurück in die Zukunft steuern? Der kürzlich vom US-Konzern Cargill erstmals live erprobte Rohstoff-Frachter "Pyxis Ocean" wurde mit klappbaren Segeln aus Stahl und Glasfaser nachgerüstet, die den Motor unterstützen sollen - ein eher ungewöhnlicher Ansatz im Ringen um eine klimafreundlichere Schifffahrt.

Doch der Druck auf die Reedereien wächst, sich von ihren CO2-Schleudern auf See zu verabschieden. Zwar wird schon mit Alternativen zu den herkömmlichen Treibstoffen Schweröl und Marine-Diesel experimentiert. Vor allem Flüssigerdgas (LNG) und Methanol, aber auch Ammoniak sind im Gespräch. Mit voller Kraft voraus in Richtung grüne Schifffahrt geht es damit aber noch lange nicht.

Die Zeit drängt

Den Wandel bremst vielmehr ausgerechnet die Ungewissheit, welcher Öko-Treibstoff in ferner Zukunft einmal als Standard gelten und in ausreichender Menge überall vorhanden sein wird. Schließlich wollten die Reeder nicht auf den falschen Antrieb setzen für Schiffe, die üblicherweise eine wirtschaftliche Lebensdauer von etwa 25 Jahren haben, erklärt Schifffahrts-Analyst Christian Cohrs von Warburg Research. Die Dekarbonisierung der Branche sei also alles andere als trivial. "Die Schifffahrt steht vor einer Herkulesaufgabe."

Der Verkehr auf den Weltmeeren ist laut Umweltbundesamt für etwa 2,6 Prozent der ⁠CO2-Emissionen verantwortlich. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) verschärfte diesen Sommer ihre Ziele, nach denen der Seeverkehr nun "um das Jahr 2050 herum" klimaneutral werden soll. Auch wenn es vage klingt, zuvor war bis 2050 lediglich eine Halbierung des CO2-Ausstoßes im Vergleich zu 2008 angepeilt worden.

Doch die Zeit drängt - und längst sind es nicht mehr nur Umweltschützer oder Politiker, die die Reedereien zum Handeln auffordern. Auch deren Kunden unterliegen zunehmend Klimazielen und müssen ihre Waren von der Fabrik bis zum Verbraucher sauber befördern.

Mit WindWings nachgerüstete "Pyxis Ocean" der US-Reederei Cargill auf hoher See
Der US-Konzern Cargill spart mit der "Pyxis Ocean" bereits Treibstoff - durch Windantrieb Bild: CARGILL/REUTERS

Tempolimit auf hoher See?

Deutschlands größte Container-Reederei Hapag-Lloyd will bereits 2045 klimaneutral werden und experimentiert auch mit Segeln - allerdings vorerst nur als Konzeptstudie, mit Computersimulationen und Zweifeln, ob die Technik massentauglich wird. Längst werden Hapag-Lloyd-Schiffe aber mit neuen Bugen und Propellern auf mehr Effizienz getrimmt. Auch Tempolimits fürs Energiesparen auf See sind eine Option - wenn die Konkurrenz denn mitzieht.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht das langsamere Fahren zwar als wirksame Maßnahme. VDR-Präsidentin Gaby Bornheim schränkt jedoch ein: "Aber der Welthandel muss natürlich weiter fließen, denn wir tragen als Schifffahrt eine große Verantwortung für die Versorgung der Welt".

Doch Schiffs-Tuning und Entschleunigung reichen nach Einschätzung von Hapag-Lloyd ohnehin nicht, um die Ladung der weltweit fünftgrößten Reederei bis 2045 tatsächlich komplett grün zu verschiffen. Dies sei nur mit alternativen Treibstoffen möglich, betont Flottenchef Richard von Berlepsch. Der Traditionskonzern sehe sich Gas, Methanol und auch Ammoniak an. Keiner dieser Treibstoffe sei aber ideal, sagt der Kapitän, der als Manager für die mehr als 260 Container-Schiffe in der Konzernzentrale an der Hamburger Binnenalster das Kommando führt.

Ein Flettner-Rotor auf der "MS Viking Grace" in Finnland
Auch das ist eine Art Segel: Ein Flettner-Rotor nutzt Windkraft zum Antrieb der "MS Viking Grace"Bild: Roni Lehti/dpa/picture alliance

Schiffstreibstoff aus China

Nicht weit davon entfernt im Hamburger Hafen taufte First Lady Elke Büdenbender, die Frau des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, im Herbst die "Berlin Express". Es ist das erste von zwölf Großcontainerschiffen, die Hapag-Lloyd bis 2025 in den Dienst stellen will und die mit Dual-Fuel-Technik ausgerüstet sind. Sie können auch mit nicht-fossilen Brennstoffen und so nahezu ohne CO2-Emissionen betrieben werden. Vorerst wird allerdings LNG verwendet, das laut Hapag-Lloyd den CO2-Ausstoß um bis zu 25 Prozent reduzieren kann. Der weltweite Branchenprimus MSC will seine Flotte von derzeit fast 800 Schiffen mit 100 Dual-Fuel-Schiffen erneuern.

Der Branchenzweite Maersk setzt schon jetzt vor allem auf Methanol. Der dänische Konzern, der noch fünf Jahre vor Hapag-Lloyd CO2-neutral werden will, hat sich kürzlich den Treibstoff mit einem Großauftrag in China gesichert. Dort soll das Unternehmen Goldwind ab 2026 für Maersk so viel Methanol umweltfreundlich produzieren, dass die Hälfte der kürzlich von Maersk speziell für den Methanol-Antrieb bestellten 24 Container-Großfrachter damit fahren können.

Kreuzfahrtschiff "Aidacosma" im Hafen - es ist das zweite der Aida-Flotte mit Flüssiggasantrieb (LNG)
Immer mehr Kreuzfahrtreeder setzen auf LNG: Die "Aidacosma" ist das zweite Schiff der Aida-Flotte mit FlüssiggasantriebBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Methanol, Ammoniak oder Atom?

Mit der Entscheidung für den Industriealkohol Methanol repräsentiert Maersk einer internationalen Umfrage zufolge den aktuellen Trend: Während 2021 erst 13 Prozent der Reeder den Treibstoff für künftige Investitionen favorisierten, waren es dieses Jahr 46 Prozent. Die Befragung wurde von den Organisatoren der Schifffahrts-Leitmesse SMM ("Shipbuilding, Machinery and Marine Technology") in Auftrag gegeben, bei der im September in Hamburg alternative Treibstoffe eine wichtige Rolle spielen dürften. Bei der Umfrage verlor Flüssigerdgas mit 25 Prozent Zustimmung (2021: 35 Prozent) an Boden, während Ammoniak leicht von 14 auf 18 Prozent zulegen konnte.

Ammoniak ist zwar giftig, kommerziell einsetzbare Motoren dürften noch Jahre auf sich warten lassen. Die Stickstoffverbindung ist aber CO2-frei und vergleichsweise kostengünstig. Einigen in der Schifffahrtsbranche gilt der Stoff deshalb als eine Art Joker, den es noch genauer zu untersuchen gilt. Wasserstoff kommt nur auf kurzen Seewegen infrage. Die Aussicht auf Container-Schiffe mit Atomantrieb gilt in der Branche als Hype aus China. Doch zumindest in Deutschland würde dies angesichts des Atomausstiegs an Land wirken wie eine "Fahrt zurück in die Zukunft".