Die Lehren aus dem Jahrhundert-Hochwasser
21. Oktober 2013Katastrophenalarm in 56 deutschen Städten und Landkreisen in acht Bundesländern - allein diese Zahl macht deutlich, wie schlimm die Lage während des Hochwassers in diesem Frühsommer war. Zehntausende Feuerwehrleute, Soldaten und andere Hilfskräfte waren im Einsatz, die meisten davon ehrenamtlich. Es mussten Deiche gesichert, Sandsäcke ausgelegt, Stadtteile evakuiert, Straßen freigeräumt und Keller ausgepumpt werden. Außerdem kümmerten sich die Katastrophenschützer um die betroffenen Menschen: Sie organisierten Schlafplätze, Essen, Trinken und spendeten Trost.
Damit die Hilfe aber auch genau dort ankommt, wo sie gebraucht wird, muss sie gut koordiniert werden. Beim letzten großen Hochwasser im Sommer 2002 an Donau und Elbe wurde die Hilfe dezentral über Krisenstäbe in den Bundesländern oder sogar in einzelnen Gemeinden organisiert. Einige waren mit der Aufgabe überfordert, es gab Kompetenzstreitigkeiten und Probleme, die professionellen Helfer aus anderen Bundesländern sinnvoll einzusetzen.
Hochwasser-Einsatz war dieses Jahr besser koordiniert als 2002
Diese Probleme hat es nach Angaben der Hilfsorganisationen in diesem Jahr kaum gegeben. Die Koordinierung der Einsatzkräfte habe viel besser funktioniert, sagt der Präsident des Technischen Hilfswerkes (THW), Albrecht Broemme, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Maßgeblich dazu beigetragen hat offenbar, dass das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) des Bundes und der Länder die Planung übernommen hat.
Das GMLZ wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Hochwasser 2002 ins Leben gerufen. Bei Naturkatastrophen oder in anderen Krisensituationen sammelt es Informationen und gibt sie aufbereitet an die Helfer in den Krisengebieten weiter. Im Fall des Hochwassers wertete das Zentrum Luftbilder aus und machte Prognosen über Pegelstände. Im Idealfall wussten die Einsatzkräfte so, wann sie welche Gebäude evakuieren müssen. Das GMLZ kümmert sich auch, wenn bestimmte Ressourcen wie Sandsäcke oder Pumpen knapp werden.
2002 war das noch anders: Für den Einkauf und das Verteilen der Millionen von Sandsäcken war beispielsweise die Feuerwehr Nürnberg zuständig - eine eher zufällige Entscheidung. "Wenn jetzt solche Anforderungen kommen, die innerhalb eines Bundeslandes nicht erfüllt werden können, dann geht die Anforderung an das GMLZ", erklärt THW-Präsident Broemme. Das GMLZ frage zunächst innerhalb Deutschlands nach, wer Sandsäcke liefern könnte, und wenn die Sandsäcke aus Deutschland nicht reichen, werde die Suche auf Europa ausgeweitet. Die EU-Staaten haben ihre Zusammenarbeit beim Katastrophenschutz in den vergangenen Jahren verstärkt und einen EU-Zivilschutz-Mechanismus vereinbart.
Vom Hochwasser Betroffene bedankten sich bei Helfern
Abgesehen von der besseren Koordinierung, trägt vor allem die Solidarität von Bürgern und Helfern zu dem positiven Fazit der Hilfsorganisationen bei. "Die Dankbarkeit der Bürger vor Ort war unglaublich", erzählt Magnus Memmeler vom nordrhein-westfälischen Landesverband der Johanniter. "Als die Helfer wieder abfuhren, wurden Plakate mit Danksagungen an die Ortsschilder gehängt. Ältere Damen haben Kuchen gebacken, obwohl die Küche gerade erst wieder trocken war." Zudem hätten professionelle Helfer und Bürger bei diesem Hochwasser in besonderem Maß "Hand in Hand gearbeitet". Wichtig sei jedoch, dass auch diese Bürgerhilfe so abläuft, dass die Profis nicht in ihrer Arbeit behindert werden.
Memmeler und Broemme sehen das aber eher entspannt. Diese Art von Hilfe in irgendeiner Form behördlich zu organisieren erscheint nicht sinnvoll. Die Mitarbeit der Bürger lasse sich einfach nicht so einplanen und verwalten wie die Einsätze von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, THW , Bundeswehr und Polizei.
Katastrophenexperten wollen das Internet zukünftig mehr nutzen
Bei der Bürgerhilfe spielten soziale Netzwerke und Kurznachrichtendienste eine besondere Rolle. Mit ihrer Hilfe verbreiteten die Freiwilligen Spendenaufrufe und initiierten spontane Aktionen - wie etwa "Sandsack-Flashmobs". THW und Johanniter nutzen soziale Medien bereits, wollen aber dort noch aktiver werden. Denn über diese Wege kann relativ einfach und vor allem schnell übermittelt werden, wo welche Art von Hilfe gebraucht wird.