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Aus dem Ruhrpott in die Welt: Schläuche für alle Fälle

Klaus Deuse
20. Juli 2023

Masterflex aus Gelsenkirchen produziert Schläuche für fast alle Branchen. Von der Automobil- über die Lebensmittel- und Pharmaindustrie bis hin zu Hörgeräten. Grundlage für die Schlauch-Vielfalt: Hightech-Kunststoffe.

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Masterflex: Auszug Produktpalette, verschiedene Schläuche und Anschlüsse
Masterflex: Auszug Produktpalette, verschiedene Schläuche und AnschlüsseBild: Masterflex Group

Laut Lexikon handelt es sich bei diesen Produkten um "flexible Leitungen zur Förderung fester, flüssiger und gasförmiger Stoffe." Zum besseren Verständnis: bei diesen flexiblen Leitungen handelt es sich schlicht um Schläuche. Und davon gibt es eine wahre Vielfalt für unterschiedlichste Verwendungen. Schläuche werden in der Automobilindustrie ebenso benötigt wie in der Medizintechnik, der Lebensmittelindustrie sowie in der Luftfahrt, um nur einige Bereiche zu nennen.

Quer durch alle Branchen beliefert "Masterflex", ein international führender Hersteller von Spezial-Schläuchen mit Stammsitz in Gelsenkirchen, Kunden in aller Welt. Von großvolumigen Pre-Condition-Airschläuchen, die auf den Start wartende Flugzeuge mit kühlender Luft versorgen, bis zu dünnsten Schläuchen für Hirnkatheter bei Operationen.

Hightech von Anfang an

Dieser "Hidden Champion" aus dem Ruhrgebiet macht einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Das Unternehmen beschäftigt an fünf Standorten in Deutschland rund 600 Mitarbeiter, 150 davon am Stammsitz in Gelsenkirchen. Bei der Gründung im Jahr 1987 startete das Unternehmen mit einer ausgesprochen dünnen Personaldecke, sagt der Vorstandsvorsitzende Andreas Bastin, der 2007 bei Masterflex einstieg. "Soweit ich weiß, waren bei der Gründung drei Mitarbeiter direkt an Bord. Neben dem Geschäftsführer tatsächlich auch zwei erste Mitarbeiter."

Schon in den Anfangsjahren setzte man bei der Fertigung von Schläuchen nicht auf PVC, sondern auf Hightech-Polymere, da diese Kunststoffe auch hohen mechanischen Belastungen Stand hielten. Etwa im Hinblick auf den Reibungswiderstand, erläutert Andreas Bastin. "Die Schläuche wurden zum Beispiel in Reinigungsgeräten eingesetzt. Zum Absaugen von Schotter, aber auch von Staub, Beton oder Split, was man eben so auf der Straße findet."

Portraibtild Masterflex-Vorstand Andreas Bastin
"Diese Schläuche sind hoch komplex von ihrer Fertigungstechnik" sagt Masterflex-Vorstand Andreas BastinBild: Masterflex Group

Schläuche in allen Größen

Um es einmal mit einem Wortspiel auf den Punkt zu bringen: Ohne die unterschiedlichsten Schläuche würden Hersteller quer durch alle Branchen sprichwörtlich auf dem Schlauch stehen. Selbst Möbelhersteller benötigen Schläuche, um feine Stäube abzusaugen, die beim Zersägen von Brettern und der Holzbearbeitung entstehen. Und in der Pharmaindustrie sind sterile Schläuche für Produktionsprozesse unentbehrlich.

Zur Produktpalette von Masterflex gehören auch kleinste Formschläuche, die in Hörgeräten eingesetzt werden. Auch bei der Fertigung von Computerchips läuft nichts ohne Schläuche. Gerade Hightech-Kunststoffe, die sich mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften zu verschiedenen Einsatzzwecken verarbeiten lassen, liefern die Basis für die Schlauchvielfalt.

Gartenschlauch? Gibt's nicht!

Seinem Unternehmen, sagt Andreas Bastin, sei es gelungen, "mit den Polymeren, die wir verarbeiten beispielsweise im chemischen Bereich, im Temperaturbereich, im mechanischen und im Bioresistenzbereich Anforderungen zu erfüllen, die man mit Standardmaterialien nicht erreichen kann."

Nur ein Produkt sucht man bei Masterflex vergeblich: den klassischen Gartenschlauch. "Null-Acht-Fünfzehn-Meterware" zur Bewässerung von Gärten gehört nicht zum Programm. Dafür aber Schläuche, die Temperaturen von mehr als 1000 Grad Celsius aushalten.

Firmengebäude der Masterflex Group
Bei Masterflex werden alle möglichen Spezialschläuche hergestellt - aber Massenware für den Garten nichtBild: Masterflex Group

Von der Seele bis zur Decke       

Ein Schlauch besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: Zum einen aus der Seele. So heißt der Innenteil für die Durchleitung der zu transportierenden Stoffe tatsächlich. Weiterhin die Einlage, also den einzulegenden Materialien, die Druck oder Hitze aushalten, und schließlich der Decke, die den Schlauch ummantelt. Was die Festigkeit der Schläuche anlangt, so können die Mitarbeiter von Masterflex in Gelsenkirchen auf über 70 Gewebematerialien zurückgreifen. Von Hyperlon über Teflon hin zu Kevlar. Eben jenem Bestandteil von schusssicheren Westen.

In Deutschland betreibt die Masterflex Group fünf Produktionsstandorte. Neben Gelsenkirchen, Düsseldorf, Norderstedt und Wald-Michelbach auch eine Fertigungsstätte in Halberstadt, speziell für Glattschläuche. Hier, sagt Andreas Bastin, verfügt man auch über eine Rein-Raum-Fertigungstechnik, da in Halberstadt auch extrem dünne Schläuche für den medizinischen Bereich hergestellt werden. "Diese Schläuche sind hoch komplex von ihrer Fertigungstechnik. Da ist nicht nur ein Kanal, sondern da sind mehrere Kanäle drin. Zum Beispiel der, mit dem der Operateur mit einem Edelstahldraht den Schlauch durch den Körper führt."

"Messung geht nur in Kilometern"

Zwar lässt sich der Absatz von Schläuchen nicht in Stückzahlen messen, doch Marketingleiter Henning Mettge hat mal überschlägig errechnet, was längenmäßig allein am Standort Gelsenkirchen fabriziert wird: Herausgekommen sind dabei über 1.100 Kilometer Schlauch im Jahr. Neben den deutschen Produktionsstandorten betreibt die Masterflex Group auch eine Fertigungsstätte in Houston in den USA sowie im chinesischen Kunshan.

Nicht nur weil die Produkte international gefragt sind, sondern auch aus Kostengründen. Schließlich, so Andreas Bastin, besitzen industrielle Schläuche einen recht großen Durchmesser. "Und wenn Sie große Durchmesser in Schläuchen in Containern transportieren, dann transportieren Sie vor allen Dingen eins: Nämlich Luft!" Und das sei schlicht unwirtschaftlich sowie zudem keinesfalls nachhaltig.

Masterflex Group
Die Herstellung der Spezialschläuche verlangt Hingabe und Präzision - zwei der 600 Masterflex-MitarbeiterBild: Masterflex Group

Knackpunkt Energiekosten

Am Standort Deutschland dagegen bereiten Andreas Bastin die steigenden Produktionskosten zunehmend Kopfzerbrechen, denn als Energieträger arbeitet man vorwiegend mit Strom. Zwar sei man dabei, alle Werke mit Solaranlagen auszurüsten, doch damit erreiche man bei einem Stromverbrauch in der Masterflex Group von bis zu zehn Megawatt pro Jahr einen maximalen Autarkiegrad von 50 Prozent.

Aber auch nur dann, wenn die Sonne scheint. Also nicht zwischen Oktober und März. Insofern käme man womöglich nicht umhin, so Bastin, "wenn es nicht sehr kurzfristig Lösungen seitens der Politik gibt, darüber nachzudenken, Produktionen verstärkt ins Ausland zu verlagern." Um wirtschaftlich nicht selbst auf dem Schlauch zu stehen.