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Aufstieg der AfD - immer extremer

28. Juli 2023

Nach jahrelangem Flügelstreit hat sich die Partei Alternative für Deutschland etabliert - als radikale Kraft, die an die Macht will. Der anstehende Parteitag soll die Ambitionen festigen.

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Deutschland, Sonneberg | Robert Sesselmann mit Tino Chrupalla und Björn Höcke
Rechter Höhenflug - nach zwei prestigeträchtigen Wahlerfolgen in der Kommunalpolitik träumt die AfD-Spitze von der MachtBild: Jacob Schröter/IMAGO

Parteitage der in Teilen rechtsextremen AfD waren in der Vergangenheit immer wieder Spektakel. Auf offener Bühne haben die Mitglieder ihre eigenen Spitzenkräfte angefeindet, ausgebuht und ausgelacht. Und sie jagten ihre Vorsitzenden regelrecht vom Hof. Dabei hat sich die Partei stets wie eine Zwiebel gehäutet. Vermeintlich gemäßigtere national-konservative Kräfte wurden vertrieben - der radikale rechtsextreme Kern kam immer mehr zum Vorschein und baute seine Macht aus.

Dabei hat es die AfD geschafft, im Gespräch zu bleiben als radikale Partei der Fundamentalopposition, die gegen alle anderen deutschen Parteien steht. Sie drückte den großen Debatten damit regelmäßig ihren Stempel auf, so beispielsweise mit ihrer Ablehnung fast jeder Einwanderung und der Forderung nach Massenabschiebungen von Asylbewerbern.

"AfD - völkisch, nationalistisch, rechtsextrem"

Der aktuelle AfD-Parteitag, Ende Juli 2023 im ostdeutschen Magdeburg, steht für die Partei unter neuen Vorzeichen. Fulminante Machtkämpfe und Verwerfungen sind nicht zu erwarten. "Die Frage der politischen Ausrichtung der AfD ist intern geklärt", sagt der Soziologe und Rechtsextremismusexperte David Begrich vom Magdeburger Verein 'Miteinander e.V.' im DW-Gespräch. "Durchgesetzt hat sich der völkisch, nationalistische, rechtsextreme Flügel."

Die AfD-Fraktionsvorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel im Deutschen Bundestag
Die AfD-Doppelspitze Tino Chrupalla und Alice Weidel gelten als Kandidaten des rechtsextremen ParteiflügelsBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Und der ist selbstbewusster denn je: "Wir sind zurzeit die spannendste Rechtspartei Europas" kommentiert der einflussreiche AfD-Europapolitiker Maximilian Krah auf einer Diskussion im sachsen-anhaltinischen Schnellroda das Umfragehoch seiner Partei. Grund dafür sei die eigene Radikalität: "Weil überall der falsche Lehrsatz gilt: wenn man Prozente will muss man sich inhaltlich anpassen, man muss sich anbiedern. Und wir als AfD zeigen zurzeit, dass wir mit einem inhaltlich klaren Kurs diese Ergebnisse erzeugt haben."

Raus aus EU, Euro und Nato

Mit "klarem Kurs" meint die AfD eine radikale Ablehnung fast aller politischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte. Für den Parteitag in Magdeburg heißt es im Leitantrag der Parteispitze zur Europawahl im Jahr 2024, Deutschland müsse raus aus der EU, raus aus der Gemeinschaftswährung Euro, raus aus der Nato. Klimaschutzmaßnahmen und erneuerbare Energien werden bekämpft. Die Partei fordert eine "Festung Europa" gegen Einwanderer und gegen den Islam. Der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung wird abgelehnt. Ebenso die Aufarbeitung der brutalen deutschen Kolonialgeschichte, so sieht es der Leitantrag zum Wahlprogramm vor: "Die Schuld- und Schamkultur, wie sie die postkolonialistische Ideologie in ganz Europa etablieren will, wird den historischen Tatsachen nicht gerecht. Wir lehnen sie deshalb ab."

Portraitaufnahme Hannes Gnauck
Rechtsextremer Bundestagsabgeordneter: AfD-Politiker und Soldat a.D. Hannes Gnauck darf wegen fehlender Verfassungstreue keine Bundeswehruniform mehr tragenBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Dabei macht die AfD immer offener gemeinsame Sache mit rechtsextremen Personen und Gruppierungen. Auch positive Bezüge zu Neonazismus, zu Adolf Hitler und zur mörderischen Zeit des Nationalsozialismus hatten für wichtige Funktionäre so gut wie keine Konsequenzen. "Die AfD handelt in Bezug auf ihre Verbindungen zu rechtsextremen Vereinen und Personen nach dem Motto: Wenn wir mit der Hand in der Süßigkeitentüte erwischt werden, dann sagen wir: "Wir wollten gar keine Süßigkeiten nehme", so Rechtsextremismusexperte Begrich. "Und wenn sie nicht erwischt werden, stopfen sie sich die Schokolade weiter in den Mund."

Offene Sympathien für Putin

Auch wenn die Partei sich in ihrer Radikalität immer einiger geworden ist, verschwunden sind die Spaltungslinien in der AfD aber trotzdem noch nicht. Das zeigt zum Beispiel die Russlandpolitik, sagt David Begrich vom Verein Miteinander e.V.: "In den ostdeutschen Teilen wird hinter vorgehaltener Hand, aber teilweise auch offen, mit Russlands Gesellschaftspolitik sympathisiert und sogar auch mit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das sieht in den westdeutschen Landesverbänden ganz anders aus."

Präsident Putin bei Militärparade am 9. Mai 2023 in Moskau
Autoritär und anti-emanzipatorisch: Russlands Präsident Wladimir Putin ist ein Idol vieler politisch RechterBild: Anton Novoderezhkin/Sputnik/Kremlin Pool/AP/picture alliance

Vor dem wichtigen deutschen Wahljahr 2024 scheint die AfD auf Erfolgskurs. In Meinungsumfragen schneidet sie mit rund 20 Prozent Wählerzustimmung besser ab als die Sozialdemokraten mit Bundeskanzler Olaf Scholz und die anderen Regierungsparteien Grüne und FDP. Begrich geht davon aus, dass der Einfluss der AfD zunimmt: "Wir werden sicher erleben, dass die AfD ihre Position in den kommenden Kommunalwahlen wird ausbauen können. Das heißt, die Partei wächst jetzt von unten nach."

Forderung nach homogener Gesellschaft

Für das politische System in Deutschland ist das eine Herausforderung. Denn Verfassungsschützer und Rechtsextremismusexperten warnen seit Jahren vor antidemokratische und menschenfeindlichen Tendenzen in der AfD. Vor allem wegen ihrer Definition vom 'Deutschsein'. Für die AfD ist der deutsche Pass kein Beleg dafür wer Deutscher ist. Sie propagiert ein ethnisch-kulturell geprägtes Volksverständnis. Und überzieht Einwanderer immer wieder mit rassistischen Schmähungen und Abschiebungsphantasien.

Damit verstößt sie gegen einen der wichtigsten Grundsätze der deutschen Verfassung und eine der großen Lehren aus der gewaltvollen deutschen Geschichte: dass kein Deutscher wegen seiner Herkunft, seiner Religion oder seiner Kultur benachteiligt werden darf.

Die politische Konkurrenz hat bislang noch keinen konsequenten Umgang mit der AfD gefunden. Vor allem die Christdemokraten und ihr Parteichef Friedrich Merz ringen um einen klaren Kus. Einerseits will die CDU von der Rechtsaußen-Partei Wähler zurückgewinnen. Dabei gibt es auf kommunaler Ebene zahlreiche Verbindungen und Überschneidungen. Andererseits hatte der Parteichef markig eine Brandmauer zur AfD versprochen. Der andauernde Schlingerkurs hat bislang nur einer Partei genützt, meint David Begrich: der AfD. "Die Diskussion in Deutschland zur AfD läuft so schief wie nur irgendwas."

Deutsche Welle Pfeifer Hans Portrait
Hans Pfeifer Autor und Reporter