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Merkel aus Urlaub zurück

Peter Stützle13. August 2012

Angela Merkel ist aus dem Urlaub zurück, und die Euro-Krise ist jetzt nur eines der Probleme, die auf die Kanzlerin warten. Aber sie wird nichts überstürzen. Die ersten Termine im Ausland stehen schon an.

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Bundeskanzleramt bei Nacht. Foto: DPA
Bild: picture-alliance/dpa

Kanada ist in den vergangenen Jahren ein beliebtes Urlaubsziel der Deutschen geworden. Angela Merkel bevorzugt nähergelegene Ferienorte. Wenige Tage nach dem Wanderurlaub in Südtirol aber wird die Bundeskanzlerin am Donnerstag (16.08.2012) in die kanadische Hauptstadt Ottawa fliegen. Zu einer Dienstreise zwar, aber wohl zu einer entspannten. Die Beziehung zu dem NATO-Verbündeten ist traditionell problemlos; Kanadas politische Kultur ist der europäischen ähnlicher als die des nordamerikanischen Nachbarn USA.

Die Kanada-Reise kann man als Zeichen sehen, dass sich Merkel nicht ganz von der Euro-Krise vereinnahmen lässt. Ohnehin kann sie in dieser derzeit größten Schicksalsfrage im Moment nicht viel tun. Deutschland, der Rest Europas und die Finanzmärkte der Welt müssen warten, auf das Bundesverfassungsgericht und auf die sogenannte Troika.

Mitte September wird es ernst

Das Bundesverfassungsgericht will am 12. September verkünden, ob der permanente Euro-Rettungsfonds ESM sowie der europäische Fiskalpakt mit dem deutschen Grundgesetz in Einklang steht. Sollten die Karlsruher Richter nein sagen, hätte Europa ein Riesenproblem, und Angela Merkel vorneweg.

Die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds prüft derweil, ob Griechenland die Voraussetzungen für eine weitere Hilfszahlung erfüllt. Sie will das Ergebnis frühestens Mitte September verkünden. Sollte die Troika nein sagen, hätte Europa ebenfalls ein ganz großes Problem.

Verfassungsrichter in Robe ziehen in den Gerichtssaal ein. Source News Feed: EMEA Picture Service ,Germany Picture Service President of the German Constitutional Court Andreas Vosskuhle (2nd L) speaks during the hearing on the European Stability Mechanism (ESM) and the fiscal pact in Karlsruhe July 10, 2012. Germany's top court will address on Tuesday whether Europe's new bailout scheme and budget rules are compatible with national law in a process influencing not just how to tackle the euro zone debt crisis, but how much deeper European integration can go. REUTERS/Alex Domanski (GERMANY - Tags: POLITICS BUSINESS)
Wie werden sie entscheiden? Verfassungsrichter in KarlsruheBild: Reuters

Aber die Kanzlerin ist trotz allem guter Dinge, das jedenfalls versicherte Regierungssprecher Steffen Seibert gleich an ihrem ersten Arbeitstag. Es gehe Merkel wie anderen Urlaubsheimkehrern, die den veränderten Tagesablauf genossen haben, aber dann mit Vorfreude auf die Arbeit zurückkommen. "Da ist jetzt viel Tatkraft, viel Energie, so werden Sie sie in den nächsten Tagen und Wochen erleben", kündige Seibert an.

Viel Arbeit wartet

Sie wird Tatkraft und Energie brauchen können. Die deutschen Medien listen in diesen Tagen auf, was neben der Euro-Krise noch alles auf die Kanzlerin wartet. Die Süddeutsche Zeitung nennt als Streitthemen in Merkels Koalition: das Betreuungsgeld für Eltern von Kleinkindern, die Zuschussrente für Geringverdiener, die Umsetzung der Energiewende, die Entscheidung über ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD, die Vorratsdatenspeicherung in der Telekommunikation zur Kriminalitätsbekämpfung, das vom Verfassungsgericht verlangte neue Wahlgesetz, die Beibehaltung oder Abschaffung der Praxisgebühr für Arztbesuche und die steuerliche Gleichbehandlung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Dazu kommt das zwischen Bundesregierung und Bundesländern umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz und noch manches mehr.

Allerdings war die gerade zu Ende gegangene bereits die siebte Sommerpause Merkels als Bundeskanzlerin, und in früheren Sommerpausen war es nicht anders. Manch ein Politiker nutzt die nachrichtenarme Zeit, um ein Thema zu setzen. So wie zuletzt Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrem Vorstoß für die Zuschussrente, der prompt Widerspruch beim liberalen Koalitionspartner und beim Wirtschaftsflügel der eigenen Partei hervorrief. Zudem bemühen sich alle Medien den Sommer über, mit Politiker-Interviews Seiten und Sendezeiten zu füllen, und entlocken ihren Gesprächspartnern dabei immer wieder brisante Aussagen. Ist die Chefin dann zurück, muss daraus eine gemeinsame Linie entwickelt werden, und früher oder später gelingt das meistens auch.

Von der Leyen bei einer Rede. Foto: Berthold Stadler/dapd
Vorstoß im Sommerloch: Ursula von der LeyenBild: dapd

Die drei mit der K-Frage

Die jeweils vorletzte Sommerpause vor einer Bundestagswahl hat noch eine Besonderheit, die dem jeweiligen Regierungschef zugute kommt. Eine Journalistin der Süddeutschen Zeitung gab ihr vor vielen Jahren den griffigen Namen  "K-Frage". Es ist die Diskussion darüber, welcher Oppositionspolitiker der beste Kandidat wäre, um den Kanzler oder die Kanzlerin herauszufordern. Jede Äußerung eines der K-Anwärter wird dann als Versuch gewertet, sich in der K-Frage in eine bessere Position zu bringen. So ergeht es derzeit den drei potentiellen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück.

Zu allem Überfluss hat sich nun auch noch der frischgewählte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Torsten Albig, öffentlich für Steinmeier als Kanzlerkandidat ausgesprochen. SPD- Generalsekretärin Andrea Nahles, Urlaubs-Heimkehrerin wie Merkel, erklärte dazu nach einer Telefonkonferenz des Parteipräsidiums, "dass diese Form der Nabelschau vor allem Frau Merkel hilft und deswegen umgehend beendet werden muss."

Steinbrück, Gabriel und Steinmeier vor einer Wand mit SPD-Schriftzug. REUTERS/Fabian Bimmer (GERMANY - Tags: POLITICS ELECTIONS)
Wer fordert Merkel heraus? Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank Walter Steinmeier (von links nach rechts)Bild: Reuters

Auch die Grünen tun der Kanzlerin und den Regierungsparteien den Gefallen, öffentlich über ihre Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu diskutieren. So etwas gehört schließlich zu einer Demokratie, genauso wie Meinungsverschiedenheiten in einer Koalition. Und es trägt vielleicht dazu bei, dass sich Angela Merkel freut, wieder an ihrem Schreibtisch im Kanzleramt zu sitzen und mitzumischen.