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Auf gepacktem Rucksack

Tania Krämer11. Oktober 2015

Täglich machen sich Flüchtlinge aus Jordanien auf den Weg nach Europa. Viele Syrer haben in dem Nachbarland Zuflucht gefunden. Doch sie sehen keine Perspektive mehr in der Region. Von Tania Krämer, Amman.

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Flüchtlingslager (Foto: Getty Images/AFP/K. Mazraawi)
Bild: Getty Images/AFP/K. Mazraawi

Morgens um fünf steht Manar müde vor der syrischen Botschaft in Amman. Der 17-Jährige braucht einen neuen Reisepass, um aus Jordanien ausreisen zu können. Manar will nach Europa, wie so viele junge Flüchtlinge. "Man muss lange anstehen, deshalb komme ich so früh. Ich will in die Türkei, und von dort weiter nach Griechenland", sagt der junge Mann und lächelt schüchtern. Dann geht es mit dem Taxi zurück nach Irbid im Norden Jordaniens, wo er mit seiner Mutter und den drei jüngeren Brüdern lebt.

Auf der fast zweistündigen Autofahrt erzählt er vom Krieg und der Flucht aus seiner Heimat Daraa im Süden von Syrien. 2012 floh er mit der Familie über die Grenze nach Jordanien. Erst waren sie im Flüchtlingslager Zaatari untergebracht. Jetzt wohnt die Familie in einer Mietwohnung in Irbid. Der Vater arbeitet in Kuwait und unterstützt die Familie, aber es reicht einfach nicht. Manar hat in Jordanien die Schule beenden können und arbeitet jetzt in Aushilfsjobs. Flüchtlinge wie er haben keine Arbeitserlaubnis.

"Ich habe das Gefühl, hier sind alle Türen verschlossen. Und ich will für meine kleinen Brüder eine Zukunft schaffen. In Jordanien geht das nicht", sagt Manar und klingt dabei ganz erwachsen. Er will die riskante Route mit einem Schlauchboot über das Mittelmeer in Kauf nehmen, um von der Türkei nach Europa zu kommen.

Registrierungsstelle für Flüchtlinge (Foto: DW/T. Krämer)
Das UNHCR in Amman registriert Flüchtlinge aus Konfliktgebieten der RegionBild: DW/T. Krämer

Kaum mehr Hilfe für Flüchtlinge

Vor allem seit das Welternährungsprogramm die Hilfe gekürzt hat und keine Lebensmittelcoupons mehr ausgibt, sei die Situation für viele Familien eng geworden, sagt Manars Onkel Abu Mohammed (Name von der Redaktion geändert). "Es ist, als ob die meisten erst jetzt verstünden, dass der Krieg noch lange dauern kann." Er liebe sein Land, fügt er hinzu. Aber nach drei Jahren Flüchtlingsdasein seien die Menschen einfach müde. "Alle hier sprechen darüber. Und viele denken darüber nach, ihre Kinder nach Europa gehen zu lassen, damit sie sich wenigstens so etwas wie eine Zukunft aufbauen können." Auch zwei seiner Söhne sind über die gefährliche Mittelmeerroute nach Deutschland geflohen. Sie sind jetzt in einem Aufnahmelager bei München.

Das kleine Jordanien ist in den vergangenen Jahren für viele tausend Menschen aus den Kriegsgebieten im Irak, dem Jemen und Syrien zum Zufluchtsort und mittlerweile auch zum Transitland geworden. Rund 630.000 syrische Flüchtlinge hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) offiziell in Jordanien registriert, die jordanische Regierung spricht von 1,4 Millionen Syrern, die seit 2011 hier Zuflucht gesucht haben.

Viele spielen jetzt mit dem Gedanken, das Land wieder zu verlassen. Einige gehen sogar zurück ins Bürgerkriegsland. Nach UN-Angaben haben das allein im August mehr als 3500 Syrer getan. Etliche davon, so wird vermutet, nehmen den Weg auf sich, um dann über Land weiter in die Türkei zu ziehen. Denn nicht jeder kann sich ein Flugticket von Amman nach Istanbul leisten.

Flüchtlinge in einem Boot (Foto: DW/K. Zurutuza)
Ziel: Europa, am besten DeutschlandBild: DW/K. Zurutuza

Leben als Flüchtling in Jordanien zunehmend schwierig

Auch Manar hat das Geld für die Reise noch nicht zusammen. In der Zwischenzeit verfolgen er und sein Onkel die neuesten Nachrichten. Über soziale Netzwerke tauscht man sich über Wege nach Europa aus und hält Kontakt mit Zuhause. Manar kann sich noch nicht vorstellen, wie ein Leben in Deutschland aussehen würde. "Ich weiß, dass es nicht einfach sein wird. Aber meine Cousins dort haben erzählt, dass man die Menschen respektiert und ihnen eine Chance gibt."

Er hofft, in Deutschland studieren zu können, am liebsten Bauingenieurwesen. Dafür muss er aber erst mal Deutsch lernen. Eine Liste deutscher Wörter mit arabischer Übersetzung hat er sich bereits auf sein Handy geladen. Sein Onkel unterstützt ihn, wo er kann, aber er will auch realistisch bleiben. "Jeder spricht hier von 'Mama Merkel' und ist dankbar, dass Deutschland Flüchtlinge aufnimmt", sagt Abu Mohammed. Aber er würde sich mehr Aufklärung wünschen, was die Flüchtlinge in Europa erwarte. "Viele haben einfach ganz falsche Vorstellungen, was dort auf sie zukommt. Aber wahrscheinlich würden sie trotzdem das Risiko auf sich nehmen, der Druck ist einfach zu groß", erzählt er.

"Ich hoffe, alles geht gut"

Seine Sachen hat Manar schon gepackt: eine Jeans, ein frisches Hemd, einen Schlafanzug, ein Ladekabel, ein Handtuch und Seife - alles, was in seinen kleinen Rucksack passt. "Hauptsache, es ist leicht, ich muss das ja tagelang tragen", sagt er. Erfahrung damit hat er schon, auch aus Syrien ist er nur mit einem kleinen Rucksack geflohen. Das Wichtigste: sein Handy - darauf hat er Fotos von Familie und Freunden gespeichert.

Ganz wohl ist Manar nicht, jetzt, wo es langsam ernst wird und der Abschied naht. "Das erste Mal mussten wir mitten in der Nacht aus Syrien fliehen. Das war schon schwierig genug. Und jetzt muss ich wieder los. Ich hätte mir das nie vorgestellt, dass ich einmal gezwungen sein würde, meine Familie und Freunde zu verlassen und kein Zuhause mehr zu haben" sagt der 17-Jährige nachdenklich. "Aber ich hoffe, es wird alles gut gehen", fügt er leise hinzu.