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Dem 'Kofferbomber von Köln' auf der Spur

Richard A. Fuchs11. April 2007

In Beirut war Prozessauftakt im Fall des so genannten 'Kofferbombers von Köln' Jihad Hamad. Richard Fuchs ist noch einmal dorthin zurück, wo Hamad seine Kofferbombe gebastelt haben soll: Köln-Ehrenfeld.

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Jihad Hamads Wohnung in Köln-Ehrenfeld. Ein Terroristenversteck?Bild: AP

Es ist kurz vor vier Uhr nachmittags: Ich stehe vor dem Haus, in dem für zwei Monate ein Terrorist an seiner Bombe gearbeitet haben soll. In Geheimdienst-Manier blicke ich um mich. Dann schaue ich mir das mitgebrachte Bild von Jihad Hamad an. Der 21-jährige Libanese hat auf dem Fahndungsbild schwarze geschorene Haare. Er macht mir keine Angst.

Terror Deutschland Kofferbomber Dschihad Hamad
Jihad Hamad, 21-jähriger LibaneseBild: AP

Sympathisch wirkt er allerdings auch nicht. 83 Türschilder sehe ich an der Sprechanlage des Betonbaus, vor dem ich stehe. Der orange-farbene Türgriff ist abgegriffen, vielleicht durch die vielen Besuche von Journalisten, denke ich. Gegenüber Hamads Versteck liegt ein Altenzentrum. Die ganze Straße wirkt etwas ergraut.

Wo kommt die Festplatte her?

Ich versuche mir vorzustellen, wie drei Wochen nach dem gescheiterten Terroranschlag an dieser Stelle Heerscharen von Beamten des Bundeskriminalamtes das Gebäude umzingelten. Schwierig. Das Einzige was ich sehe ist ein Holzschild im Blumenbeet: "Dies ist kein Hundeklo". Von Werkzeugen, Propangasflaschen und Zündvorrichtungen zum Bombenbau finde ich heute natürlich keine Spur. Ich wundere mich, woher die Kollegen von der "Süddeutschen Zeitung" wussten, dass hier unterm Dach auch eine Computerfestplatte mit Bauanleitungen für Sprengsätze versteckt war. Mich führt niemand in die angebliche Wohnung von Hamad.

The One that got Away
Beamte des Bundeskriminalamtes umzingeln ab dem 23. August 2006 das Haus.Bild: PA/dpa

Von der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe, die den Fall juristisch begleitet, kann die SZ ihre Informationen wohl nicht haben. Dort ist man sehr höflich, aber wenig auskunftsfreudig. Man habe auch keinen Berichterstatter zum Hamad-Prozess nach Beirut geschickt. Es ist das Einzige, womit Pressesprecher Frank Walentta herausrückt.

Mit dem Schwenkkran gegen Terroristen

Enttäuscht, dass mein geschultes Auge nicht selbst mutmaßliche Terroristen wie Hamad an ihren Wohnungen erkennt, wende ich mich ab. Ein Hausmitbewohner läuft mir in die Arme. "Ich kann mir schon denken warum sie da sind", sagt der graumelierte End-Dreißiger. Seine Stirn faltet sich. Über Wochen hätten Leute wie ich seine Wohnung belagert. Da seien die Beamten vom Bundeskriminalamt geradezu unauffällig gewesen. "Sogar mit Schwenkkranen sind sie vor meinem Fenster herumgefahren", erzählt er. Seine Brille rutscht etwas. Mediengeschult nimmt er meine Frage vorweg: "Nein, ich habe ihn nie gesehen", sagt er. Die Namen der anderen Mieter kenne man ohnehin nur vom Klingelschild.

Es ist kurz vor fünf Uhr. Die Kölner Ausgabe der "Bild" hatte am 23. August 2006 getitelt, der mutmaßliche Terrorist habe in einer örtlichen Moschee gebetet. Ich gehe zu meiner zweiten Station in Köln-Ehrenfeld, zwei Autominuten vom Terroristenversteck entfernt. Das Gemeindezentrum der türkisch-islamischen Union, DITIB, liegt an einer Hauptverkehrsachse des Stadtteils. Der weitläufige Innenhof soll früher einmal als Arzneimittelfabrik gedient haben, lese ich auf meinen Zetteln. Hier soll also ein Terrorist gebetet haben.

Kein Platz für Hornochsen

Höflich werde ich daran erinnert, dass ich beim Eintritt in die Gebetsräume vergessen habe, die Schuhe auszuziehen. Ich bleibe am Eingang stehen. Gemeindesprecher Mehmet Yildirim ist gerade auf einer muslimischen Feier in der Köln-Arena. Schade. Am Hoftor mit eingelassenem Halbmond gerate ich mit zwei DITIB-Mitgliedern ins Gespräch. Seit dem Fall Hamad gebe es einen Generalverdacht gegen die Gemeinde, sagt der Mann mit der schwarzen Lederjacke. Das sei kaum auszuhalten. Wer hier herkomme, der suche Gott. Ob unter den Gemeindemitgliedern auch einmal so ein "schwachsinniger Hornochse" gewesen sei, der Bomben lege, wisse er nicht. Das stehe auf keiner Stirn geschrieben, endet der Mann und zieht den Reißverschluss hoch.

Pressekonferenz der muslimischen Verbände gegen Terror und Gewalt
Nach den versuchten Kofferbomben-Attentaten in zwei Regionalbahnen haben sich 16 muslimische Verbände in einer Erklärung gegen Gewalt und Terror im Namen des Islam ausgesprochen. Auch der DITIB-Vorstand ist dabei.Bild: picture-alliance/dpa

Es ist 18.30 Uhr. Ich setze darauf, vom Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld Josef Wirges mehr zu erfahren. Auf dem Weg in das Büro des SPD-Mannes passiere ich zahllose Handy-Läden und Döner-Buden. Seit dem Fall Hamad hetze "pro Köln", eine vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Fraktion im Kölner Stadtrat, noch aggressiver gegen das DITIB-Gemeindezentrum, sagt Wirges. Hamad und der geplante Ausbau der Gemeinde zu einer Moschee seien ein Glücksfall für die rechte Propaganda gewesen.

Mit der neuen Moschee gegen selbsternannte Kalifen

Wirges dagegen bleibt Befürworter des Moschee-Ausbaus. Ihm ist noch gut in Erinnerung, dass der selbsternannte "Kalif von Köln" Metin Kaplan in seinem Stadtteil zum viel gehörten Hassprediger aufsteigen konnte. In illegalen Hinterhof-Gemeinden, wie er sagt. Eine öffentliche Gebetsstätte, in der auch Deutsch gepredigt werde, hält Wirges daher für unverzichtbar. Gemeinsam mit der türkischen Gemeinde DITIB will er Anfang Mai den Bürgern Ehrenfelds die Baupläne präsentieren. Dagegen wettert "pro Köln" mit einem Bürgerentscheid, auf dem nach Angaben von "pro Köln" schon rund 21.000 Bürger unterschrieben haben sollen. Auch Droh-Emails bekommt Wirges inzwischen. Eine mit Pseudonym unterschriebene Email auf dem Konferenztisch droht mit Auswanderung.

Es ist 20 Uhr geworden. In wenigen Stunden soll im Libanon die Verhandlung gegen Jihad Hamad beginnen. In Köln-Ehrenfeld interessiert das niemanden mehr.