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Athen setzt auf Europaparlament

Jannis Papadimitriou, Athen 1. April 2016

Eine Arbeitsgruppe im Straßburger Parlament will das griechische Reformprogramm aktiv begleiten. Ein Vorteil für Griechenland, gerade in Zeiten der Flüchtlingskrise? Jannis Papadimitriou berichtet aus Athen.

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Eine griechische Fahne und eine Fahne der EU (Foto: Reuter)
Bild: Reuters/Y. Herman

Linkspremier Alexis Tsipras hatte sich diesen Schritt schon länger gewünscht: Bereits im Sommer 2015 forderte er den Beitritt des EU-Parlaments zum Gläubiger-Quartett aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Euro-Schutzschirm ESM. Er halte es für politisch notwendig, dass sich "die einzige europäische Institution mit direktem Mandat" an der Überwachung des griechischen Reformprogramms beteilige.

Sein offensichtliches Kalkül: Die Volksvertreter würden ihre Stimme gegen allzu strenge Sparvorgaben erheben und eine Art Kontrolle über die Kontrolleure ausüben. Dass sie nicht auf einer Stufe mit den Gläubigern Griechenlands stehen, war allen Beteiligten klar. Immerhin bildete sich Anfang 2016 im Europaparlament eine Arbeitsgruppe für Griechenland namens "Financial Assistance Working Group" (FAWG). Mit dabei sind sämtliche Mitglieder des Wirtschaftsausschusses (ECON) aus allen Fraktionen unter Führung des italienischen Sozialdemokraten Roberto Gualtieri.

In dieser Woche waren die Abgeordneten erstmals auf Untersuchungsmission in Athen. Auf einer Pressekonferenz äußerte sich Gualtieri durchaus positiv über die griechischen Reformbemühungen. Ob die Rechnung von Tsipras damit aufgeht? Für den Linksabgeordneten und EP-Vizepräsidenten Dimitris Papadimoulis steht jedenfalls fest: "Das EU-Parlament agiert als ehrlicher Makler und Kontrolleur, wenn auch nicht als wichtigster Akteur in diesen Verhandlungen. Ich glaube, unsere Mission in Athen wird dazu beitragen, dass die laufende Überprüfung griechischer Reformschritte erfolgreich abgeschlossen wird."

Der deutsche EU-Abgeordnete Burkhard Balz (CDU), der ebenfalls an der Griechenland-Mission teilnimmt, gibt zu bedenken: "Die Parlamentarier nehmen keinen direkten Einfluss auf die Verhandlungen und haben lediglich den Auftrag, den Reformprozess in einem Land zu begleiten, das EU-Hilfen bekommt." Entscheidungen würden von anderen Institutionen sowie von den EU-Mitgliedsstaaten getroffen.

Rentnerinnen in Griechenland (Foto: Reuters)
Einer der Knackpunkte: Die Rentenreform in GriechenlandBild: Reuters/A. Avramidis

Hoffen auf Einigung mit den Gläubigern

In einem Punkt sind sich der CDU-Politiker und der linke Papadimoulis immerhin einig: Die Überprüfung griechischer Reformfortschritte durch die Geldgeber soll möglichst schnell fortgesetzt werden. Als Knackpunkte gelten derzeit eine umfassende Renten- und Steuerreform sowie die Errichtung eines Privatisierungsfonds.

Von einem positiven Befund der Geldgeber hängt die Auszahlung der nächsten Kredittranche ab - und vielleicht sogar noch viel mehr, glaubt Papadimoulis: Ein Durchbruch diene als Sprungbrett, damit Griechenlands Wirtschaft die langjährige Rezession hinter sich lasse. Nach einer Einigung mit den Gläubigern gehöre zudem die Verringerung der griechischen Schuldenlast auf die Tagesordnung der EU, mahnt der Linkspolitiker.

Laut Vereinbarung hätte die Überprüfung der griechischen Reformvorhaben bereits im vergangenen Herbst stattfinden sollen. Wegen der schwierigen innenpolitischen Lage kam es jedoch zu deutlichen Verzögerungen. Nun stellt Finanzminister Euklid Tsakalotos einen Durchbruch bis Mitte April in Aussicht. Auf seiner Pressekonferenz in Athen sprach der EP-Delegationschef Gualtieri von deutlichen Reformfortschritten und lobte nicht zuletzt die in Aussicht gestellte "ambitionierte" Rentenreform. Einsparpotenzial gibt es seiner Ansicht nach im Athener Verteidigungsetat. Auch bei der Liberalisierung des Energiemarktes bestehe noch Handlungsbedarf. Die Vereinbarungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern müssten jedenfalls umgesetzt werden, mahnte Gualtieri.

Knackpunkt Flüchtlingskrise

In Athen wird laut darüber nachgedacht, ob die Gläubiger dem ohnehin angeschlagenen Griechenland wegen der Flüchtlingskrise entgegenkommen und etwa mehr Zeit bei der Erreichung der Reformziele gewähren sollen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat dies bereits vorgeschlagen.

Vizepräsident Papadimoulis will sichtlich den Eindruck vermeiden, Athen betreibe einen Kuhhandel. "Die griechische Regierung sagt nicht: Komm mir bei der Rentenreform, dann komme ich dir bei der Flüchtlingskrise entgegen", sagt der Linkspolitiker. Und er fügt gleich hinzu: "Andererseits stelle ich fest, dass alle EU-Institutionen die wirtschaftlichen Belastungen durch die Flüchtlingskrise zur Kenntnis nehmen, und ich denke schon, dass die hierfür nötigen Ausgaben, wenn auch im Nachhinein, mit berücksichtigt werden." Seine Gespräche in Athen hätten diesen Eindruck gefestigt, berichtet Papadimoulis.

Burkhard Balz äußert zwar Verständnis für griechische Hilfsanliegen, plädiert jedoch auch für eine klare Trennung zwischen Finanz- und Flüchtlingskrise: Er würde die beiden nicht in einen Zusammenhang stellen, erklärt der CDU-Politiker. Klar sei aber, dass die EU Griechenland bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise helfen müsse - "sehr konkret, mit Geld und Personal".