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"Aserbaidschan könnte sich in eine Hölle verwandeln"

16. Dezember 2003

– Vorsitzender des islamischen Komitees Russlands zur möglichen Einführung der Visa-Pflicht zwischen beiden Staaten

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Moskau, 15.12.2003, NOWYJE ISWESTIJA, russ., Mechman Gafarly

Frage:

Herr Dschemal, wer wird infolge der Einführung der Visa-Pflicht zwischen Russland und Aserbaidschan leiden?

Antwort:

Natürlich Aserbaidschan. Es ist kein Geheimnis, dass die Gelder, die die aserbaidschanische Diaspora in Russland verdient, einen wesentlichen Teil des finanziellen Umlaufs Aserbaidschans darstellen. Es ist kein Geheimnis, dass mindestens 2 Millionen Aserbaidschaner vorübergehend in Russland leben und hier ihr Geld verdienen. Sie überweisen jährlich mindestens 2 Milliarden Dollar in ihre Heimat. Aserbaidschan ist es gelungen, seine Diaspora, nicht nur die in Russland, zu einem Bestandteil der Wirtschaft des Landes zu machen.

Die wichtigste Errungenschaft des Regimes von Hejdar Alijew ist die reale Souveränität Aserbaidschans. Er führte eine ausgewogene Außenpolitik durch, berücksichtigte die Interessen aller Großmächte. Sollte dieses Gleichgewicht jetzt verletzt werden, so wird das zu schweren Folgen im Südkaukasus führen. Sollten die Amerikaner nach Aserbaidschan kommen, um das Land als Aufmarschgebiet für den Angriff auf den Iran zu nutzen, so wird das praktisch das Ende der Souveränität Aserbaidschans bedeuten, das Ende der normalen Existenz des aserbaidschanischen Volkes. Das Land geht die Gefahr ein, in ein Frontgebiet verwandelt zu werden mit allem, was daraus folgt. Russland könnte darauf mit der Verhängung der Visa-Pflicht für Aserbaidschan reagieren, was ja auch gerechtfertigt wäre.

Frage:

Worin wird konkret die Gefahr für die Souveränität Aserbaidschans bestehen?

Antwort:

Aserbaidschan wird sich in erster Linie in ein amerikanisches Aufmarschgebiet gegen den Iran verwandeln. Das wird dazu führen, dass der Krieg sich nicht nur Aserbaidschan, sondern auch Russland nähern wird. Das Auftauchen amerikanischer Militärbasen in Aserbaidschan ist ein Kriegsakt gegen dessen Nachbarn. In erster Linie gegen den Iran. Gegenmaßnahmen dieses Landes werden nicht auf sich warten lassen. Es ist kein Geheimnis, dass in Aserbaidschan die separatistischen Stimmungen sehr stark sind. In dieser Hinsicht sind die Bewegungen der Lesghinen und der Talyschen besonders ernst zu nehmen. Sollten US-Stützpunkte auf aserbaidschanischem Territorium auftauchen, so werden sowohl Russland als auch der Iran alles tun, damit den Amerikanern das Leben in dieser Region nicht süß vorkommt. Ich kann eindeutig sagen: der Iran wird im Unterschied zum Irak einen richtigen Krieg führen. Und das bedeutet, dass aserbaidschanisches Territorium, sollten die Amerikaner von dort aus angreifen, ebenfalls angegriffen wird.

Frage:

Könnte Ihrer Meinung nach die Einführung der Visa-Pflicht für Aserbaidschan die Stationierung von amerikanischen Militärstützpunkten in dieser Republik verhindern?

Antwort:

Nein. Die Visa-Pflicht wird lediglich den Aufenthalt der Aserbaidschaner in Russland erschweren und den Devisen-Strom nach Aserbaidschan bedeutend verringern, was automatisch die soziale Lage in dieser Republik verschlechtern wird. Die aserbaidschanische Führung wird damit in eine komplizierte Lage versetzt. Die Bevölkerung wird die soziale Anspannung mit der Präsenz der Amerikaner und den entsprechenden politischen Beschlüssen, die vom neuen Präsidenten gefasst wurden, verbinden. Um so mehr möchte ich daran erinnern, dass der Iran und Syrien auf dem Wege der Militärmaschinerie der USA lediglich der Zugang zum wichtigsten strategischen Gegner sind, der für Washington Russland ist. Das bedeutet, dass Aserbaidschan sich in der Zukunft in ein Aufmarschgebiet gegen Russland verwandeln wird. (lr)