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Arabische Welt braucht internationales Umdenken

25. Januar 2012

Deutschland unterstützt den Wandel in den postrevolutionären arabischen Staaten aktiv. Doch um der Tragweite der Umwälzungen gerecht zu werden, bedarf es einer neuen, europäischen Strategie, meint Loay Mudhoon.

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Gewiss, Deutschland und Europa wurden vom Ausbruch des Arabischen Frühlings vor gut einem Jahr überrascht. Doch es ist nicht so, dass die deutsche Politik etwa vor Staunen über die plötzlichen Volksaufstände glatt vergaß zu helfen, wie einige Kritiker behaupten. Denn die Bundesregierung unterstützt die Demokratisierngsprozesse in den arabischen Staaten im Rahmen der sogenannten Transformationspartnerschaften mit zahlreichen Hilfsprogrammen. An dieser grundsätzlichen Haltung hat sich trotz der deutschen Zurückhaltung während des libyschen Aufstandes nichts geändert.

Historische Umwälzungen als große Herausforderung

Natürlich sind sofortige Hilfsmaßnahmen und -angebote aus Deutschland und der EU notwendig, um die Grundversorgung der Menschen in Umbruchzeiten zu gewährleisten, vor allem angesichts der katastrophalen Infrastrukturen in diesen Ländern. Auch Hilfsangebote in zentralen Bereichen wie Gründung von neuen Parteien und Gewerkschaften und politischer Bildung sind unabdingbar, da sie die Grundlagen eines demokratischen und pluralistischen Rechtsstaats bilden.

Loay Mudhoon, Islamexperte der deutschen Welle (Foto: DW) Foto: Per Hendriksen / DW
Loay MudhoonBild: DW

Doch um der Bedeutung und der Tragweite dieser historischen Umwälzungen gerecht zu werden, bedarf es einer Neudefinition der Beziehungen Deutschlands mit dem Nahen Osten und Nordafrika - und einer neuen, gesamteuropäischen Nachbarschaftsstrategie.

Mehr Offenheit gegenüber neuen Akteuren

In Deutschland - und ebenso in Europa - ist eine intensive Diskussion über die Grundzüge einer künftigen Politik gegenüber diesen Umbruchstaaten erforderlich. Dies auch deshalb wichtig, weil die Mehrheit der Menschen hierzulande und anderswo in Europa der Entwicklung in der arabischen Welt mit Misstrauen oder gar Angst begegnet.

So ist es auch wichtig, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle kürzlich für genaues und differenziertes Hinschauen warb. Im Hinblick auf den Aufstieg islamischer und islamistischer Volksparteien in Tunesien, Marokko und Ägypten sagte er, dass eine islamische Orientierung nicht per se eine rückwärts gewandte, antimoderne, antidemokratische und unfreiheitliche Gesinnung bedeute. Diese Feststellung könnte den Grundstein für ein notwendiges Umdenken legen.

Neue Strategie erforderlich

Wenn die gewünschte transformatorische Wirkung deutscher und europäischer Hilfsangebote erreicht werden soll, dann muss die EU schnell die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, Demokratie und Rechtstaatlichkeit fördern, Infrastruktur aufbauen und bei der Ausbildung junger Menschen helfen. Europa muss sich gegenüber den arabischen Transformationsstaaten öffnen und Abschied nehmen von den bisherigen, wenig erfolgreichen Kooperationsformen: der euro-mediterranen Partnerschaft EUROMED und der europäischen Nachbarschaftspolitik.

Diese Strategie sollte darauf abzielen, tief greifende Reformen in wirtschaftlichen und sozialen Bereichen, die sich an den Realitäten der Bevölkerung orientieren, zu fördern. Dazu gehört die Öffnung europäischer Märkte für Agrarprodukte aus der Region ebenso wie die - mittelfristig - die gesteuerte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Diese Maßnahmen können entscheidend zur Stabilisierung dieser Länder beitragen.

Autor: Loay Mudhoon
Redaktion: Klaus Dahmann