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Anschlag von München: "islamistisches Tatmotiv"

14. Februar 2025

Ein Mann aus Afghanistan war mit seinem Auto in eine Menschenmenge gerast. Offenbar war er islamistisch motiviert. Erneut verschärft sich die Debatte über Migration.

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Deutschland München 2025 | Rettungskräfte nach Vorfall mit Auto im Stadtzentrum
Spuren der Verwüstung: nach der Tat in MünchenBild: Michaela Stache/AFP

Wieder ein Anschlag. Wieder ist der Täter ein Asylbewerber. Wieder Bayern . Und wieder kocht die politische Debatte über Asyl und Migration hoch. Und das nur wenige Tage vor der Bundestagswahl. 

Am Donnerstagmorgen (13.2.2025) rast ein junger Mann mit seinem Auto mitten in der Innenstadt von München in eine demonstrierende Menschenmenge. Der Täter ist der 24-jährige Farhad N., ein Asylbewerber aus Afghanistan. Er wird noch am Tatort verhaftet und hat die Tat laut den Ermittlungsbehörden gestanden. Bei dem Attentat werden mindestens 36 Menschen verletzt. Zwei seien schwerstverletzt, erklärte die Polizei am Freitag (14.2.) in München. 

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Trauer am Tag nach der Tat: Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (von links nach rechts)Bild: MICHAELA STACHE/AFP/Getty Images

Zum Motiv des Täters erklärte die Generalstaatsanwaltschaft in München, derzeit gehe man von einer "islamistischen Tatmotivation" aus. Nach der Tat soll der Mann "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") gerufen haben, sagte Gabriele Tilmann, die Leitende Oberstaatsanwältin. Bislang gebe es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass er in ein islamistisches Netzwerk eingebunden war. Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus in Bayern und eine Sonderkommission ermitteln.

Unsicherheit durch Anschlagserie in Deutschland

Der Anschlag reiht sich ein in eine Serie ähnlicher Taten. Erst am 22. Januar stach ein ausreisepflichtiger Afghane in einem Park in Aschaffenburg (ebenfalls in Bayern) auf eine Gruppe mit Kindern ein. Er tötete mit einem Messer einen kleinen Jungen und einen Mann, der zur Hilfe geeilt war. Am 20. Dezember war in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) ein Mann mit saudi-arabischen Wurzeln mit einem Auto in einen Weihnachtsmarkt gerast. Er tötete sechs Menschen, hunderte wurden verletzt. 

Stephan Grünewald ist Psychologe und Gründer des Rheingold-Instituts, das gesellschaftliche Trends erforscht. Grünewald spricht im Interview mit der DW von einer "massiven Verunsicherung" der Menschen durch solche Taten. "Erst Messerattacken und jetzt der Auto-Anschlag verunsichern die Menschen existenziell, weil sie das Gefühl haben, sie sind in ihrem ureigenen Element und Lebensraum nicht mehr sicher." Grünewald glaubt, dass viele nun das Gefühl hätten, der Staat müsse besser "steuern und regulieren". Die Mehrheit der Bürger sei sich einig, dass das "private Leben viel stärker geschützt werden müsste".

Stephan Grünewald
Die Angst der Menschen vor Anschlägen sei manchmal größer als das faktische Risiko, erklärt Stephan GrünewaldBild: Christoph Hardt/Panama Pictures/picture alliance

Der Vizepräsident des Polizeipräsidiums München, Christian Huber, erklärte am Freitag (14.2.), man werde nun die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) verschärfen. Aber, so betont er, "es wird keine einhundertprozentige Sicherheit geben".

Politische Debatte über Migration wieder angeheizt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und viele weitere Politiker reagierten umgehend auf den Anschlag von München. Migration ist längst zum zentralen Thema des Bundestagswahlkampfs geworden. 

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, der Täter könne nicht auf "irgendeine Nachsicht" hoffen. "Er muss bestraft werden, und er muss das Land verlassen." Auch sein Herausforderer bei der Bundestagswahl, Unionsspitzenkandidat Friedrich Merz, äußert sich schnell via X. Es müsse sich etwas ändern in Deutschland, verkündet er: "Die Sicherheit der Menschen wird für uns an erster Stelle stehen. Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen." 

Topthema Migration im deutschen Wahlkampf

Erst vor kurzem hatte die Union (CDU/CSU) - erstmals gemeinsam mit der in Teilen rechtsextremistischen AfD – im Bundestag einem Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik verabschiedet. Bundesweit hatte das zu Demonstrationen gegen die Union geführt. 

Die Spitzenkandidatin der AfD, Alice Weidel, sprach von einem "Terror-Fahrer von München", forderte eine "Migrationswende jetzt!". Die AfD setzt sich in ihrem Parteiprogramm für "konsequente" Abschiebungen ein. 

Warnung vor Hetze

Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen warnte nach dem Anschlag vor einer Spaltung der Gesellschaft. Angesichts der Herausforderungen im Äußeren wie im Inneren sei es um so wichtiger, "dass wir auch in unserem Land als Demokraten zusammenstehen. Dass wir uns nicht spalten lassen, weder von Rechtsextremisten noch von Islamisten, die unseren Rechtsstaat von innen herausfordern". 

Bundeskanzler Scholz zur Amokfahrt von München

Der bayerische Flüchtlingsrat warnte vor voreiligen Schlüssen aus dem "tragischen Ereignis". Es bestehe die Gefahr, dass es für rassistische Hetze missbraucht werden könnte.

"Nicht unter Generalverdacht stellen"

"Das wird jetzt mit Sicherheit dazu führen, dass der Ton rauer wird", sagt Mohammad Imran Sediqi, Vorsitzender des afghanische Kulturvereins Farhang in München, im Gespräch mit der DW. "Die ganz große Mehrheit der Afghanen verabscheut solche Aktionen und ist entsetzt darüber, was passiert ist. Das ist unmenschlich." 

Sediqi spricht sich für die Abschiebung von Menschen aus, die in Deutschland kriminell werden. "Es ist für mich eine klare Sache, dass Menschen, die so etwas machen könnten, nicht zu dieser Gesellschaft gehören." Er warnt jedoch davor, nun alle afghanisch-stämmigen Menschen in Deutschland unter Generalverdacht zu stellen.

Der mutmaßliche Täter war nicht ausreisepflichtig

Der 24-jährige Tatverdächtige kam 2016 aus Afghanistan nach Deutschland. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er erhielt jedoch 2021 eine Aufenthaltserlaubnis. Er hat eine Ausbildung abgeschlossen und arbeitete als Ladendetektiv. Nach bisherigem Ermittlungsstand hätten die aktuell diskutierten Verschärfungen in der Migrationspolitik den möglichen Anschlag also nicht verhindern können. 

Direkt nach der Tat hatten auch die bayerischen Behörden zunächst fälschlich behauptet, dass der Tatverdächtige ausreisepflichtig gewesen und bereits wegen Drogen- und Diebstahldelikten auffällig geworden sei. In den sozialen Medien vermittelte Farhad N. den Eindruck eines gut integrierten jungen Mannes. Er betrieb erfolgreich Bodybuilding, Zehntausende folgten ihm auf Instagram und TikTok.