Anne-Sophie Mutter wird 60
29. Juni 2023"Klassik macht glücklich", das würde sie jederzeit unterschreiben, sagte Anne-Sophie Mutter in einem DW-Interview. Kein Wunder, dass sie auch jetzt, wo sie ein Lebensjubiläum begeht, dem klingenden Pfad des Glücks treu bleibt.
Ihren 60. Geburtstag am 29. Juni feiert Anne-Sophie Mutter nämlich auf der Bühne: Gemeinsam mit den von ihr gegründeten "Mutter's Virtuosi", den Stipendiatinnen ihrer Stiftung, hat sie sich auf eine ausgedehnte Tournee begeben. Der Zuspruch des Publikums ist ungebrochen, so auch in der Berliner Philharmonie: Das Konzert ist fast ausverkauft, der Jubel ihrer Fans stürmisch und ausgelassen. Hier ist wieder das zu bewundern, wofür sie schon immer steht: ihr virtuoser Drive, die Makellosigkeit ihres Tons und ihr viel bestauntes Outfit.
Leidenschaft für die Geige
Der Hinweis, dass es noch nicht einmal die Pop-Ikone Madonna geschafft hat, so lange ganz oben mitzuspielen, ringt ihr im Gespräch nur ein müdes Lächeln ab: "Ich mache einfach das, was mich erfüllt, was ich wahnsinnig liebe", sagt sie und man meint, dieses innere Feuer der musikalischen Leidenschaft zu spüren. Und die Stargeigerin setzt noch einen drauf: "Wenn man das Glück hat, früh etwas zu entdecken, was einen glücklich macht und man es als Beruf ergreifen kann, dann spielt es keine Rolle, ob man diesen Beruf zehn Jahre ausüben darf oder 50 Jahre oder vielleicht noch etwas länger."
Dass sie einst der große Dirigent Herbert von Karajan im Jahre 1976 entdeckt und von da an kontinuierlich gefördert hat - diese Geschichte ist schon oft erzählt worden. Und auch Anne-Sophie Mutter scheint sie mittlerweile zu langweilen. Doch sie verdankt Karajan etwas Besonderes, etwas Bleibendes, was bis heute ihre Karriere ausmacht.
Herbert von Karajans Vorbildfunktion
Karajan konnte das großartigste Konzert dirigiert haben. Am nächsten Morgen wurde geprobt, als ob nichts gewesen wäre. Das haben viele erfahren - und erlitten, die mit Herbert von Karajan zusammengearbeitet haben.
Anne- Sophie Mutter dagegen war tief beeindruckt. Und sie hat hierzu einen passenden Karajan-Spruch parat und zitiert ihn mit einer Wucht, die Luther beim Anschlag seiner Thesen alle Ehre gemacht hätte: "‘Wer alle seine Ziele erreicht hat, hat sie wahrscheinlich zu niedrig gewählt‘. Jawohl, das ist absolut mein Credo geworden in allem, was ich tue", sagt Mutter.
Nachwuchsförderung der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung
Anne-Sophie Mutter hat erfahren, wie wichtig es ist, einen Mentor zu haben. Mit ihrem 1997 gegründeten "Freundeskreise der Anne-Sophie Mutter Stiftung e.V." und der im Jahre 2008 daraus hervorgegangenen gleichnamigen gemeinnützigen Stiftung versucht sie zurückzugeben, was sie damals von Karajan und anderen mit auf den Weg bekommen hat. Sie will ihre Erfahrungen, ihr Arbeitsethos und auch ihre Begeisterungsfähigkeit mit den jungen Musikern teilen.
Sie will auch Einfluss ausüben und ein gutes Wort einlegen für die Hochbegabten. "Man darf wenig dem Zufall überlassen, wenn es um das Leben eines jungen Musikers geht", sagt sie vieldeutig. Dass die Stargeigerin ihre Stipendiaten auf die Geburtstagstournee mitgenommen hat, ist ein Statement. Wer sie mit den jungen Menschen auf der Bühne oder privat erlebt, spürt, wie viel Freude ihr der Umgang mit jüngeren Musikern macht.
Mit 60 offen für Neues
Innerlich ist Anne-Sophie Mutter bis heute jung und neugierig geblieben. Immer wieder verschreibt sie sich der neuen Musik, erteilt regelmäßig Kompositionsaufträge: Besonders spektakuläre Neuschöpfungen waren in diesem Zusammenhang die Konzertkompositionen ihres verstorbenen Ehemanns, des Komponisten und Dirigenten André Previn, und das zweite Violinkonzert des berühmten Filmmusik-Schöpfers John Williams.
In ihrer langen Karriere hat Anne-Sophie Mutter wohl fast alles erreicht, was man erreichen kann, inklusive renommierter Preise wie den "Praemium Imperiale" aus Japan, den schwedischen "Polar Music Prize" oder den deutschen "Opus Klassik".
Doch Glück definiert sich für die Mutter von zwei Kindern nicht nur im musikalischen Erfolg. "Wenn meine Kinder im Saal sind, dann ist einfach alles da, was so nah an mir dran ist."