Annäherung zwischen Polen und Deutschland in Vertriebenen-Debatte
7. Februar 2008Jahrelang schwelte der Streit zwischen Polen und Deutschland: Wie kann man der Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs gedenken? Und zwar so, dass allen adäquat gedacht wird - der Polen, deren Land von Nazi-Deutschland zunächst angegriffen wurde und deren Bevölkerung dann verschoben und vertrieben wurde, aber auch der Deutschen, die ebenfalls ihre Heimat aufgeben mussten. Jetzt scheint
es eine Lösung zu geben.
„Sichtbares Zeichen“ in Berlin
Der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann, (CDU) hat in Polen das Konzept des “sichtbaren Zeichens”, einer Dauerausstellung, die das Schicksal der Vertreibungen thematisieren wird, vorgestellt und eine Änderung der bisherigen Verweigerung der polnischen Seite erreicht. Polen wird sich zwar “an dem Vorhaben formell nicht beteiligen”. Aber anders als die vorherige Regierung wird die Regierung unter Donald Tusk keinen Druck auf Historiker ausüben, nicht an den wissenschaftlichen Projekten zum Thema Flucht und Vertreibung mitzuarbeiten.
Die Gründe für die Ablehnung des Projektes durch die polnische Seite sind vielfältig. Der Ideengeber des Projektes ist der Bund der Vertriebenen und dessen Vorsitzende, Erika Steinbach. Ursprünglich sollte das Projekt “Zentrum gegen Vertreibungen” heißen und aus Spendengeldern errichtet werden. Diese Idee fand auch in Kreisen der CDU viele Befürworter, solange sie noch in der Opposition war.
Die rot-grüne Regierung hat die Idee des Zentrums nicht unterstützt. Sie favorisierte ein Konzept der beiden damaligen Staatspräsidenten Rau und Kwasniewski, die sich für ein “Europäisches Netzwerk: Erinnerung und Zukunft” stark machten. Trotz des persönlichen Engagements der ehemaligen Staatsministerin für Kultur und Medien, Christina Weiss, wurde aus dem “Europäischen Netzwerk” eine klassische Totgeburt.
Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten
Im Koalitionsvertrag von 2006 wagte die Regierung Merkel einen Neuanfang. Dort tauchte ein neuer Begriff auf: “sichtbares Zeichen”. Kein “Zentrum gegen Vertreibungen” und kein “Europäisches Netzwerk” soll an die Flucht und Vertreibung erinnern, sondern ein “sichtbares Zeichen” soll in Berlin entstehen. Wie es ausgestaltet werden soll, ist noch ungewiss.
Die polnischen Regierungen – zumal die unter Premierminister Kaczynski – machten dagegen Front, weil sie fürchteten, als Verursacher der Vertreibungen abgestempelt zu werden. Die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten kann nur als Folge des von den Deutschen entfesselten Krieges dargestellt werden, so die polnische Argumentation. Alles andere wäre eine Geschichtsverfälschung. Staatsminister Neumann hat in Warschau versprochen, dass diese Reihenfolge in der Ausstellung beibehalten wird.
Hubert Wohlan, DW-Polnisch