Anleger feiern Deutsche-Bank-Chefwechsel
8. Juni 2015Der Rücktritt des Deutsche-Bank-Führungsduos kommt bei den Anlegern gut an. Der Kurs der Aktie stieg am Montagmorgen an der Frankfurter Börse zwischenzeitlich auf bis zu 29,80 Euro, ein Plus von acht Prozent.
Die Deutsche Bank hatte am Sonntag überraschend den Rückzug der Führungsspitze bekannt gegeben. Anshu Jain tritt bereits Ende Juni zurück, Jürgen Fitschen legt nach der Hauptversammlung im Mai 2016 sein Amt nieder.
An die Spitze rückt der bisherige Aufsichtsrat John Cryan nach, der zunächst mit Fitschen als Doppelspitze und nach dessen Rückzug allein die Deutsche Bank führen soll. Der 54-jährige Brite Cryan sitzt bereits seit 2013 im Aufsichtsrat des Frankfurter Geldhauses.
Der richtige Mann?
Von 2008 bis 2011 war Cryan Finanzvorstand der Schweizer Großbank UBS, anschließend hatte er für den Staatsfonds Temasek aus Singapur gearbeitet, wo er bis Sommer 2014 Europa-Chef war.
Der Absolvent der Elite-Universität Cambridge, der gut deutsch spricht, sei "die richtige Persönlichkeit zum richtigen Zeitpunkt", erklärte Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner. "Er verfügt nicht nur über große Erfahrung im Bank- und Finanzgeschäft, sondern steht persönlich und beruflich für die Werte, die nötig sind, die Deutsche Bank voranzubringen."
Ein radikaler Kurswechsel ist vom ehemaligen Finanzchef der Schweizer UBS aber nicht zu erwarten. Cryan stehe grundsätzlich hinter dem von Jain und Fitschen kürzlich eingeleiteten Strategiewechsel, sagte ein hochrangiger Bank-Insider der Nachrichtenagentur dpa, bei der Ausarbeitung der Details gebe es aber natürlich Spielraum.
"Unsere Zukunft hängt davon ab, wie gut wir unsere Strategie umsetzen, unsere Kunden überzeugen und die Komplexität reduzieren", erklärte Cryan selbst.
Kostensenkung
Viele Investoren setzen darauf, dass Cryan bei der Senkungen von Kosten mehr Erfolg hat als seine Vorgänger. "Schon bei UBS hat Cryan einen starken Fokus auf Kosten gelegt", betonten die Analysten von Morgan Stanley am Montag.
"Wir glauben, dass die Deutsche Bank an einem Wendepunkt steht", erklärten die Experten von Citi. Der neue Vorstandschef sei hoch angesehen und könne es schaffen, die eingeschlagene Strategie besser umzusetzen und höhere Gewinne zu erzielen.
Aktionärsschützer versprechen sich vom Chefwechsel bei der Deutschen Bank ein Ende der zahlreichen Skandale. Cryan müsse sich "das Thema Kulturwandel mal richtig vornehmen", forderte der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Klaus Nieding. "Es reicht eben nicht aus, wenn von allerhöchster Stelle gesagt wird, wir wollen einen Kulturwandel, dann aber in den einzelnen Stabsabteilungen im Bereich des Investmentbankings dieser Kulturwandel gar nicht ankommt."
Kritik am Aufsichtsrat
Die Ablösung des bisherigen Führungsduos hält Aktionärsschützer Nieding für "nur konsequent, weil insbesondere das Vertrauen der institutionellen Investoren nicht mehr da ist." Allerdings kritisierte er das lange Zögern von Aufsichtsratschef Achleitner. "Der Aufsichtsrat hätte früher handeln müssen", so Nieding. Der Vertrauensverlust bei Großaktionären sei auch für das Kontrollgremium schon seit Monaten erkennbar gewesen.
Achleitner hatte Jain vor der Hauptversammlung Ende Mai noch demonstrativ den Rücken gestärkt und ihn maßgeblich mit der Umsetzung der neuen Strategie betraut. Das Geldhaus will die vor sieben Jahren übernommene Postbank wieder abspalten und an die Börse bringen. Das restliche Privatkundengeschäft mit den "blauen" Filialen wird zusammengestrichen, während die Investmentbanker an Macht gewinnen. In der Sparte macht die Bank relativ geringe Abstriche, obwohl sie viel Kapital bindet.
Auf der Hauptversammlung gab es jedoch heftige Kritik an der neuen Strategie und am Vorstand - allen voran an Jain. 39 Prozent des anwesenden Kapitals - darunter große Investoren aus Deutschland und den USA - stimmten gegen seine Entlastung. Normal sind Zustimmungsquoten von 95 Prozent und mehr.
Dass die gerade erst beschlossene Strategie bis zum Jahr 2020 tatsächlich 1:1 umgesetzt wird, glaubt Deutsche-Bank-Kenner Nieding allerdings nicht: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der ein wirklich starker Mann an der Spitze der Deutschen Bank sein will, nicht eigene Akzente setzt und diese Strategie nicht noch einmal nachjustiert."
bea/ul (dpa, reuters, afp)