"Angezettelt" - Aufkleber als Museumsstücke
Seit über 100 Jahren sind Aufkleber überall im öffentlichen Raum. Mit mitunter zweifelhaften politischen Botschaften. Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum nimmt bis Juli rassistische Sticker unter die Lupe.
Sticker-Botschaften
Werbestrategen bezeichnen Sticker, die schnell, anonym und überall hinterlassen werden können, als kulturelles "Guerillamarketing". Gezielt werden Aufkleber auch als Markensetting, Werbesprüche und Konzertankündigungen genutzt, oft dienen sie aber auch der Verbreitung von pointierten, teils zweifelhaften politischen Botschaften.
Politische Hetze
Die Ausstellung dokumentiert, wie lange und wie verbreitet Aufkleber zur politischen Hetze benutzt wurden - auch bevor die Nationalsozialisten sie für ihre rassistische Propaganda ausgeschlachtet haben. Sie will außerdem verdeutlichen, was die allgegenwärtigen Aufkleber anrichten können: Diese antisemitischen Sprüche (Bild) setzten sich in den Köpfen der Menschen fest...
Propaganda-Sticker
...Die Nazis nutzten gezielt antisemitische Aufkleber, um ihre judenfeindliche Propaganda unters Volk und ins Straßenbild zu bringen. Direkt nach dem Wahlsieg der Nationalsozialisten bei den Reichtagswahlen im März 1933 zogen SA- und SS-Männer in Uniform durch Berlin und beklebten im ganzen Stadtgebiet jüdische Geschäfte, um die Bevölkerung einzuschüchtern.
Anti-Nazi-Propaganda
Die jüdischen Organisationen und Vereine in Nazideutschland wehrten sich mit den gleichen Mitteln gegen die Judenhetze der NSDAP. Sie bekämpften den rasch zunehmenden Antisemitismus Anfang der 1930er Jahre noch mit gezielter Gegenpropaganda. Und ließen auch Aufkleber drucken: hier ein Exemplar des "Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens".
Zweifelhafte Liebesbotschaften
Selbst für persönliche Zeilen und ganz private Liebesbriefe wurden in der Zeit zwischen 1933 und 1945 antisemitische Aufkleber genutzt: Wie eine politische Briefmarke zierten sie häufig die Rückseiten der Briefumschläge - damit der Empfänger gleich wusste, "wes Geistes Kind" der Absender war.
Soziale Klebefläche
In den 1970er und 1980er Jahren hatten politische Aufkleber in Deutschland Hochkonjunktur. Lange vor Erfindung der Sozialen Medien waren die kleinen Botschaften die politischen Statements der analogen Generation. Der Hauptteil der Ausstellung stammt aus der Privatsammlung von Wolfgang Haney, der Klebemarken vom späten 19. Jahrhundert bis zur aktuellen Neuzeit gesammelt hat.
Hochaktuell
Wenn auch historisch angelegt, schärft die Ausstellung auch den Blick für aktuelle Bezüge: Die Flüchtlingsdebatte hat neue Ausprägungen unter den politischen Stickern hervorgebracht, die erschreckend historische Parallelen zeigen. Entstanden ist die Bilderschau - zu sehen vom 20. April bis zum 20. Juli 2016 - in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Antisemitismus-Forschung an der TU Berlin.