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Aminata Touré: Erste afrodeutsche Vizeministerpräsidentin

Cristina Krippahl | Arnd Riekmann
Veröffentlicht 7. Juli 2022Zuletzt aktualisiert 26. Juni 2024

Mit 29 Jahren Ministerin, mit 31 schon stellvertretende Ministerpräsidentin: Aminata Touré ist die erste Afrodeutsche in diesem hohen Amt. Seit Dienstag ist sie die Nummer zwei in Schleswig-Holsteins Landesregierung.

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Deutschland | Aminata Touré in Kiel (21.03.2024)
Ministerin Touré (im März): "Bewegte Zeiten"Bild: Frank Molter/dpa/picture alliance

Die Karriere von Aminata Touré geht weiter steil bergauf: Vor zwei Jahren wurde sie Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung in Schleswig-Holstein - und damit die erste afrodeutsche Landesministerin in Deutschland. Nun hat die Grüne zusätzlich den Posten der stellvertretenden Ministerpräsidentin in der schwarz-grünen Regierung des norddeutschen Bundeslandes übernommen.

Immer wenn Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verhindert ist, wird sie die Regierungsgeschäfte übernehmen und zum Beispiel die Kabinettssitzungen in der Landeshauptstadt Kiel leiten. Der Posten wurde frei, weil die bisherige Amtsinhaberin, Landesfinanzministerin Monika Heinold, in den Ruhestand geht.

Deutschland | Aminata Touré und Daniel Günther in Kiel (22.05.2024)
Touré mit Ministerpräsident Günther (im Mai): Erst Kabinettsmitglied, nun StellvertreterinBild: Frank Molter/dpa/picture alliance

Sie freue sich sehr auf dieses verantwortungsvolle Amt, so Touré auf einer Pressekonferenz ihrer Partei am Dienstag. Das Bundesland stehe vor Herausforderungen: "Ich glaube, wir sind in bewegten Zeiten", sagte die 31-Jährige mit unüberhörbarem norddeutschen Akzent. Die Menschen hätten den Anspruch, gut regiert zu werden, so Touré.

Hohe Ziele

Als Landesfamilien- und Sozialministerin wolle sie sich für mehr Gleichberechtigung einsetzen und den Rechtsradikalismus bekämpfen, hatte Touré bei ihrer Ernennung ins schwarz-grüne Kabinett in Kiel gesagt. Beide Themen sind ihr wichtig, seit sie 2017 erstmals in den Landtag gewählt wurde.

Das Amt der Vize-Regierungschefin ist der bisherige Höhepunkt einer bemerkenswerten Karriere. Bereits 2019 wurde Touré zur Vizepräsidentin des Landtags gewählt - auch das als erste Afrodeutsche und bisher jüngste Bundesbürgerin überhaupt.

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Touré mit Amtsvorgängerin Heinold (bei Grünen-Wahlparty 2022): Unüberhörbar norddeutschBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Touré wurde 1992 in Neumünster in Schleswig-Holsteins geboren. Dort hatten sich ihre Eltern nach der Flucht aus Mali niedergelassen. Die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte die heutige Ministerin in einer Gemeinschaftsunterkunft. Erst mit 12 Jahren wurde sie deutsche Staatsbürgerin.

Wurzeln in Afrika, Heimat in Deutschland

Touré bezeichnet sich selbst als afrodeutsch - ihre Wurzeln liegen in Afrika, aber Deutschland ist ihre Heimat. "Ich hatte immer beide Welten in mir, aber ich wollte an einem gewissen Punkt nicht mehr zwischen Ländern wählen müssen. Daher benutze ich einen Begriff, den eine feministische Bewegung schwarzer Frauen in Deutschland geprägt hat: afrodeutsch."

Die Angst ihrer Familie vor der Abschiebung war ein wichtiger Grund für sie, sich politisch zu engagieren. 2012 trat sie den Grünen bei. Im gleichen Jahr begann sie, Politikwissenschaften und Französisch zu studieren.

Seit vielen Jahren tritt Touré für eine bessere und schnelle Integration von Flüchtlingen ein. Das hat ihr nicht nur viel Zuspruch eingebracht, sondern auch viele Anfeindungen und anonyme Drohungen.

Doch die Senkrechtstarterin der deutschen Politik will sich davon nicht beeindrucken lassen. Ihr Wille zum Erfolg sei Ergebnis der Erziehung ihrer Eltern, die ihr immer gesagt hätten, dass sie als Angehörige einer Minderheit 200 Prozent geben müsse, wo andere 100 geben.

"Aber am Ende des Tages wünsche ich mir eine Gesellschaft, in der die Notwendigkeit nicht besteht, dass man immer doppelt so viel geben muss, nur weil man in irgendeiner Form anders ist", sagte sie 2022 dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Aminata Touré im Porträt

Ihre Erfahrungen haben sie auch in der Überzeugung bestärkt, dass die deutsche Politik diverser werden muss. "In der Politik ist die Mehrheit männlich, die Mehrheit ist weiß, die Mehrheit hat studiert, die Menschen sind alt. Aber unsere Gesellschaft ist viel diverser und was wir als Menschen erlebt haben, hat einen Einfluss auf die Entscheidungen, die wir treffen", sagte sie einmal der DW.

Daher hofft Touré auch ein Vorbild für andere Menschen sein, die ethnischen Minderheiten angehören. "Für viele Menschen wird es sehr viel einfacher sein, in die Politik zu gehen, wenn vor ihnen schon mal jemand da war. Ich möchte nicht, dass eine schwarze Frau in der Politik eine Seltenheit ist. Ich möchte, dass es normal wird."

Mitarbeit: Hugo Flotat-Talon

Übersetzung aus dem Englischen: Daniel Pelz

Der ursprünglich im Juli 2022 veröffentlichte Artikel wurde am 26.06.2024 mit aktuellen Informationen ergänzt.