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Alternativer Nobelpreis auch an Palästinenser-Organisation

3. Oktober 2024

Der diesjährige Right Livelihood Award würdigt den Widerstand der "Jugend gegen Siedlungen" und ihres Gründers Issa Amro in Hebron. Weitere Preisträger wirken auf den Philippinen, in Mosambik und Großbritannien.

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Träger des Alternativen Nobelpreises 2024, Issa Amro
Issa Amro kämpft mit seiner Organisation gewaltlos gegen illegale israelische Siedlungen im besetzten WestjordanlandBild: Right Livelihood/dpa/picture alliance

Inmitten der Eskalation im Nahen Osten ist die palästinensische Organisation "Jugend gegen Siedlungen" (YAS) mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Organisation und ihr Gründer Issa Amro werden "für ihren unerschütterlichen - gewaltlosen - Widerstand gegen die illegale israelische Besatzung" in Hebron im Westjordanland sowie die "Förderung palästinensischer Bürgerinitiativen mit friedlichen Mitteln" ausgezeichnet, wie die in Stockholm ansässige Right-Livelihood-Stiftung mitteilte.

Amros strenge Verpflichtung zur Gewaltlosigkeit stehe in "starkem Kontrast" zur "gewaltsamen Realität der israelischen Besatzung", heißt es in der Begründung weiter. YAS spiele eine wichtige Rolle bei der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, der Organisation von Protesten und der Unterstützung örtlicher Gemeinschaften in Hebron.

Blick auf die israelische Siedlung Efrat in der Nähe von Hebron
Die israelische Siedlung Efrat in der Nähe von Hebron Bild: Mosab Shawer/APA/Zuma/picture alliance

Im seit 1967 von Israel besetzten Westjordanland leben neben 2,8 Millionen Palästinensern rund 475.000 Israelis in Siedlungen, die von den Vereinten Nationen als völkerrechtswidrig eingestuft werden. Die israelische Besiedlung der besetzten Gebiete gilt als ein Hindernis für eine Zwei-Staaten-Lösung, also die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaates neben dem Staat Israel.

Bei ihrer Arbeit sähen sich YAS und Amro dauerhaft Druck durch israelische Siedler, dem Militär wie auch der palästinensischen Autonomiebehörde ausgesetzt, erläuterte die Right-Livelihood-Stiftung. Der 44-Jährige sei aufgrund seines Engagements schon inhaftiert, gefoltert und auf offener Straße angegriffen worden. Dennoch hielten Amro und die Organisation an ihrem gewaltfreien Widerstand fest.

Für indigene Völker, gegen Umweltbelastungen

Einen Alternativen Nobelpreis erhielt auch die philippinische Aktivistin Joan Carling, die sich seit mehr als 30 Jahren für die Rechte indigener Völker einsetzt - oft unter größter Gefahr, wie die Stiftung betonte. Carling (61) sei in der Vergangenheit zu Unrecht verhaftet, als Terroristin bezeichnet und fälschlicherweise verschiedener Verbrechen beschuldigt worden. Zudem habe sie für ihre Arbeit Morddrohungen erhalten.

Trägerin des Alternativen Nobelpreises 2024, Joan Carling
Joan Carling setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Rechte indigener Völker auf den Philippinen einBild: Right Livelihood/dpa/picture alliance

Für ihren Einsatz gegen ausbeuterische Megaprojekte und für Umweltgerechtigkeit wurde überdies die mosambikanische Klimaaktivistin Anabela Lemos (71) mit dem Preis bedacht. Als Leiterin der Organisation Justica Ambiental (JA) unterstütze sie seit mehr als 20 Jahren von wirtschaftlichen Megaprojekten betroffene Gemeinschaften dabei, für ihre Rechte einzustehen. Die Führungsrolle von Lemos bei der Kampagne "Sag nein zu Gas" habe die internationale Aufmerksamkeit auf die Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen gelenkt, die durch Projekte zur Förderung von Flüssigerdgas (LNG) im Norden Mosambiks verursacht werden.

Trägerin des Alternativen Nobelpreises 2024, Anabela Lemos
Anabela Lemos kämpft gegen Menschenrechtsverletzungen und massive Umweltbelastungen in MosambikBild: Right Livelihood/dpa/picture alliance

Verbindung von Digitaltechnik und Menschenrechtsarbeit

Weiter bekam die britische Recherche-Agentur Forensic Architecture eine Auszeichnung für "bahnbrechende digitale forensische Methoden, um Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für Opfer und Überlebende von Menschenrechts- und Umweltrechtsverletzungen zu gewährleisten". Seit seiner Gründung im Jahr 2010 habe Forensic Architecture die Entwicklung neuer Methoden vorangetrieben, die Technologie mit Menschenrechtsarbeit verbänden, erläuterte die Stiftung.

Die Organisation verknüpfe dabei Zeugenaussagen oder historische Überlieferungen mit moderner Technologie, um visuelle Rekonstruktionen zu erstellen. Dadurch seien Täter zur Rechenschaft gezogen und zivilgesellschaftliche Bündnisse in die Lage versetzt worden, für Gerechtigkeit zu sorgen. Die Organisation hat laut der Right-Livelihood-Stiftung auch zu deutschen Kolonialverbrechen in Namibia oder zum tödlichen Brand im Londoner Grenfell Tower 2017 gearbeitet.

Preis an Persönlichkeiten wie auch Organisationen

Der Alternative Nobelpreis wird jährlich an mutige Persönlichkeiten und zivilgesellschaftliche Organisationen vergeben. Offiziell heißt er Right Livelihood Award, übersetzt etwa "Preis für die richtige Lebensweise" und ist mit einer Million Schwedische Kronen (rund 88.000 Euro) für jeden Preisträger dotiert. Er wurde 1980 von dem deutsch-schwedischen Philanthropen und Publizisten Jakob von Uexküll ins Leben gerufen und wird durch Spenden finanziert.

Jakob von Uexküll
Philanthrop, Publizist, Ex-Europaabgeordneter der Grünen - und Preisstifter: Jakob von Uexküll (Archivfoto)Bild: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Zu den bisherigen Geehrten gehören unter anderen der kongolesische Gynäkologe und Frauenrechtler Denis Mukwege, der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg und zuletzt 2023 die Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.

Die Träger des Right Livelihood Awards werden alljährlich kurz vor den Nobelpreisträgern verkündet, die ab kommenden Montag in Stockholm und Oslo gekürt werden. Der Beiname "Alternativer Nobelpreis" hat sich über die Jahre für den Award eingebürgert, auch wenn die Auszeichnung in kritischer Distanz zu den eigentlichen Nobelpreisen steht.

sti/se (DW, afp, dpa, epd)