Alternativen zur Pille: So geht hormonfreie Verhütung
28. August 2024Ob in Form eines Ringes, der Spirale oder einer Pille: hormonelle Verhütung gilt als besonders sicher, ist aber auch mit Nebenwirkungen verbunden. Immer mehr Frauen in westlichen Ländern suchen daher nach Alternativen.
In einer Umfrage, die 2023 in Deutschland durchgeführt wurde, stimmten 61% der Frauen und Männer der Aussage zu, dass Verhütung mit Hormonen "negative Auswirkungen auf Körper und Seele hat".
Die Pille, die lange Zeit als feministischer Befreiungsschlag galt, war in Deutschland im Jahr 2023 erstmals seit 2007 weniger häufig im Einsatz als das Kondom.
Und auch in anderen Weltregionen herrscht Skepsis gegenüber hormoneller Verhütung, sagt Joseph Molitoris von der Abteilung für Bevölkerungsfragen der Vereinten Nationen (UNPOP): "In Ländern, in denen die Benutzung von Verhütungsmitteln relativ niedrig ist, gibt es oft die Angst vor Nebenwirkungen oder einer möglichen Störung natürlicher Abläufe im Körper, die Frauen dazu veranlasst, hormonelle Verhütungsmittel entweder nicht mehr oder gar nicht zu benutzen."
Neben dem Kondom für den Mann gibt es eine ganze Reihe anderer hormonfreier Methoden für die Frau. Mit dem Femidom wurde mittlerweile quasi sein weibliches Gegenstück entwickelt: Ein Kondom, das vor dem Sex in die Vagina eingeführt wird.
Es gibt Spiralen oder Ketten aus Kupfer, Gold oder Silber, die die Einnistung einer befruchteten Eizelle verhindern sollen. Oder spezielle Zykluscomputer, die durch das Messen des Hormonspiegels im Urin oder anderer Symptome die fruchtbaren Tage der Frau berechnen. Außerdem das Diaphragma, das in die Vagina eingesetzt Spermien den Zugang zum Uterus versperren soll.
Die Wahl der Methode hängt laut Molitoris vordergründig von drei Aspekten ab: sind sie verfügbar, individuell nutzbar und erschwinglich? Kulturelle Prägung und politische Programme wie Familienplanungskampagnen können zudem großen Einfluss darauf haben, ob und wie Frauen verhüten.
Welche Verhütungsmethode ist die Richtige?
Dr. Bettina Böttcher ist Privatdozentin und Oberärztin an der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Für Böttcher sind nicht-hormonelle Verhütungsmethoden durchaus eine gute Alternative.
"Wenn nicht-hormonelle Verhütung richtig angewandt wird, dann erreicht sie oft eine hohe Zufriedenheit bei den Frauen, bei den Paaren und ist auch sicher." Bei einigen Methoden komme es jedoch oftmals zu Anwendungsfehlern.
Es sei ein Unterschied, ob die Methode sicher ist oder ob die Methode auch sicher angewandt wird. Werden beispielsweise Kondome richtig benutzt, können sie gut vor einer Schwangerschaft schützen. Ein gerissenes Kondom wiederum ist deutlich unsicherer. Das mache pauschale Aussagen und Vergleiche schwierig.
Ein individuelles Aufklärungsgespräch mit dem Arzt oder der Ärztin über die passende Methode sei daher in jedem Fall ratsam.
Drei nicht-hormonelle Methoden und wie sie funktionieren:
1. Diaphragma
Das Diaphragma sieht aus wie ein überdimensioniertes, nicht ausgerolltes Kondom und besteht aus einem Silikonhut, der von einem festen Ring umschlossen ist. Es zählt zu den sogenannten Barrieremethoden und wird vor dem Verkehr in die Scheide eingeführt und vor dem Muttermund platziert.
Dort kann es bis zu 30 Stunden liegen bleiben und muss anschließend gesäubert werden. So verhindert das Diaphragma, ähnlich wie ein Kondom, dass Samenzellen zur Eizelle vordringen können. Falls sich doch ein paar Spermien durchkämpfen, folgt die zweite Hürde: ein spermienhemmendes Gel.
Die Anpassung des Diaphragmas sollte durch geschultes Personal erfolgen. Es ist wieder verwendbar, bis eine erneute Anpassung fällig wird, beispielsweise nach einer Geburt.
2. Kupferspirale
Ob in T- oder Anker-Form: Die Kupferspirale oder Cu-IUB ist ein kleines Plastikteil, das mit einem Kupferdraht umhüllt ist und in den Uterus eingesetzt wird. Der Draht gibt Kupfer-Ionen ab, die die Bewegung der Spermien hemmen und den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut stören.
Das Einsetzen der Spirale in die Gebärmutter bedarf eines ambulanten Eingriffs. Regelmäßige Kontrollen sind bei dieser Methode erforderlich, doch wenn sie richtig sitzt, bietet sie einen langfristigen und zuverlässigen Schutz vor einer Schwangerschaft. Je nach Modell kann die Spirale mehrere Jahre lang im Körper bleiben. Bislang stellt die Kupferspirale das einzige hochwirksame, reversible und nicht-hormonelle Empfängnisverhütung mit langer Wirkungsdauer dar.
Die Methode eignet sich laut Böttcher allerdings weniger für junge Frauen, da sie häufig stärkere Regelblutungen haben, die durch die Kupferspirale oftmals verstärkt werden. Auch das Risiko für eine Eileiterschwangerschaft ist erhöht.
3. Symptothermale Methode
Die symptothermale Methode fällt unter die Kategorie der natürlichen Familienplanung (NFP). Sie beruht darauf, dass die fruchtbaren und die unfruchtbaren Tage im Zyklus einer Frau mit Hilfe bestimmter Körpersymptome ermittelt werden können.
Dafür muss die Frau jeden Morgen ihre Aufwachtemperatur (Basaltemperatur) messen. Das könne laut Böttcher rektal, vaginal oder oral erfolgen. Am Tag des Eisprungs oder kurz danach steigt die Basaltemperatur um mindestens 0,2 °C an und bleibt bis zum Einsetzen der nächsten Blutung so erhöht. Der Temperaturanstieg zeigt also an, dass der Eisprung stattgefunden hat und damit die fruchtbaren Tage der Frau beginnen.
Außerdem muss die Beschaffenheit des Zervixschleims täglich überprüft werden: Während des größten Teils des Zyklus versperrt ein Schleimpfropf den Eingang zur Gebärmutter. Dieser Zervixschleim verhindert, dass Spermien in die Gebärmutter gelangen können. Vor dem Eisprung verflüssigt er sich und wird somit durchlässig für Spermien.
Die korrekte Messung, Berechnung und Auswertung der Körperzeichen müssen allerdings gut gelernt werden, damit die Methode wirksam ist. Laut einem Review ist die Studienlage zur Fruchtbarkeitsmessung bisher nicht ausreichend, um von einer sicheren Verhütungsmethode sprechen zu können. Laut Böttcher ist die Methode nicht geeignet für Frauen, die vor kurzem entbunden haben oder sich in der Phase vor den Wechseljahren befinden.
Keine sichere Verhütungsmethode: Coitus interruptus
Obwohl er weltweit von rund 53 Millionen Frauen angewandt wird, steht der Coitus interruptus nicht auf der Liste der empfehlenswerten Verhütungsmethoden. Diese Methode meint das Herausziehen des Penis aus der Vagina vor der Ejakulation.
Böttcher rät klar von diesem Ansatz ab: Per Definition zähle der Coitus interruptus nicht einmal zu den Verhütungsmethoden und die Datenlage ist nicht ausreichend, um eine gültige Wirksamkeit zu bestimmen.
Laut UN-Angaben sind die bestehenden Möglichkeiten zur Verhütung für 17% der Frauen weltweit nicht befriedigend. Und weitere 24% der Frauen sind mit den bestehenden Methoden unzufrieden. Der Bedarf nach mehr Alternativen ist groß.